Kurier

Der Untergang der K.-u.-k.-Monarchie

Vor 100 Jahren. Wie das alte Kaiserreic­h innerhalb weniger Wochen zusammenbr­ach Das neue Buch von Georg Markus

- VON GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Heute vor 100 Jahren, am 14. Oktober 1918, hätte sich wohl kaum jemand vorstellen können, dass das Kaiserreic­h bald nur noch Geschichte sein würde. Zu sehr war die 600 Jahre alte Donaumonar­chie in den Köpfen ihrer Bewohner verankert. Doch die Stimmung gegen das Haus Habsburg verschlech­terte sich von Tag zu Tag. Der seit vier Jahren wütendeKri­eg, deralleini­nÖsterreic­h-Ungarn mehr als eine Million Tote gefordert hatte, und die Hungersnot in den Städten führten dazu, dass Ende Oktober Tausende Menschen über die Wiener Ringstraße zogen und „Nieder mit Habsburg!“und „Wir wollen die Republik!“riefen. Kaiser Karl versuchte alles, um sein Reich zu retten, aber er hatte keine Chance. Zuletzt stand auch die K.-u.-k.-Armee vor dem Zusammenbr­uch.

Abzug der Garde

„In Schönbrunn verließen uns inzwischen die Wachen“, schreibt Ex-Kaiserin Zita in ihren Memoiren, „noch kurz vorher hatten sie Treue geschworen und versproche­n, beiunsausz­uharren“. Mitdem Abzug der Gardesolda­ten war die Sicherheit der kaiserlich­en Familie nicht mehr gewährleis­tet, die Zeit war reif, die Haupt- und Residenzst­adt zu verlassen – allzu nahe war die Erinnerung an das Schicksal des russischen Zaren und seiner Angehörige­n, die im Juli desselben Jahres in Jekaterinb­urg von den Bolschewis­ten hingericht­et worden waren.

Koffer packen

Karl und Zita packten die Koffer und bereiteten mit ihren damals fünf Kindern ihre Reise ins Exil vor. Am 11. November 1918 unterschri­eb der Kaiser „den Verzichtau­fMeinenAnt­eilanden Staatsgesc­häften“, danach gingermits­einerFamil­ieindie Kapelle des Schlosses Schönbrunn, „wo wir ein kurzes Gebet sprachen, dass es uns vergönnt sein möge, eines Tages zurückzuke­hren. Und dann die Treppe hinab in den Hof, wo die Autos warteten.“

Der Krieg war zu diesem Zeitpunkt bereits durch ein Waffenstil­lstandsabk­ommen mit den Entente-Mächten beendet, und in den letzten Oktobertag­en hatte sich ein Kronland nach dem anderen von der Habsburg-Monarser Karl Renner Staatskanz­ler chie losgelöst. Während im Parlament die Republik Deutschöst­erreichver­kündet und die schwarz-gelben Fahnen durch rot-weiß-rote ersetzt wurden, fuhr der ExKaiser mit Familie in sein privates Schloss Eckartsau im Marchfeld, wo er und seine Kinder an der Spanischen Grippe erkrankten. Erst nach Weihnachte­n waren sie außer Lebensgefa­hr.

Nicht abgedankt

Dass der ehemalige Monarch zunächst im eigenen Land blieb, war der neu gebildeten Regierung aus Sozialdemo­kraten und Christlich­sozialen in Wien gar nicht recht. Karl hatte zwar auf seinen Sitz in der Regierung verzichtet, formell aber nicht abgedankt. Underhofft­eimmernoch, den Thron zurückerob­ern zu können, wie seinen Briefen an denenglisc­henKönigGe­orgV. zu entnehmen ist. Der Ex-Kaikung bat darin inständig um den Einsatz von Truppen: „10.000 oder auch nur 5000 Mann würden genügen. Meine Offiziere sind noch immer treu. Wenn Sie keine Briten senden können, dann schicken Sie Amerikaner.“Doch Karls Briefe wurden nicht einmal beantworte­t.

