„Ein Macher, er hat unsere Gene“
Wiesbauer. Warum für die Zukunft bereits vorgesorgt ist – und was die Praterstelze mit den Seychellen zu tun hat
KURIER: Sie hatten sich in jüngeren Jahren einmal krank und überarbeitet gefühlt. Eine Ärztin befand, Sie seien unausgelastet. Karl Schmiedbauer: Stimmt, das war eine Psychologin im AKH. Ich war 28 oder 29 Jahre, hatte leichte Herzbeschwerden. „Psychosomatisch“war ihr Befund, ich bräuchte mehr Belastung. Mir sind die Augen rausgefallen.
Heute würde man vermutlich wegen Burn-out krankgeschrieben. Hat der Rat gestimmt? Karl: Ja, das war so. Ich habe dann eine Annonce von Frau Wiesbauer im KURIER gelesen: „Suche Kaufmann mit Fleischerkenntnissen“. Da habe ich zwar weniger verdient, aber die Chance auf einen Aufstieg gesehen.
Wie äußert sich das, wenn Ihr Vater unausgelastet ist? Thomas: Also, in meiner Ära könnte ich mich nicht erinnern, dass er jemals unausgelastet gewesen wäre.
Karl: Mein Glück ist, ich kann total abschalten. Die Wochenenden waren mir heilig.
War immer klar, dass Ihr Sohn den Betrieb weiterführen soll? Karl: Ich bin damals von Frau Wiesbauer eingesetzt worden, ihr Erbe zu verwalten, weil aus ihrer Familie kein Nachfolger da war. Selbst habe ich dann mit 55 Jahren das „Tomorrow-Team“geschaffen. Für jede Position, die ein bisserl was zu sagen hatte, sollte die jüngere Generation aufgebaut werden. Thomas: Das sind jetzt meine leitenden Mitarbeiter, alle ungefähr in meinem Alter. Karl: Als er ein junger Bursch war, hatte ich noch Bedenken, ihn in die HTL nach Hollabrunn zu schicken. Ich fand ihn zu unreif und hatte die Sorge, er entgleitet mir.
Sehen Sie das auch so oder war das nur die väterliche Meinung? Thomas: Das Unreife würde ich vielleicht unterstreichen. Das Internat hätte mir auch nicht sehr gefallen. Ich habe dafür erkannt, welche Reize das unterschwellige Angebot meines Vaters hätte, wenn ich den Weg im Betrieb gehe. Warum unterschwellig? Karl: Mein eigener Vater war sehr autoritär. Ich bin es ja auch irgendwie. Aber zeigen darf man es nicht so (lacht). Thomas: Gezwungen wurde ich nie, aber es war diplomatisch geschickt eingefädelt. Karl: Zu meiner Zeit hatten wenige Fleischer wie ich eine kaufmännische Ausbildung. Das war mir für Thomas wichtig: Die Handelsschule als Basis und dann die Fleischerlehre. Dasselbe Modell verfolgt mein Enkerl Benjamin, der Sohn meiner Tochter. Er hat die HAK abgeschlossen, kann Russisch – unser künftiger Hoffnungsmarkt – und ist seit September als Fleischer-Lehrling da. Ein Macher, er hat unsere Gene.
Hatten Sie nie Zweifel, ob das für Sie das Richtige ist? Thomas: Ich bin überzeugt, dass das der richtige Weg ist. Durch das fachliche Wissen ist man anderen um Meilen voraus. Und ich hatte im Unterschied zu Freunden, die studiert haben, immer Geld. Das war schon cool.
Was war Ihre erste große Verantwortung bei Wiesbauer? Thomas: Ich war fast drei Jahre in Ungarn und habe den Zubau koordiniert. Dort wollte ich die Vier-Tage-Woche einführen. Nur hatte ich nicht mit meinem Vater gerechnet, der gesagt hat: „Gut, dann bist du am Freitag in Wien.“Karl: Da hat er geglaubt, dass er da ’privatisieren’ kann. Danach hat Thomas in Wien zwei Jahre alle Abteilungen durchlaufen, später war er fünf Jahre in Deutschland.
Ist Ihre Stärke, dass Sie besser delegieren können als ihr Vater? Thomas: Ich könnte patriarchisch führen, das wäre aber sicher nicht so erfolgreich.
Wie sind die Aufgaben bei Ihnen heute verteilt?
Karl: Ich musste alles im Überblick haben, aber ein Einzelner kann das bei der heutigen Größe kaum schaffen. Mir hat die Idee einer Holding gefallen. Aber für so ein kleines Unternehmen? Kurzum: Wir haben das 2010 gemacht.
Thomas: Ich bin zwar Vorstandsvorsitzender, aber das Geniale ist, dass wir im Vorstand ständig kommunizieren und keiner sein eigenes Süppchen kocht.
Karl: Anfangs war ich als Eigentümer skeptisch, Betriebsräte in den Aufsichtsrat zu nehmen, aber das funktioniert tadellos. Wir haben auch nichts zu verbergen. Fünf Prozent Umsatzrendite gibt es eh nicht; wir kämpfen in der Branche mit einem Prozent, einem halben oder sogar null. Das ist brutal. Thomas: Ich sehe es sogar als Vorteil, wenn der Betriebsrat weiß, wie’s ausschaut. Um Gewinn muss man kämpfen? Karl: Das ist eine Gratwanderung. Der Handel lässt uns genau die Luft zum Leben. Er könnte uns umbringen, wenn er uns die Preise nicht zahlt. Thomas: Die Händler haben eigene Wurstproduktionen, die ständig ausgebaut werden. Wir haben eine Breite, die uns stark macht und müssen nicht Umsatz um jeden Preis machen. Produkte um 99 Cent in Aktion zu verklopfen, das macht keinen Sinn.
Wie hat sich das Geschäft im Lauf der Zeit gewandelt? Karl: Früher haben wir höchstens Rindsschnitzel gerollt, heute kaufen wir zerlegtes Fleisch zu und beschäftigen sogar Haubenköche im Gastronomiebetrieb in Reidling. Thomas: Unsere Sous-videGansln werden in von uns entwickelten Anlagen gegart. Karl: Drauf sind wir stolz. Acht Kubikmeter siedendes Wasser, mit Pumpen umgewälzt. Wenn da die Tür aufgeht, sind Sie tot, Sie dersaufen! Es muss alles ein wenig Pfiff haben. Die „Wiener Praterstelze“(als Jausen-Aufschnitt) habe ich auf den Seychellen entwickelt.
Wie kam das zustande? Karl: Jeden Abend hat es Fisch gegeben. Ich hatte aber Gusto auf eine Stelze. Worauf meine Frau gemeint hat, dass das viel Arbeit ist. Darauf hin habe ich in Wien angerufen: „Löst eine Stelze aus, in eine Form rein, Schwartl drüber, kochen und braten.“Geht net? Na, werdet’s schon sehen, ich zeig’s euch. Das haben wir verfeinert, als Patent angemeldet und dafür sogar den Deutschen Innovationspreis erhalten. Es ist ein Topprodukt geworden.