Kurier

Österreich­er im Visier der türkischen Justiz

Die Zahl der Festnahmen stieg zuletzt an

- VON WOLFGANG ATZENHOFER UND DANIEL MELCHER

Ermittlung­en. In den vergangene­n Wochen wurden mehrere Österreich­er in der Türkei festgenomm­en. Bei den Betroffene­n handelt es sich meist um Staatsbürg­er mit Migrations­hintergrun­d. Der aktuellste Fall spielte sich diese Woche ab, als eine 18- und eine 20-jährige Frau inhaftiert wurden. Auch ein 50-jähriger Linzer Geschäftsm­ann sitzt derzeit hinter Gittern. Ihm wird vorgeworfe­n, die PKK finanziell unterstütz­t zu haben. Sein Bruder bestreitet die Vorwürfe, nennt sie „völlig absurd“. Außerdem meint der Linzer, dass Neider dahinter stecken würden. Kritik äußert er an der österreich­ischen Bundesregi­erung und dem Außenminis­teriums wegen fehlenden Engagement­s.

„Die Vorwürfe sind völlig absurd. Mein Bruder hat die PKK niemals finanziell unterstütz­t.“Der kurdischst­ämmige Mustafa T. ist über die Verhaftung des Linzer Geschäftsm­annes Halil T. im türkischen Istanbul empört. Mittlerwei­le werden immer mehr Fälle über österreich­ische Staatsbürg­er bekannt, die in der Türkei inhaftiert oder festgehalt­en werden.

Im Fall des 50-jährigen Linzers Halil T., der mehrere erfolgreic­he Unternehme­n in Österreich, der Türkei und der Slowakei betreibt, soll laut türkischen Medien ein Foto einer Veranstalt­ung in Wels eine entscheide­nde Rolle spielen. Darauf sollen der Beschuldig­te und ein Bild des Kurdenführ­ers Abdullah Öcalan zu sehen sein. „Mein Bruder war zu der Veranstalt­ung eingeladen. Er war dort wie angeblich tausend andere Leute auch. Die Person, die da in den türkischen Medien gezeigt wird, ist er aber hundertpro­zentig nicht“, erklärt sein Bruder, der eben- falls in Linz als Geschäftsm­ann aktiv ist. Dass sein Bruder in sozialen Medien offen gegen das Erdoğan-Regime auftrat, könne ihm jetzt Nachteile bescheren.

Mustafa T. ist überzeugt, dass sein Bruder von Neidern über eine Handy-App, die Erdoğan-Kritiker in die Türkei meldet, denunziert wurde. Kritisch äußert er sich zum Engagement der österreich­ischen Bundesregi­erung und des Außenminis­teriums. Letzteres habe zwar den Besuch des Bruders durch einen Mitarbeite­r des Konsulats im Istanbuler Gefängnis angekündig­t, doch das ist T. zu wenig. „Mein Bruder ist seit vielen Jahren österreich­ischer Staatsbürg­er und beschäftig­t viele Menschen. Das Unternehme­n ist in Gefahr, da müsste es doch eine viel heftigere offizielle Reak- tion gegen diese Vorgänge in der Türkei geben“, fordert er.

Laut der ehemaligen grünen Nationalra­tsabgeordn­ete Berîvan Aslan sollen mindestens neun weitere Österreich­er betroffen sein. „Bei neun Fällen haben mich die Angehörige­n kontaktier­t.“Der aktuellste Fall betreffe laut Aslan eine 48-jährige Frau und ihre beiden Töchter. Das österreich­ische Außenamt bestätigte jedoch die Verhaftung der 18- und 20-jährigen Frauen am Montag bei der Ausreise ebenfalls an einem Istanbuler Flughafen.

Weitere Fälle

Mediales Aufsehen erregte die Inhaftieru­ng des österreich­ischen Journalist­en Max Zirngast Anfang September, auch ein Tiroler Arbeiter und eine alleinerzi­ehende Mutter aus Wels sollen festge- nommen worden sein. Der Großteil der Betroffene­n berichtet davon, dass sie auf den beiden Flughäfen IstanbulSa­biha Gökçen und IstanbulAt­atürk angehalten wurden. Meist hatten die Betroffene­n türkischen Migrations­hintergrun­d. Einige Österreich­er wurden nach 24 Stunden wieder freigelass­en, erhielten zum Beispiel ein Einreiseve­rbot. So erging es auch einem älteren Ehepaar aus Wien.

Die genaue Zahl, also wie viele österreich­ische Staatsbürg­er sich in der Türkei in Haft befinden und in den vergangene­n Wochen und Monaten festgenomm­en wurden, will das Außenminis­terium nicht kommunizie­ren. „In der Türkei kommt es immer wieder zu Anhaltunge­n oder Festnahmen. Es gibt eine ständige Fluktuatio­n“, sagt Sprecher Peter Guschelbau­er.

„Die Vorwürfe sind völlig absurd. Mein Bruder hat die PKK niemals finanziell unterstütz­t.“Mustafa T. Bruder eines Verhaftete­n

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Die türkische Polizei nahm bereits mehrere Österreich­er auf den Flughäfen in Istanbul fest (Symbolbild). Das Außenminis­terium will keine genauen Zahlen kommunizie­ren
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