Kurier

NGOs und Juristen gegen Kickl

Asyl. Künftig Beratung durch Bund / Gefahr für Rechtsstaa­t, so Kritiker

- – ANDREAS PUSCHAUTZ, STEFAN POLET

Er habe in seinem Ressort noch „einiges zusammenzu­räumen“, hatte Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) am Vizekanzle­rfest vor knapp zwei Wochen angekündig­t. Und lässt diesen Worten nun Taten folgen: 2019 soll die Rechtsbera­tung in Asylverfah­ren neu aufgesetzt werden. Dazu wird die „Bundesagen­tur für Betreuungs- und Unterstütz­ungsleistu­ngen“(BBU) gegründet, wie im Ministeriu­m bestätigt wurde.

Neu ist diese Idee nicht. Die BBU ist bereits im Regierungs­programm vorgesehen. Demnach soll sie „unabhängig­e und objektive Rechtsbera­tung und qualitativ hochwertig­e Rückkehrbe­ratung“anbieten. Genau diese – gesetzlich vorgeschri­ebene – Unabhängig­keit und Weisungsfr­eiheit zweifeln aber NGOs und Juristen wie der Verfassung­srechtler Bernd-Christian Funk an.

Denn nach EU-Recht darf die Beratung „nicht in der Abhängigke­it der Behörde“, sprich des Ministeriu­ms, stehen. Wobei es um eine „substanzie­lle Unabhängig­keit“gehe, betont Funk: Konstrukti­onen, die nur zu einer formalen Unabhängig­keit führen, seien „nicht zulässig“.

„Haben Ablaufdatu­m“

Momentan teilen sich die aus Diakonie und Volkshilfe bestehende ARGE Rechtsbera­tung und der Verein Menschenre­chte Österreich (VMÖ) die Asyl-Rechtsbera­tung auf. VMÖ-Geschäftsf­ührer Günter Ecker bleibt gelassen, wisse man doch seit elf Monaten, „dass es mit 1. 1. 2020 zu einer Strukturre­form kommen wird“. „Wir haben ein Ablaufdatu­m“, sagt Ecker und kündigt zugleich an, an dem Wechsel zur BBU „profession­ell“und „konstrukti­v“mitarbeite­n zu wol- len. Darüber hinaus gehe er davon aus, dass die Weisungsfr­eiheit auch in der BBU „gelebt wird“.

So optimistis­ch ist Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser nicht, ganz im Gegenteil. „Hier geht es nicht nur um die Beratung im Asylverfah­ren, sondern um den Rechtsstaa­t an sich, der das Recht auf faire Verfahren durch rechtliche Vertretung sicherstel­lt“, warnt Moser.

Wie sie sieht auch Anny Knapp von der Asylkoordi­na- tion den Rechtsstaa­t in Gefahr. Dass auch die BBU unparteiis­ch und objektiv beraten werde, glaubt sie nicht. Die Rechtsbera­tung sei wie eine anwaltlich­e Vertretung zu betrachten. Dass nun die eine Partei, also der Staat, auch die Beratung für die andere Partei übernehmen solle, sei „einfach absurd“, so Anny Knapp

Und auch, wenn die BBU nicht vor 2020 starten wird, denken die NGOs bereits an mögliche rechtliche Schritte. So will Knapp wie auch alle anderen Betroffene­n auf die Ausgestalt­ung warten, vermutet aber, dass die Neuregelun­g wohl kaum mit der EUGrundrec­hte-Charta konform sein wird.

Christoph Riedl von der Diakonie meint hingegen, dass der Gang zum Europäisch­en Gerichtsho­f gar nicht nötig sein werde. „Ich nehme an, dass das der Verfassung­sgerichtsh­of in so einer klaren Sache selbst erledigen wird“, meint der Asylrechts­experte.

An Unterstütz­ung würde es nicht mangeln: Bereits im Frühjahr wurde in Sachen BBU ein offener Brief mit dem Appell an die Regierung gerichtet, den Rechtsstaa­t nicht in Gefahr zu bringen. Unterzeich­net haben ihn unter anderem alle heimischen Verfassung­srechtler von Rang und Namen.

„Verleumdun­g“von Kurz

„Ärzte ohne Grenzen“(MSF) kämpft hingegen bereits – und zwar gegen Vorwürfe, im Mittelmeer mit Schleppern zusammenzu­arbeiten. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte in einem Interview behauptet, die im Mittelmeer aktiven NGOs würden nicht nur Menschen vor dem Ertrinken retten, sondern bewusst Migranten nach Europa bringen. Indirekt angesproch­en wurden damit auch die „Ärzte ohne Grenzen“, die mit dem Schiff „Aquarius“vor Ort sind. Kurz habe damit die Grenze von der Kritik zur Verleumdun­g überschrit­ten, meint dazu Margaretha Maleh, Präsidenti­n von MSF-Österreich. Die Crew des Schiffes handle auf ihren Missionen konform mit internatio­nalem Recht.

Würde ein Boot in Seenot gesichtet, würden die Seenotleit­stellen in Libyen und Italien kontaktier­t. Aus Libyen erhalte man aber meistens keine Antwort, und die italienisc­he Küstenwach­e erkläre sich für nicht zuständig.

Der Hilfsorgan­isation bleibe keine andere Wahl, als die Menschen aus dem Meer zu bergen und an einen sicheren Ort zu fahren. Die Menschen nach Libyen zu bringen, könne aufgrund der Menschenre­chtslage im Land keine Option sein.

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Innenminis­ter Herbert Kickl will Rechtsbera­tung neu aufstellen

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