Kurier

MotoGP: Das gnadenlose Kind

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Im Honda-Land könnte Marc Márquez den Sack zumachen. Vier Rennen stehen noch auf dem Programm, doch schon am Sonntag beim Grand Prix im japanische­n Montegi (7 Uhr MESZ/live ServusTV, Eurosport) könnte sich der 25-jährige Spanier seinen fünften WM-Titel in der Königsklas­se MotoGP holen, den siebenten insgesamt.

77 Punkte Vorsprung hat Márquez auf den italienisc­hen Ducati-Fahrer Andrea Dovizioso; 99 Punkte Rückstand und damit nur noch eine rechnerisc­he MiniChance kommt Valentino Rossi (Yamaha) zu. Kommt Márquez in die Punkteräng­e und vor Dovizioso ins Ziel, ist er am Sonntag Weltmeiste­r.

Was gefällt Noch vor ein paar Jahren war es allgemeing­ültiges Wissen: Valentino Rossi ist der beste Motorradfa­hrer der Gegenwart, der beste der Vergangenh­eit und wahrschein­lich der beste, den es je geben wird. Neun WM-Titel hat der Italiener gewonnen, er hat (noch immer) die meisten Fans, sein Poster hing vor 15 Jahren im Zimmer eines Buben aus der Stadt Cervera in Katalonien.

Heute ist der kleine Bub 25 Jahre alt und immerhin 1,68 Meter groß, doch die spanische Presse nennt ihn noch immer „El Niño“, das Kind. Englische Journalist­en verpassten ihm den Namen „Smiling Assassin“(„Lächelnder Attentäter“), andere nennen ihn „The Merciless“, den Gnadenlose­n.

Längst hat Márquez sein Idol Rossi auf der Strecke überholt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er den Italiener auch in den Statistike­n überflügel­t. Müsste man den Terminus „Jahrhunder­ttalent“illustrier­en, könnte man ein Foto von Márquez herzeigen. Sein kompromiss­loser Stil, seine Fahrzeugbe­herrschung hob den Motorradsp­ort auf eine höhere Stufe.

Márquez ist ein Grund, die MotoGP zu verfolgen, doch nicht der einzige. Denn im Gegensatz zur Formel 1 (rechts) bleiben die Rennen spektakulä­r; wer gewinnt, entscheide­t sich oft erst in der letzten Kurve. Vor allem Andrea Dovizioso und Jorge Lorenzo leisten Márquez mit ihren motorisch überlegene­n Ducatis oft Widerstand. In einer Runde gibt es oft mehr Überholman­över als in einem ganzen Formel-1-Rennen. Funk? Gibt es nicht. Teamorder? Fehlanzeig­e. Entscheidu­ngen? Treffen die Fahrer selbst.

Was missfällt Márquez’ Stärken sind zugleich auch ein Problem für die gesamte Rennserie. Hochtalent­iert war der Spanier immer schon, nun ist er auch noch abgebrüht. Er macht kaum noch Fehler, und statt einen Ausfall zu riskieren, gibt er sich im Notfall auch mit Rang zwei zufrieden. So stand er in 14 Saisonrenn­en zwölf Mal auf dem Podium und machte den Kampf um die Weltmeiste­rschaft zur einseitige­n One-Man-Show.

Dabei gäbe es doch so viele andere potenziell­e Hauptdarst­eller auf der MotoGPBühn­e. Den extroverti­erten Lorenzo etwa, den draufgänge­rischen Dovizioso, den divenhafte­n Johann Zarco und natürlich Altmeister Valentino Rossi. Dem mittlerwei­le 39-Jährigen wäre sein zehnter WM-Titel ebenso zu gönnen wie seinen Millionen Fans in aller Welt. Nur Márquez zählt nicht mehr dazu.

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