„Alpha-Tiere“sind plötzlich Freunde
Bayern. Der CSU droht ein Wahldebakel – eine Harmonie-Show sollte ablenken. Start der großen KURIER-Serie zum Urnengang am Sonntag.
KURIER-Serie zur Bayern-Wahl. Heute: Die Harmonie-Show von Söder und Seehofer
Da stehen sie auf der Bühne, schütteln sich die Hände, der Alte klopft dem Jungen auf die Schultern, wie ein Vater seinem Sohn. Bloß, dass hier Parteichef und Spitzenkandidat Nettigkeiten austauschen. Eigentlich nicht ungewöhnlich. Doch was sich hier auf der Theaterbühne in Seehofers Heimatstadt Ingolstadt abspielt, ist mäßige Schauspielkunst. Das Stück: Plötzlich Freunde.
Davon sind die beiden Hauptdarsteller in der Realität aber weit entfernt. Hinter den Kulissen brodelt es: Es geht um die Schuldfrage: Wer wird verantwortlich sein, wenn die CSU am Sonntag eine historische Niederlage einfährt? Je tiefer die Umfragewerte sinken, umso mehr arbeitete sich Söder an der Politik in Berlin ab. Sie habe die Zahlen geprägt, erklärte er nun via BildZeitung. Womit er Seehofer in die Verantwortung zieht: Als Innenminister war er bis- her in alle Krisen verstrickt: Der Streit um die Flüchtlingspolitik oder den Verfassungsschutzchef. Doch Seehofer will sich nicht zum Sündenbock machen lassen. Er habe sich nie in die Wahlkampfführung eingemischt, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Das sei „das persönliche Vorrecht des Ministerpräsidenten Markus Söder. Er ist zuständig für strategische Überlegungen im Wahlkampf.“
Streit, welcher Streit?
In Ingolstadt will keiner von beiden etwas vom Fernduell wissen. Die CSU-Politiker kommen getrennt, verschwinden in einem Nebenraum der Stadthalle. Aussprache oder Absprache, das bleibt ihr Geheimnis. Dann folgt der Einzug zu dramatischer Musik: Kaum Platz genommen baut sich eine Fotografenwand vor ihnen auf. Kameras blitzen, beide lächeln, auch wenn ihnen vielleicht nicht danach ist.
Dann muss Söder auf die Bühne, versucht, die Situation mit einem Witz zu entschärfen: Er und der Parteichef hätten zuletzt überlegt, wie man im Schlussspurt noch einmal eine breite Öffentlichkeit erreichen könne. „Und da haben Horst Seehofer und ich entschieden, dass wir das ge- meinsam machen. Das ist auch gelungen“. Dann hält der 51Jährige seine Standard-Rede, schwärmt von der Wirtschaftsbilanz, wirbt mit mehr Geld für Familien und Pflegekräfte, gestikuliert viel, hebt die Stimme, schlägt dann wieder leise Töne an, wenn er etwa den Landesvater mimt. Attacken gegen Berlin verkneift er sich, spricht oft den „lieben Horst“an. Doch am liebsten redet Söder über Söder.
Während andere nach dem Motto „Ego-First“leben, steht er für Versöhnung und Kompromiss. Es braucht in Zeiten der Zersplitterung „eine Kraft, die zusammenhält“– das will er sein. Seehofer verfolgt alles mit stoischer Miene. Auch als Söder sein Raumfahrtprogramm verteidigt und kalauert: „Es geht uns nicht darum, jemanden auf den Mond zu schießen, wobei ich einige wüsste.“Das gefällt dem Publikum, mal klatscht es höflich, dann intensiver. So richtig euphorisch ist hier niemand.
Viele sind genervt vom Streit Seehofers mit Merkel und sorgen sich, dass die CSU ihre Macht verliert. Ein älteres Paar ist gekommen, um Söder zu sehen. Die 85-Jährige ist Fränkin. Ihr Mann, ein Oberbayer, hat sie trotzdem geheiratet, sagt sie und lacht. Im Gegensatz zu dem Paar auf der Bühne, verstehen sie sich bestens, meint ihr 89-jähriger Mann. Er kennt Seehofer seit seiner Kindheit. „Er kommt aus einfachen Verhältnissen, hat sich nach oben gearbeitet, ist aber auch ein Querulant, der besser vor einem Jahr gegangen wäre.“
Bittere Töne
Seehofer, der langsam die Bühne betritt, lächelt milde, stützt sich am Pult ab und bedankt sich bei Söder für die „fulminante Rede“. Nun ist also er dran, das „Beiprogramm“in „seiner Heimatstadt“, erklärt er. Und setzt damit den Ton in seiner Rede: Ironie gemischt mit Bitterkeit. Seehofer fühlt sich missverstanden, er sei der „Böse“, egal was er sage, wenn es etwa um Zuwanderung geht. Aber, das ist ihm egal: „Man kann mir alles nehmen, aber nicht meine Überzeugung.“Klingt so ein Abschied? Viele, die Seehofer kennen, meinen, er will kämpfen. Was nicht einfach wird: In der CSU herrscht Konsens, dass er gehen muss. Gestern lässt er sich aber Zeit: Er posiert für Fotos, hört Senioren zu, einige fassen ihn am Arm an. Er lässt es zu. Es könnte das letzte Mal sein. Religion Sitze im Landtag CSU
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