Fernost als eine Schule des Sehens
Ausstellung. „Faszination Japan“im Kunstforum Wien widmet sich den Vorbildern der klassischen Moderne
Die japanische Kunst hat den Europäern die Augen geöffnet.„MeineganzeArbeitbaut sich sozusagen auf den Japanern auf“, schrieb Vincent van Gogh 1888.
„Das ist keine Mode mehr, das ist Leidenschaft, das ist Verrücktheit“, hatte der Kunstkritiker Ernest Chesneau schon zehn Jahre vorherfestgestellt. GanzParis war im Japan-Fieber.
Und van Gogh wohl der größte Japonist seiner Zeit, der von Paris in die Provence zog, weil er dort das helle Licht und die klaren Farben des Fernen Osten zu finden meinte: „Ich brauche keine Japandrucke, denn ich sage mir immer, dass ich hier in Japan bin.“
In Paris begann’s
DasKunstforumWienerzählt indervonEvelynBeneschkuratierten Ausstellung „Faszination Japan: Monet – Van Gogh – Klimt“(bis 20. Jänner) vonderBegeisterungder Künstlerundvonihrerkreativen Auseinandersetzung mit fernöstlichen Vorlagen vor und nach 1900.
Bestückt ist die Schau mit Gemälden, Zeichnungen und Grafik, Kunsthandwerk und Mode, ergänzt um ihre japanischen Bildquellen.
„Wir stellen die Originale und Inspirationsarbeiten der Kunst der Wiener Secession, Entwürfen von Josef Hoffmann und Koloman Moser gegenüber“, sagt Benesch. „Wir zeigen die frühen Holzschnitte der Blaue-ReiterKünstler – und in einem eigenenKapitelgeht’sumGeister, Helden und Fabelwesen.“
Die Sehnsucht nach dem Fremden, nach dem Exotischen illustriert zu Beginn der Schau „Die japanische Pariserin“(1872) von Alfred Stevens. In Wien malte Hans Makart „Die Japanerin“(um 1870/’75) – eine barbusige Wienerin im Geisha-Stil mit Haarnadeln, Japan-Tracht und Fächer. Und in Frankreich, zur selben Zeit, Claude Monet seine Frau Camille im japanischen Kleid.
Gustav Klimts Gemälde von Adele Bloch-Bauer I („Goldene Adele“) aus dem Jahr 1907 erinnert an Holzschnitte mit Darstellungen schöner Frauen, allerdings vermischt mit Elementen ägyptischerKunstundwestlicher Heiligen- und Herrscherbildnisse.
Aufgrund von Reiseberichten aus dem für Europäer exotisch anmutenden fernenLandhatteeineJapanManie – der Kritiker Philippe Burty nannte das Phänomen 1872 „Japonismus“, ein bis heute gültiger Begriff – die Kultur Mitteleuropas erfasst, zusätzlich befeuert durch die Weltausstellungen in London, Paris und Wien. Seit sich das ostasiatische Inselreich nach jahrhundertelanger selbst gewählter Isolation 1854 dem Westen geöffnet hatte, überschwemmten Alltags- und Kunstgegenstände aus Japan – Keramik, KimonosundKunst– Europa.
Farbholzschnitte, „Bilder der vergänglichen Welt“(Ukiyo-e) – in Europa groß in Mode, aber im Herkunftsland lange gering geschätzt und sogar verachtet – kamen in den Westen, zuerst als Verpackungsmaterial für Tee und andere Waren, dann als Sammelobjekte, nachdem französische Sammler undKunstkritikernachJapan gereist waren.
Neue Ästhetik
Phantasie in das Kunstwerk, wie sie noch nie selbst in den vollendetsten Schöpfungen des Mittelalters oder der Renaissance existierten.“
Franz Marcs „Die weiße Katze“(1912) aus dem Künstlerverein „Der Blaue Reiter“ist ein Beispiel für die moderne Umsetzung der Tierstudien von Hokusai. Ebenfalls eine Referenz an diesen Künstler ist van Goghs„GroßesNachtpfauenauge“(1889) aus Amsterdam.
Schließlich hatten auch die „Nabis“(Propheten) genannten Franzosen Pierre Bonnard, in Wien mit einem japanischen Paravent und „Der Arbeitstisch“vertreten, Edouard Vuillard sowie der Schweizer Félix Vallotton die neuen Stilmittel japanischer Künstler wie Harunobu, Hokusai, Kunisada und Utamaro studiert: Sie regten sie zu ungewohnten Perspektiven, Anschnitten, steilen Aufsichten und zur Kombination von Nah- und Fernsicht an.
Mit der Aufgabe der seit der Renaissance gepflegten, akademisch zementierten Zentralperspektive kamen sie zu bis dahin ungeahnten gestalterischen Freiräumen.
Selbst nach Asien gereist sind nur wenige Künstler wie der Österreicher Emil Orlik, dessen Holzschnitte eine Art Bilder-Tagebuch des japanischen Alltags sind.
„Reflexionen“
Zum Blick zurück kommt im Kunstforum Wien auch die Gegenwart: So haben drei zeitgenössische Künstlerinnen Rauminstallationen zum Thema „Teehaus als Ort der Begegnung“gestaltet.
EvaSchlegels„Reflexion“besteht aus Spiegelflächen und Kettenvorhang, die von Stephanie Pflaum ist eine mit Objekten behängte Hütte. Ein Eyecatcher die SkulpturvonMargotPilz: verarbeitete Erinnerung an die Zeit, die sie als Kind in einem Konzentrationslager der Japaner in Indonesien interniert war.