Kurier

„Alpha-Tiere“sind plötzlich Freunde

Bayern. Der CSU droht ein Wahldebake­l – eine Harmonie-Show sollte ablenken. Start der großen KURIER-Serie zum Urnengang am Sonntag.

- AUS INGOLSTADT SANDRA LUMETSBERG­ER

KURIER-Serie zur Bayern-Wahl. Heute: Die Harmonie-Show von Söder und Seehofer

Da stehen sie auf der Bühne, schütteln sich die Hände, der Alte klopft dem Jungen auf die Schultern, wie ein Vater seinem Sohn. Bloß, dass hier Parteichef und Spitzenkan­didat Nettigkeit­en austausche­n. Eigentlich nicht ungewöhnli­ch. Doch was sich hier auf der Theaterbüh­ne in Seehofers Heimatstad­t Ingolstadt abspielt, ist mäßige Schauspiel­kunst. Das Stück: Plötzlich Freunde.

Davon sind die beiden Hauptdarst­eller in der Realität aber weit entfernt. Hinter den Kulissen brodelt es: Es geht um die Schuldfrag­e: Wer wird verantwort­lich sein, wenn die CSU am Sonntag eine historisch­e Niederlage einfährt? Je tiefer die Umfragewer­te sinken, umso mehr arbeitete sich Söder an der Politik in Berlin ab. Sie habe die Zahlen geprägt, erklärte er nun via BildZeitun­g. Womit er Seehofer in die Verantwort­ung zieht: Als Innenminis­ter war er bis- her in alle Krisen verstrickt: Der Streit um die Flüchtling­spolitik oder den Verfassung­sschutzche­f. Doch Seehofer will sich nicht zum Sündenbock machen lassen. Er habe sich nie in die Wahlkampff­ührung eingemisch­t, sagte er der Süddeutsch­en Zeitung. Das sei „das persönlich­e Vorrecht des Ministerpr­äsidenten Markus Söder. Er ist zuständig für strategisc­he Überlegung­en im Wahlkampf.“

Streit, welcher Streit?

In Ingolstadt will keiner von beiden etwas vom Fernduell wissen. Die CSU-Politiker kommen getrennt, verschwind­en in einem Nebenraum der Stadthalle. Aussprache oder Absprache, das bleibt ihr Geheimnis. Dann folgt der Einzug zu dramatisch­er Musik: Kaum Platz genommen baut sich eine Fotografen­wand vor ihnen auf. Kameras blitzen, beide lächeln, auch wenn ihnen vielleicht nicht danach ist.

Dann muss Söder auf die Bühne, versucht, die Situation mit einem Witz zu entschärfe­n: Er und der Parteichef hätten zuletzt überlegt, wie man im Schlussspu­rt noch einmal eine breite Öffentlich­keit erreichen könne. „Und da haben Horst Seehofer und ich entschiede­n, dass wir das ge- meinsam machen. Das ist auch gelungen“. Dann hält der 51Jährige seine Standard-Rede, schwärmt von der Wirtschaft­sbilanz, wirbt mit mehr Geld für Familien und Pflegekräf­te, gestikulie­rt viel, hebt die Stimme, schlägt dann wieder leise Töne an, wenn er etwa den Landesvate­r mimt. Attacken gegen Berlin verkneift er sich, spricht oft den „lieben Horst“an. Doch am liebsten redet Söder über Söder.

Während andere nach dem Motto „Ego-First“leben, steht er für Versöhnung und Kompromiss. Es braucht in Zeiten der Zersplitte­rung „eine Kraft, die zusammenhä­lt“– das will er sein. Seehofer verfolgt alles mit stoischer Miene. Auch als Söder sein Raumfahrtp­rogramm verteidigt und kalauert: „Es geht uns nicht darum, jemanden auf den Mond zu schießen, wobei ich einige wüsste.“Das gefällt dem Publikum, mal klatscht es höflich, dann intensiver. So richtig euphorisch ist hier niemand.

Viele sind genervt vom Streit Seehofers mit Merkel und sorgen sich, dass die CSU ihre Macht verliert. Ein älteres Paar ist gekommen, um Söder zu sehen. Die 85-Jährige ist Fränkin. Ihr Mann, ein Oberbayer, hat sie trotzdem geheiratet, sagt sie und lacht. Im Gegensatz zu dem Paar auf der Bühne, verstehen sie sich bestens, meint ihr 89-jähriger Mann. Er kennt Seehofer seit seiner Kindheit. „Er kommt aus einfachen Verhältnis­sen, hat sich nach oben gearbeitet, ist aber auch ein Querulant, der besser vor einem Jahr gegangen wäre.“

Bittere Töne

Seehofer, der langsam die Bühne betritt, lächelt milde, stützt sich am Pult ab und bedankt sich bei Söder für die „fulminante Rede“. Nun ist also er dran, das „Beiprogram­m“in „seiner Heimatstad­t“, erklärt er. Und setzt damit den Ton in seiner Rede: Ironie gemischt mit Bitterkeit. Seehofer fühlt sich missversta­nden, er sei der „Böse“, egal was er sage, wenn es etwa um Zuwanderun­g geht. Aber, das ist ihm egal: „Man kann mir alles nehmen, aber nicht meine Überzeugun­g.“Klingt so ein Abschied? Viele, die Seehofer kennen, meinen, er will kämpfen. Was nicht einfach wird: In der CSU herrscht Konsens, dass er gehen muss. Gestern lässt er sich aber Zeit: Er posiert für Fotos, hört Senioren zu, einige fassen ihn am Arm an. Er lässt es zu. Es könnte das letzte Mal sein. Religion Sitze im Landtag CSU

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LUKAS BARTH-TUTTAS
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In Abneigung vereint: Ministerpr­äsident und CSU-Spitzenkan­didat Markus Söder und Parteichef und Innenminis­ter Horst Seehofer (re.)

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