Per Wikingerschiff ins Jenseits
Virtuelle Archäologie. Wie heimische Forscher mittels Bodenradar auf ein Boot stießen und wie es dort hinkam
VON S. MAUTHNER-WEBER Gut erhaltene Wikingerschiffe sind selten – nur drei sind in Norwegen bekannt. „Alle vor mehr als 100 Jahren ausgegraben“, sagt Wikinger-Experte Knut Paasche vom norwegischen Institut für Kulturgüterforschung (NIKU). Jetzt ist die Forschung um ein weiteres reicher: Mit einem hochauflösenden Bodenradar hat ein österreichisch-norwegisches Archäologen-Team Nummer 4 entdeckt – und eine große Anzahl von Grabhügeln sowie Langhäusern dazu.
Seit acht Jahren durchleuchtet Wolfgang Neubauer, der Direktor des Ludwig- Boltzmann-Instituts Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie, mit seinen norwegischen Partnern auf der Suche nach Siedlungen der Wikinger systematisch Grabhügel samt umliegenden Gebieten. „Es war klar, dass wir irgendwann ein Schiff finden werden. Jetzt ist es passiert“, erzählt er in Interview mit dem KURIER.
Apropos: Das mindestens 20 Meter lange Schiff liegt nur 50 cm unter der Erde von Viksletta (siehe Grafik
rechts). Dazu muss man wissen: In diesem Gebiet am Oslo-Fjord gibt es viele bedeutende Wikinger-Fundstellen – Gokstad und Oseberg etwa. Borre ist ebenfalls bereits seit 1852 als wichtiger Fundort bekannt. Dort wurde in einem der Grabhügel ein 21 Meter langes Wikingerschiff entdeckt.
Neubauer forscht mit seinem Team seit 2007 in Borre und hat dort 2013 einen einzigartigen Häuptlingssitz der Wikinger entdeckt. „Der aktuelle Fundort liegt vis-àvis. Dort sind die großen Grabhügel nicht mehr erhalten, aber wir vermuteten, dass sie da waren.“Da war der Schritt zum Durchleuchten nur noch ein kleiner. Und tatsächlich haben die Wissenschaftler dann eindeutig schiffförmige Strukturen in der Erde entdeckt. Die Daten deuten auch darauf hin, dass der untere Teil des Schiffes bis heute gut konserviert ist.
Bestattungsritus
Wie das Wikingerschiff dorthin kam? Es wurde ursprünglich in einem Grabhügel bestattet. „Wir sind in der späten Eiszeit, und es handelt sich um jene Leute, die später als Wikinger bekannt werden sollten. Damals gab es den Ritus, dass hochgestellte Persönlichkeiten mit ihren ausgesprochen wertvollen Gütern, sogar Schiffen, bestattet wurden“, erklärt der Archäologe.
Die Messgeräte haben die österreichischen Forscher einst für Carnuntum entwickelt. „Jetzt werden sie eben in Norwegen eingesetzt. Denn nach fünf Jahren Forschung hier haben die Norweger unsere Methoden für so wichtig befunden, dass sie eine eigene Abteilung für Virtuelle Archäologie gegründet haben“, sagt Neubauer. „Zwei meiner Mitarbeiter sind mittlerweile in Norwegen angestellt.“Und weiter: „Die Grabhügel sind ja bereits zerstört, das Ganze ist nicht mehr sehr tief. Das bedeutet, dass das langfristig so nicht zu erhalten ist. Es wird ausgegraben werden müssen. Aber zuerst brauchen wir die nicht invasiven Methoden, um gezielt graben zu können.“
Neben den monumentalen Grabhügeln hat das Bodenradar noch die Überreste von insgesamt elf ehemaligen Grabhügeln – in einem befindet sich ein kleines Boot –, und von fünf Langhäusern zum Vorschein gebracht, einige von ihnen von beachtlicher Größe und vergleichbar mit der Fundstelle Borre auf der gegenüberliegenden Seite des Oslo-Fjords. „Dieser Schiffsfund liegt nicht isoliert, sondern war Teil eines Gräberfeldes, welches Macht und Einfluss weithin sichtbar repräsentierte“, resümiert der Projektleiter und Archäologe Lars Gustavsen.
Wikinger-Experte Knut Paasche abschließend: „Dieser Befund ist ausgesprochen aufregend, da wir bisher nur drei gut erhaltene Wikingerschiffe in Norwegen kennen. Dieses Schiff ist von großer historischer Bedeutung, da wir es mit den modernsten Mitteln der Archäologie untersuchen können.“Und die Österreicher sind dabei.
Viksletta
So stellen sich die Forscher ein Bootsbegräbnis vor (li.): Wikingerhäuptlinge wurden mit ihrem Schiff beerdigt. Und mit Hunden, Pferden – kurz ihrem gesamten Hab und Gut. Dieses könnte noch erhalten sein, zeigt das Bodenradar (unten)