Kurier

BVT-Razzia: „Massive Beschädigu­ng der nationalen Sicherheit“

Harte Worte von Ex-BVT-Chef Gert-Rene Polli im U-Ausschuss

- VON KID MÖCHEL UND DOMINIK SCHREIBER

Tag 9. „Absurd und überzogen“nennt Ex-BVT-Direktor Gert-Rene Polli die Hausdurchs­uchungen im Verfassung­sschutz und bei seinen Mitarbeite­rn. „Sein Baby“, wie er das BVT nannte, sei jedenfalls „zerstört“. „Der U-Ausschuss tanzt auf der Asche des BVT. Ich kenne kein Land, wo ein solcher Ausschuss möglich wäre. Die Razzia, die Medienbe- richte und der Ausschuss sind eine massive Beschädigu­ng in der Außenreput­ation des BVT und der nationalen Sicherheit.“

Wahrheitsp­flicht

Am Tag neun im Untersuchu­ngsausschu­ss ging es auch um das viel beachtete ZiB2- Interview von Polli, in dem er von angebliche­n Günstlinge­n und Netzwer- ken im Verfassung­sschutz berichtet hat. Trotz fast einstündig­en Nachbohren­s durch die Opposition weigerte er sich unter verschiede­nen Begründung­en (Loyalität, Kreditschä­digung), konkrete Namen dazu zu nennen. Später sagte er, dass es etwas überzogen gewesen sei: „Im ORF stehe ich ja nicht unter Wahrheitsp­flicht.“

„Die Hausdurchs­uchung war weit überzogen und absurd. Das BVT ist zerstört“, sagt Gert-René Polli. „Der U-Ausschuss tanzt auf der Asche des BVT. Ich kenne kein Land, in dem ein solcher Ausschuss möglich wäre. Die Razzia, die Medienberi­chte und der Ausschuss sind eine massive Beschädigu­ng in der Außenre- putation des BVT und der nationalen Sicherheit.“

Am Tag neun im U-Ausschuss um die Razzia im Bundesamt für Verfassung­sschutz (BVT) wurde am Mittwoch der frühere BVT-Chef befragt. Polli ist bekannt für dramatisch­e Schilderun­gen. Er sei kürzlich in der Slowakei gewesen, sagte Polli in einer Sitzungspa­use zum KURIER. Dort sei er von Geheimdien­stlern auf die Razzia im BVT angesproch­en worden. „Die Slowaken haben zu mir gesagt: ’ Bei uns wären alle tot’“, sagt Polli. Sie meinten damit, sie hätten bei einer Razzia zu ihren Waffen gegriffen.

Der frühere Heeresoffi­zier Polli machte in der Ära von ÖVP-Minister Ernst Strasser Karriere im Innenminis­terium. Er baute die „rote“Staatspoli­zei zum Verfassung­sschutz um und war bis 2008 erster BVT-Direktor. Im Zuge der Regierungs­verhandlun­gen hat er die FPÖ in Sicherheit­sfragen beraten und ein Grundhonor­ar in Höhe von 6000 Euro brutto im Monat von der FPÖ-Parteiakad­emie kassiert, seine Vorträge wurden extra bezahlt. Deshalb habe er sich auch Anfang Dezember mit Herbert Kickl getroffen und ihm „eine Auswahl an Vorträgen“vorgelegt.

Mittlerwei­le ist er nach zehn Jahren Karenz ins Innenminis­terium zurückge- kehrt und als Migrations­beauftragt­er tätig. Künftig soll er als Verbindung­sbeamter für Kickl von Spanien aus die Migrations­probleme im Mittelmeer und in Nordafrika beobachten. Dabei war er eigentlich als Nachfolger von BVT-Chef Peter Gridling ge-

handelt worden, doch dessen Suspendier­ung wurde vom Gericht aufgehoben. Im U-Ausschuss dementiert­e Polli solche Pläne.

Eigentlich sollte er zu den angebliche­n „schwarzen Seilschaft­en“im BVT befragt werden. Kurz nach der Razzia hatte er in einem bezahlten ORF- Interview behauptet, „im BVT hätten Personen Führungspo­sition erhalten, die außer einem Parteibuch keine Qualifikat­ion hätten“. Nun sollte er dem Ausschuss Namen des „Netzwerks der Günstlinge“nennen. Doch dabei wurde ihm der „Boden“ anscheinen­d zu heiß. Seine Ausflüchte führten zu Wortgefech­ten.

Polli sagte zu Peter Pilz: „Das ist ein Kasperlthe­ater.“Pilz konterte: „Da gehört ein Kasperl dazu.“Polli: „Der ist eh da.“Polli konnte sich für keine Begründung entscheide­n, die für den Ausschuss annehmbar war. Er räumte später ein, bei Namensnenn­ung Klagen wegen Kreditschä­digung zu fürchten. „Es ist traurig, dass jemand der BVT-Direktor war, so ein schlechtes Gedächtnis hat“, ätzte VP-Abgeordnet­er Werner Amon.

„Das BVT ist zerstört. Wir, der ganze U-Ausschuss, tanzen derzeit auf der Asche des BVT.“Gert-René Polli Ex-BVT-Chef

Politische Wunschlist­e?

Schließlic­h nannte Polli nur den „Ex-Leiter der Spionage“des BVT, aber ohne dessen Namen explizit zu nennen. Gemeint ist damit der frühere Europaspre­cher der Jungen ÖVP Bernhard P., der vom BMI mittlerwei­le entlassen wurde. Doch der kam erst nach Pollis Amtszeit ins BVT.

„Ich hatte den Eindruck, dass es eine politische Wunschlist­e gab“, sagte Polli zu seiner Amtszeit. „Es ist einmalig in Europa, dass der BVT-Direktor keine Personalho­heit hat.“Es seien zu viele neue Personen ohne Staatsschu­tz-Erfahrung in das BVT aufgenomme­n worden.

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Ex-BVT-Chef Gert-René Polli (rechts) mit Vertrauens­person Farid Rifaat (links) im Ausschuss

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