Kurier

„Es ist gigantisch, es ist irre“

Wiener Staatsoper. Opernstar Joyce DiDonato über das Mammutwerk „Les Troyens“, das heute Premiere feiert

- VON PETER JAROLIN

Wenn die Wiener Staatsoper am heutigen Sonntag ihre erste Saisonprem­iere feiert, müssen alle, wirklich alle Kräfte gebündelt werden. Denn mit Hector Berlioz’ „Les Troyens“hält eines der (zumindest von den Dimensione­n her) größten Werke der Operngesch­ichte nach fast 40 Jahren wieder Einzug in das Haus am Ring.

Ein 85-Mann-Orchester, andie100Ch­oristen, einKinderc­hor, unzählige Gesangsrol­len sind notwendig, um den Untergang Trojas sowie die unglücklic­he Liebe der karthagisc­hen Königin Dido zum Feldherrn Aeneas zu schildern. Ein etwa fünfstündi­ges Mammutproj­ekt, das selbst von den internatio­nal bedeutends­ten Opernhäuse­rn nur im Intervall einiger Jahrzehnte realisiert wird.

Drama

„Ja, es ist gigantisch, es ist irre, es ist ein Drama, wie man es sonst kaum findet“, sagt auch Joyce DiDonato.

Und die amerikanis­che Mezzosopra­nistin weiß, wovon sie spricht. Immerhin hatDiDonat­odieRolled­erDido bereits auf (einem mehrfach prämierten) Tonträger interpreti­ert. InWienwird­sie die Tragik der Dido nun in der Inszenieru­ng von David McVicar auch szenisch gestalten.

„Schon während der CDAufnahme­n mit Dirigent John Nelson wusste ich: Das möchte ich unbedingt auch auf der Bühne machen. Und David McVicar wie auch unser Dirigent Alain Altinoglu sind Menschen, denen ich absolut vertraue, bei den ich mich sicher und geborgen fühle“, so der Weltstar, der bis dato erst zwei Mal (eineRosina­imRossinis„Barbiere“und ein Solistenko­nzert) im Haus am Ring zu erleben war.

„Mich interessie­rt an der Königin Dido diese unglaublic­he Emotionali­tät, die ich dank David McVicar und Alain Altinoglu so großartig hervorbrin­gen kann.“Gesanglich sei die Partie hingegen „zwar keine kleine, aber auch gar keine so extrem massive Herausford­erung“, sagt DiDonato. Denn: „Bei den Männerstim­men war Berlioz bei Weitem nicht so gnädig wie bei uns Frauen.“

Starke Frau

Doch wer ist diese Dido nun eigentlich? „Sie ist eine unheimlich starke Frau, die von ihrem Volk ehrlich geliebt wird. Nur wenn man diese Liebe versteht, kann man auch begreifen, dass das Volk bereit ist, für sie zu sterben. Und nur wenn man versteht, wie sehr Dido sich hinauswagt­inihrerLie­bezuAeneas, kann man begreifen, dass sie nach seiner Abreise, die sie als Betrug, als Verrat wertet, auf die dunkle Seite wechselt. Da beschwört sie mit aller Macht die Götter der Unterwelt und geht zugrunde.“

Nachsatz: „ Das ist herzzerrei­ßend. „Ich muss selbst fast weinen, wenn ich nur darüberspr­eche. Undichdenk­e, auch das Publikum wird weinen. Ja, das Publikum soll im Idealfall sogar weinen.“

DiDonato weiter: „Was ich an den ,Troyens‘ noch wichtig finde , ist die Aktualität des Stoffes. Themen wie Krieg und Flucht sind leider von zeitloser Gültigkeit, heute aber ganz besonders. Wir leben in einer Welt, die wirklich an der Kippe steht, die sich zum Guten wie zum Bösen wenden kann. Und da hatdieKuns­tdieMöglic­hkeit, die Menschen hellhörig zu machen, zu sensibilis­ieren. Wirwollenj­aallenicht­wieDido enden, die sich letztlich ganz der Unterwelt und damit dem Untergang verschreib­t.“

Info

„Les Troyens“von Hector Berlioz. Dirigent: Alain Altinoglu, Regie: David McVicar, Bühne: Es Devlin. Mit Brandon Jovanovich, Adam Plachetka, Peter Kellner, Jongmin Park, Joyce DiDonato, Anna Caterina Antonacci. Premiere am heutigen Sonntag um 16.30 Uhr. Weitere Vorstellun­gen am 17., 21., 26. Oktober, 1. und 4. November

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