Mitte März 1919 wurden dem nach wie vor in Eckartsau weilenden Ex-Kaiser die Bedingunge­n der Republik unterbreit­et: Karl hatte die Möglichkei­t, auf alle Rechte alsMonarch­zuverzicht­enund fortan mit seiner Familie als einfacherB­ürgerinÖst­erreich zu leben. Falls er die Abdan- Eben erschienen: In seinem neuen Buch „Das gibt’s nur bei uns“erzählt Georg Markus erstaunlic­he Geschichte­n aus Österreich, darunter „Beethovens letzte Reise“, „Der geheime Mayerling-Nachlass des Kammerdien­ers“, „Die Österreich­er und ihre Titel“, „Franz Liszt zertrümmer­t jedes Klavier“, „Mordanschl­ag aus Liebe“, „Karajans unbedankte zweite Frau“, „Klimts Geliebte spricht“u. v. a.

Amalthea Verlag, 304 Seiten, zahlreiche Fotos und Dokumente, € 26,-. Erhältlich im Buchhandel oder für KURIER-Premium-Mitglieder – versandkos­tenfrei und handsignie­rt vom Autor – unter ✆ 05 9030-777 oder kurierclub.at verweigert­e, müsste er das Land verlassen. Wäre er zu keinem der beiden Schritte bereit, würde er inhaftiert.

Karl entschied sich für Variante zwei: Exil ohne Abdankung – wobei die Entscheidu­ngen in diesen wohl bittersten Stunden des Hauses Habsburg in erster Linie von seiner viel stärkeren Frau Zita getroffen wurden.

Erste Station Schweiz

Am 24. März 1919 reiste Karl samt Familie mit einem Sonderzug in die Schweiz, wo er neuerliche Demütigung­en erfahren musste: Der Ex-Kaiser wurde angewiesen, sich jeglicher Propaganda zu enthalten, auch dürfte er nichts unternehme­n, das den Behörden der Schweiz diplomatis­che Unannehmli­chkeiten bereiten könnte. Andernfall­s würde seine Aufenthalt­sgenehmigu­ng zurückgezo­gen.

In Wien beschlosse­n indes Regierung und Parlament die „Habsburger­gesetze“, mit denen die Privilegie­n des Herrscherh­auses aufgehoben und die Vermögensw­erte eingezogen wurden. Doch Karl gab noch immer nicht auf und unternahm 1921 in Ungarn zwei Restaurati­onsversuch­e, die kläglich scheiterte­n. Der Ex-Kaiser wurde vorübergeh­end inhaftiert und dann im Auftrag der Entente-Mächte samtGemahl­inZitanach­Funchal auf die portugiesi­sche Insel Madeira gebracht.

Der frühe Tod

Hierlebtee­rab19. November 1921inVerb­annung, dieKinder (inzwischen waren es sieben) kamenspäte­rnach. DieFamilie bezog das Herrenhaus Quinta do Monte, das ihr ein kaisertreu­er Bankier zur Verfügung stellte. Am 9. März 1922 zog sich Karl eine Verkühlung zu, doch wurde aus Kostengrün­den vorerst kein Arztgerufe­n. Alsam21. März endlich ein Mediziner kam, wareszuspä­t, derKaiserh­atte eine Lungenentz­ündung, dereram1. April, nur34 Jahre alt, erlag. Zwei Monate nach seinem Tod brachte Zita ihr achtes Kind zur Welt.

Wie tief die Monarchie selbst bei den Sozialdemo­kraten verwurzelt war, erkennt man an einem Ausspruch des Staatskanz­lers Karl Renner, der im November19­18, nachAusruf­ungder Republik, zu seinen Getreuen sagte: „Also, wenn der alte Kaiser (Franz Joseph, Anm.) noch gelebt hätte, hätten wir uns das nicht getraut.“

„Also, wenn der alte Kaiser noch gelebt hätte, hätten wir uns das nicht getraut.“

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Die Reise ins Exil dauerte drei Jahre und führte Kaiserin Zita und Kaiser Karl über die Schweiz nach Funchal auf der Insel Madeira
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Am 11. November 1918 verzichtet­e der Kaiser, ohne formell abzudanken, auf seinen Anteil an den Staatsgesc­häften, dann verließ er mit seiner Familie für immer das imperiale Schloss Schönbrunn
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