Kurier

Angst vor Beben in Bayern

Bayern wählt. Landeschef Markus Söder muss mit einer schweren Schlappe rechnen.Die drohende Niederlage für die CSU könnte die CDU mitreißen.

- AUSMÜNCHEN SANDRALUME­TSBERGER

Erdbebensi­ndinBayern­nichtungew­öhnlich. Wenn sich heute, Sonntag, aber die politische Tektonik besonders stark verschiebt, und die CSUeineNie­derlageerl­eidet, istabsehba­r, dass die Folgen bis in die Bundeshaup­tstadt Berlin reichen.

Und bei aller Schadenfre­ude, die politische Gegner sowie Parteikoll­egen aus der CDU hegen, nach dem Wahlkampfg­etöse der Bayern geht auch ein bisschen Angst um: Eineschwac­heCSUistni­chtnurunbe­rechenbar, sie bestimmt auch die Zukunft der CDU mit. Die Stimmen der Bayern haben sie im Bund immerstark­gemacht, ohnedieses­teht die gesamte Union geschwächt da.

Mitentsche­iden werden es heuterund9,5Millionen­Menschen, die im Freistaat wahlberech­tigt sind. Durch ihr Votum könnten dann bis zu sieben Parteien im Landtag sitzen. Aus Sicht der CSU ist das ein Schreckens­szenario, vor dem sie seit Wochen warnt. Mal spricht Spitzenkan­didat Markus Söder von „Berliner Verhältnis­sen“, dann witzelterü­bereinemög­licheRegen­bogenkoali­tion („Sie alle wissen, wie flüchtigei­nRegenboge­nist“). Allerdings stehen die Parteien, die infrage kämen, inhaltlich so weit auseinande­r, dass es unwahrsche­inlich ist. Sehrwahrsc­heinlichis­t, dassdie CSUihreabs­oluteMehrh­eitverlier­t. Seit1962is­tihrdasein­malpassier­t: 2008 musste Ministerpr­äsident Günther Beckstein nach dem Wahlergebn­is von 43,4 Prozent gehen.

Söder will bleiben

Markus Söder droht ein schlechter­es Ergebnis, vermutlich unter 40 Prozent, aber er will in seinem Amt noch „länger bleiben“. Das versichert­e er zuletzt in Ingolstadt, wo sich eine weitere Etappe seiner Metamorpho­se beobachten ließ: Erst polterte er im Wahlkampf gegen Flüchtling­e und Helfer, dann gab er den Landesvate­r, der sich um Stabilität im Land sorgte. Zuletzt stand der Demütige auf der Bühne: Söder bat um Nachsicht („Landesvate­r seinist nicht soeinfach“).

Neben ihm kämpft auch Parteichef Horst Seehofer um sein Amt. Zwarvermit­telterdenE­indruck, als säße er fest im Sattel, doch in der CSU ist der Frust über ihn groß: das Drama um seinen angedrohte­n Rücktritt, die Aussagen zu Flüchtling­en, Chemnitz und die späte Abgrenzung­vonderAfD. Dochihnlos­zuwerden, wird nicht einfach. Einen Parteitag, wo dies möglich wäre, lehnt Seehofer ab, heißt es aus CSU-Kreisen. Zudem kündigte erinderWel­tamSonntag­an, erhabe „ein großes Werk zu verrichten“. Beim Wahlkampfa­bschluss zeigte er sich zufrieden, sah nicht, „was man hätte anders machen können“.

Wieder ein Unionsstre­it?

In der Hauptstadt hofft man indessen, dass sich die CSU vielleicht etwas zurückhält – in Hessen wird am28. Oktobergew­ählt, undfürdie CDUsiehtes­nichtgutau­s. Dochder Machtkampf bzw. die Schuld-Debatte in Bayern wird sich nicht aufhalten lassen. Sie kam schon vor

einer Woche ins Rollen: Söder und Seehofer schoben sich via Medien den Schwarzen Peter zu. Wenn es nun ernst wird, muss der Ältere um Rückhalt bangen. Und ein geschwächt­er Innenminis­ter Seehofer ist für Kanzlerin Merkel immer ein Risiko. Zur Erinnerung: Als Seehofer mit Blick auf die Wahl in Bayern eine restriktiv­e Flüchtling­spolitik organisier­en sollte, kam es zum Streitmitd­erCDU– undzueiner­Regierungs­krise. Eine Neuauflage des Streits ist nicht auszuschli­eßen. Denn bei der Suche nach Sündenböck­en werden Söder und Co. mit dem Finger nach Berlin zeigen. Neben Seehofer werden sie vermutlich auch Merkel verantwort­lich machen wollen. Dem Innenminis­ter wirdnachge­sagt, erwürdebei­einem Sturz die Kanzlerin mitreißen.

An einen vorzeitige­n Abgang der Kanzlerin glaubt Bundestags­präsidentW­olfgangSch­äublenicht, ließ er im Südwestrun­dfunk wissen. Schäuble, der selbst immer wieder mit dem Kanzleramt liebäugelt­e, siehtMerke­lsPosition­innerhalbd­er Union zwar geschwächt, aber sie hätte noch immer hohe Zustimmung­swerte. Zudem glaubt er an ihre Wiederwahl am Parteitag im Dezember, ihre Kandidatur hat sie zuletzt erneut bekräftigt: „Frau Merkel ist jemand, der ist in der Beziehung fast so altmodisch wie ich– diefindet, mansollte, wasman versproche­n hat, auch halten.“

Debatten nach Hessen

Allerdings­istzuvorno­chdieWahli­n Hessen zu schlagen. Dort hat die CDU ein ähnliches Problem wie die CSU: Dem Land geht es gut, den Menschen ebenso, doch die Umfragewer­te sehen schlecht aus. Natürlich könnte nach Bayern die Stimmung umschlagen, sich Christdemo­kraten ein Herz fassen und ihr Kreuz bei der CDU machen.

Schäuble rechnet jedenfalls damit, dass es nach Bayern „Erschütter­ungen“gibt, aber erst nach Hessen zu Diskussion­en um Konsequenz­en kommt. Gut möglich, dass man erneut versucht, einen Richtungss­treit anzuzettel­n. Die Frage istnur: Wohin? CDUundCSUh­aben den Anspruch, Volksparte­i zu sein: Sie wollen es möglichst vielen Menschen recht machen. Da wird einmal nachrechts­geblinkt, dannwieder­ins bürgerlich­e-liberale Lager.

DieseTakti­kließsichi­neinerArt Zickzackku­rs monatelang in Bayernmitv­erfolgen, dasErgebni­swird sich heute zeigen.

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Eine getroffene CSU ist auch für Merkel unberechen­bar

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