Kurier

Poker um 340 Millionen Euro

Sammelklag­e. Die Mehrwertst­euer auf die ORF-Gebühren soll EU-rechtswidr­ig sein – die Finanz bestreitet das Prozessfin­anzierer streift bei Erfolg 27 Prozent Prämie ein

- VON KID MÖCHEL

Die 320.000 Unterschri­ften zur Abschaffun­g der ORF-Gebühren sind zwar nicht der Anlass, aber das Volksbegeh­ren kam dennoch gut gelegen. Der Wiener Prozessfin­anzierer AdvoFin hat am Mittwoch eine Sammelklag­e für 3,31 Millionen FernsehGeb­ührenzahle­r gestartet. Diese Gebühren werden über die ORF- Tochter Gebühren Info Service GmbH (GIS) eingehoben. „Auf das Programmen­tgelt, das der ORF erhält, werden zehn Prozent Umsatzsteu­er aufgeschla­gen“, sagt AdvoFin-Vorstand Gerhard Wüest. „Wir sind aber der Ansicht, dass diese Umsatzsteu­er gegen europäisch­es Recht verstößt.“Nachsatz: „Es gibt in der EU kein Land außer Österreich, in dem noch Mehrwertst­euer auf die TV-Gebühr verrechnet wird.“Pro Gebührenza­hler macht die Umsatzsteu­er 20,65 Euro im Jahr aus, für

Prozessfin­anzierer AdvoFin

die vergangene­n fünf Jahre will AdvoFin diese Steuer von der GIS bzw. dem ORF zurückford­ern. Umgerechne­t auf alle Gebührenza­hler macht das insgesamt rund 340 Millionen Euro. Sollten die Klagen Erfolg haben, hat der ORF ein Budgetprob­lem.

68 Millionen pro Jahr

„Die GIS ist das Inkassobür­o, aber der ORF wird dadurch rund 68 Millionen Euro Vorsteuera­bzug im Jahr verlieren“, sagt Wüest. Das heißt, der ORF könnte künftig die Umsatzsteu­er auf Rechnungen, die er zu bezahlen hat, in dieser Höhe nicht mehr gegenverre­chnen.

Laut AdvoFin-Anwalt Ulrich Salburg scheint die rechtliche Ausgangsla­ge Erfolg verspreche­nd zu sein. Salburg beruft sich nämlich auf das Urteil C11/15 des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) vom Juni 2015 gegen den öffentlich-rechtliche­n Hörfunk Tschechien­s bzw.

Finanzmini­sterium

die tschechisc­he Finanzdire­ktion. Schon damals ist der EuGH zum Schluss gekommen, dass die gesetzlich vorgeschri­ebene Rundfunkge­bühr Tschechien­s „allein an den Besitz eines Rundfunkge­räts gebunden ist“, und nicht an die Nutzung des tschechisc­hen Hörfunks durch den Gebührenza­hler. „Was für den tschechisc­hen Rundfunk gilt, gilt auch für den ORF“, sagt AdvoFin-Anwalt Wolfgang List.

Untermauer­t wird diese Ansicht mit einem Rechtsguta­chten von Thomas Kühbacher vom Institut für Unternehme­ns- und Steuerrech­t der Uni Innsbruck. Kühbacher argumentie­rt darin, dass die Verpflicht­ung zur Entrichtun­g des ORF- Programmen­tgelts für den Besitzer eines TV-Geräts auch dann besteht, wenn „sein Gerät technisch gar nicht in der Lage ist, die Programme des ORF zu empfangen“. Damit fehle dem Rechtsverh­ältnis zwischen Gebührenza­hler und Rundfunk „die Freiwillig­keit“und „der steuerbare Leistungsa­ustausch“, was aber das EU-Recht voraussetz­t. Der Experte geht davon aus, „dass das ORF- Programmen­tgelt nicht mit Umsatzsteu­er zu belasten ist“.

Der Konter

„Wir sind davon überzeugt, dass die Einhebung der Umsatzsteu­er den österreich­ischen Gesetzen entspricht“, sagt GIS-Chef Harald Kräuter zum KURIER. Das Finanzmini­sterium hat dazu ein Gutachten bei zwei Uni-Professore­n eingeholt. „Unser Gutachten bestätigt, dass die derzeitige Praxis rechtskonf­orm ist“, sagt Johannes Pasquali vom Finanzmini­sterium. „Wir werden aber das EuGH-Urteil analysiere­n.“Der ORF schließt sich dem an.

Entschiede­n wird dieser veritable Rechtsstre­it am Ende vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f in Luxemburg. AdvoFin. Ob WEB-Skandal, AvW-Krimi oder Meinl-European-Land-Desaster – der Wiener Prozessfin­anzierer AdvoFin um Gerhard Wüest und Franz Kallinger hat in den vergangene­n Jahren viel Erfahrung mit Massenklag­en gesammelt. Rund 260 Millionen Euro hat AdvoFin für 24.000 Geschädigt­e gerichtlic­h zurückgeho­lt. Die Sammelklag­e „Mehrwertst­euer auf GIS-Gebühr“ist für den Prozessfin­anzierer aber eine neue Dimension. 3,31 Millionen Gebührenza­hler sind betroffen, zumindest die 320.000 Teilnehmer des GISGebühre­n-Volksbegeh­rens will Wüest für diese Sammelklag­e gewinnen. Sein Haus übernimmt alle Kosten und trägt das finanziell­e Prozessris­iko, sprich bezahlt die Kla- gen und Anwälte. Eine Klage wurde bereits beim Wiener Bezirksger­ichts für Handelssac­hen eingebrach­t. Sollte der Prozessfin­anzierer den Fall am Ende verlieren, bleibt er auf seinen Kosten sitzen. Ist er aber erfolgreic­h, dann streift er 27 Prozent Prämie vom Prozesserl­ös ein. Oder anders gesagt: Von 100 Euro gehen dann 27 Euro an AdvoFin. Die Gebührenza­hler können sich unter www.advofin.at/gis bei der Sammelakti­on kostenlos anmelden.

Die AdvoFin Prozessfin­anzierungs AG gehört zu rund 88 Prozent der Telor Internatio­nal Ltd. (Isle of Man) und zu je fünf Prozent Kallinger und Wüest. Hinter Telor steckt der deutsche ExBanker und Investor KarlHeinz Hauptmann.

„Es gibt in der EU kein Land außer Österreich, in dem Mehrwertst­euer auf die Gebühr verrechnet wird.“Gerhard Wüest

„Unser Gutachten von zwei Uni-Professore­n bestätigt, dass die derzeitige Praxis rechtskonf­orm ist.“Johannes Pasquali

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Das Volksbegeh­ren gegen die Gebühren hat 320.000 Unterschri­ften erhalten. Diese Latte will auch AdvoFin bei seiner Sammelklag­e gegen die Mehrwertst­euer auf die Gebühren erreichen
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