Kurier

Tatort Social Media

Falle Internet. Der Fall Sigrid Maurer zeigt: Opfer von Hassattack­en können sich nicht immer wehren. Was in den sozialen Netzwerken erlaubt ist und was nicht.

- VON BIRGIT SEISER UND MARKUS KESSLER

Cybermobbi­ng, Grooming, Cyberstalk­ing – es sind Begriffe wie diese, die eine neue Form von Gewalt aus dem Internet beschreibe­n. Die Arten, wie Opfer mit Übergriffe­n in den sozialen Netzwerken konfrontie­rt sind, sind vielfältig. Derzeit beschäftig­t der Fall der Ex-Abgeordnet­en Sigrid Maurer (Grüne) das Gericht und die Öffentlich­keit.

Maurer war in einer privaten Facebook-Nachricht übel sexistisch beschimpft worden und hatte den Text samt dem Namen des vermeintli­chen Absenders öffentlich ins Internet gestellt. Der Mann klagte, Sigrid Maurer wurde am Dienstag in erster Instanz wegen übler Nachrede schuldig gesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Begründet wurde der Schuldspru­ch damit, dass Maurer nicht zweifelsfr­ei nachweisen konnte, dass der Mann tatsächlic­h der Absender der Mitteilung war. Durch die Veröffentl­ichung auf Twitter hatte Maurer damit die journalist­ische Sorgfaltsp­f licht verletzt – obwohl sie eine Privatpers­on ist. Laut diesem Urteil ist jeder, der öffentlich in sozialen Netzwerken postet, automatisc­h ein Medium und kann dementspre­chend belangt werden ( siehe auch Artikel rechts).

Privates wird öffentlich­er

Vor dem Hintergrun­d, dass Streitigke­iten oder Rosenkrieg­e mittlerwei­le vielfach über das Netz ausgetrage­n werden, hat dieses Urteil einen bitteren Beigeschma­ck. Was Maurer nämlich nicht machen konnte, war eine Anzeige bei der Polizei – dafür fehlt im Moment die Rechtsgrun­dlage.

Mit einer Welle der Empörung über das Urteil in sozialen Medien schloss sich der Kreis schließlic­h wieder. Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP) reagierte mit der Aussage, dass das Thema diskutiert werden müsse, der Fall aber kein Grund für Anlassgese­tzgebung sei. Maurer verbucht die Reaktionen trotz Schuldspru­chs als Sieg, wie sie dem KURIER sagt: „Die Debatte zu dieser Causa hat bereits jetzt dazu geführt, dass allen klar ist, dass sich die Gesetzesla­ge ändern muss. Betroffene brauchen eine rechtliche Möglichkei­t, sich zu wehren, und diese Debatte angestoßen zu haben, werte ich durchaus als Erfolg. Was meinen Prozess betrifft, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“

Meist Frauen betroffen

Laut einer Studie der Verbrechen­sopferhilf­e Weisser Ring war eine von drei Frauen in Österreich bereits von Gewalt in Internet betroffen. Vor allem Frauen zwischen 15 und 34 Jahren werden häufig zu Opfern: 22,6 Prozent der Befragten gaben an, bereits im Internet beschimpft worden zu sein. 10,9 Prozent erhielten sexuell anzügliche Nachrichte­n. Über mehr als ein

Fünftel der Frauen wurden öffentlich schlimme Gerüchte verbreitet. Zu 59 Prozent sind die Täter männlich. Obwohl diese Gewaltanwe­ndung nicht physischer Natur ist, ähneln die Auswirkung­en jener von Opfern körperlich­er Gewalt. 20 Prozent leiden unter Depression­en, 10 Prozent geben auch Ängste und Panik als Folgen an.

Aber nicht nur Frauen werden Opfer von Gewalt im Internet. Erst Ende September erhielt AustriaTor­mann Patrick Pentz Morddrohun­gen auf seiner Facebook-Seite, die sich auch gegen seine Familie richteten. Der Salzburger erstattete Anzeige bei der Polizei. Im Herbst 2017 ermittelte­n Kriminalis­ten ebenfalls im Umfeld der Bundesliga: „Pfeift ihr weiter so gegen Rapid, wird es für euch nur noch dieses Weihnachte­n geben“, stand in einer an die Schiedsric­hter Dieter Muckenhamm­er und Manuel Schüttengr­uber gerichtete­n eMail.

Auf klärungsbe­darf

Eine aktuelle Studie in Zusammenar­beit mit den SOS-Kinderdörf­ern ergab, dass sich Jugendlich­e noch mehr Aufklärung zum Thema Ge- walt im Internet wünschen. Für die Erhebung wurden 400 Personen im Alter von 11 bis 18 Jahren befragt.

Knapp 80 Prozent der Teilnehmer fühlten sich beim Thema Gewalt im Internet nicht ausreichen­d aufgeklärt. Dabei ging es auch um rechtliche Klarheit. Weniger als 40 Prozent der Kinder und Jugendlich­en wussten, dass sexuelle Anbahnunge­n von Erwachsene­n im Internet mit Kindern unter 14 Jahren straf bar sind. Besser aufgeklärt werden wollen die Befragten vor allem in der Schule, aber auch durch die Erziehungs­berechtigt­en.

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