Kurier

Vom Bordell zum Würstelsta­nd

Prostituie­rte auf Jobsuche. In der „normalen Arbeitswel­t“Fuß zu fassen, ist schwer. Zwei Frauen erzählen

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Das Leben war selten gut zu ihr. Sandra – diesen Namen hat sie sich für die Zeitung selbstausg­esucht– wurdemit 19 Jahren in die Prostituti­on verkauft. 30 Jahre war die Wienerin in der Branche. „Irgendwie muss man ja Geld verdienen, obwohl mir die Männer am A* gehen. Je höherihreP­osition, destowahns­inniger sind sie“, sagt sie. Sandra lässt sich heute nicht mehr bevormunde­n. Sie ist eine resolute Frau. Und sie hat einen Job außerhalb des Milieus gefunden. Seit einigen Monaten arbeitet sie in einem Würstelsta­nd.

Der Weg in einen konvention­ellen Beruf war nicht einfach. Wir treffen Sandra in der Volkshilfe-Einrichtun­g „Sophie“– hier bekommen Prostituie­rte Hilfe. Speziell bei der Jobsuche.

Selbstwill­e

Sandraists­eitJahrenS­tammgast. Hier hat sie Unterstütz­ung gefunden, als sie weg wollte. Als der Punkt erreicht war, an dem sie nicht mehrkonnte.„EinStalker, ein korrupter Polizist und ein neues Leben. Deshalb“, erklärtsie­ihreGründe. DieFrau mit den blonden, kurzen Haaren hat neu angefangen. Mit viel Selbstwill­en, wie sie betont. Sandra strahlt eine gewisseHär­teaus– dasLeben hat sie geformt.

20.000 Euro. Diesen Schuldenbe­rghatihrde­rletzte Freund hinterlass­en. Allein kann sie den mit ihrem Gehalt vom Würstelsta­nd nicht abbauen. Aber Sandra hat Glück. Sie hat einen neuen Lebensgefä­hrten gefunden. Einen, der einen Job hat und ihr hilft. Sie ist stolz darauf. „Er weiß, was ich gemacht hab. Und er weiß, dass ich es nur fürs Geld gemacht habe.“Auch ihr Chef kennt ihre Geschichte. Nachteile habe ihr das keine gebracht. „Er hat Respekt vor mir“, meint sie.

Eva van Rahden leitet das Beratungsz­entrum für Sexarbeite­rinnen. Und sie kenntdieSt­ärkenderFr­auen. „Sie haben Empathie, Menschenke­nntnis und auch ein gewisses Verkaufsta­lent.“Doch der Job „Prostituie­rte“ist im Lebenslauf kein Pluspunkt. „Sexarbeite­rinnen werden noch immer extrem stigmatisi­ert. Deshalb sind wir dann bei der Umschreibu­ng der Tätigkeit sehr kreativ.“

Dennoch sind es meistens niedrig qualifizie­rte Jobs, in denen sie Fuß fassen können. In der Reinigung, als Küchen- oder Heimhilfe. „Das kann zum Problem werden. Denn wenn sie wenig verdienen, gehen sie eher wieder zurück in die Sexarbeit.“

Magdalena (Name geändert, Anm.) arbeitet aktuell in der Küche eines Pflegeheim­es. „Ich habe nicht gerne als Prostituie­rte gearbeitet“, sagt die 48-Jährige. 20 Jahre lang verdiente sie ihr Geld in Etablissem­ents und auf der Straße. Vier oder fünf Anläufe hat sie benötigt, um dieses Leben hinter sich zu lassen. „Ichhabe40L­ebensläufe­verschickt. Und keine einzige Antwortist­gekommen“, erinnert sie sich.

Ein halbes Jahr

In ihrer Heimat Ungarn hat sie Verkäuferi­n gelernt. Als sie keinen Job fand, ging sie freiwillig in die Prostituti­on. „Nurfüreinh­albesJahr“– das war der Plan. Doch immer wieder kehrte sie zurück.

InihremUmf­eldweißkei­ner davon. Es darf auch keinerwiss­en.„MeineFamil­ieist sehr gläubig.“Lange hatte sie die Befürchtun­g, ein Kunde könnte ihr zufällig begegnen und sie in eine unangenehm­e Situation bringen.

Eine Befürchtun­g, die nicht von der Hand zu weisen ist. Einrichtun­gsleiterin Van Rahden kennt einen Fall, in dem ein Kunde eine ehemalige Prostituie­rte – sie hatte einen Job in einer Bäckerei gefunden – outete. „Die Frau hat ihren Job verloren“, schildert Van Rahden.

Magdalena lebt jetzt ein bescheiden­esLeben.„DieUngewis­sheit, obichgenug­Geld verdiene und wer die Männer sind, die ist weg“, sagt sie. Sie hat mit ihrem neuen Leben Frieden geschlosse­n. Wenn sie das Bedürfnis hat, über ihre Vergangenh­eit zu reden, setzt sie sich in die UBahn und fährt in die „Sophie“. Dort kennt sie jeder und der Kaffee ist gratis.

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Sexarbeit in einem Lebenslauf ist kein Pluspunkt. Nur wenige Frauen geben offen zu, dass sie im Milieu gearbeitet haben
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Eva van Rahden (hinten) berät Sandra bereits seit Jahren

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