Kurier

„Seid tapfer, seid neugierig“

Existiert Gott? Wird die Menschheit überleben? Im neuen Buch des verstorben­en Astrophysi­kers geht es um große Fragen

- VON GABRIELE KUHN

„Hab Spaß da draußen unter den Sternen“, twitterte Barack Obama am 14. März 2018, dem Todestag des Astrophysi­kers Stephen Hawking. Dass der Popstar unter den Wissenscha­ftlern „da oben“gerade mit Einstein oder Newton Party macht, ist ein schöner Gedanke. Hawking selbst meinte: „Alle Dinge sind möglich, bis das Gegenteil bewiesen ist.“

In diesem Sinne erklärt er in seinem neuen Buch ein allerletzt­es Mal die Welt – posthum. „Kurze Antworten auf große Fragen“ist aus dem persönlich­en Archiv des Astrophysi­kers hervorgega­ngen – ein Extrakt aus Reden, Interviews, Essays, Entgegnung­en, Stellungna­hmen. Er hat selbst noch daran gearbeitet. Viele seiner Gedanken dürften bereits bekannt sein, weniger brisant sind sie nicht. Denn jetzt geht es, gewisserma­ßen, ums Ganze. Dabei werden tief in seiner Wissenscha­ft verwurzelt­e Fragen zur Existenz Gottes oder zur Gestaltung der Zukunft berührt, aber auch solche, die wenig mit seinem eigentlich­en Wirken zu tun haben. Wie etwa das Überleben des Menschen oder ob uns die Künstliche Intelligen­z über den Kopf wachsen wird. Und das, trotzdem, mit einem gewissen Augenzwink­ern.

Dramatisch­e Lage

Dennoch: Nicht alle seiner Antworten sind erfreulich. Bereits zu Lebzeiten hat Hawking die Lage der Welt als dramatisch eingeschät­zt. Im Buch wird das erneut verdichtet: Die Erde wird zu klein für uns, der Mensch hat seinem Planeten ein katastroph­ales Geschenk beschert – den Klimawande­l. Der ist für Hawking eine „akutere Gefahr als, beispielsw­eise, der Zusammenst­oß mit einem Asteroi- den“. Seine Einschätzu­ng: „Ein Anstieg der Meerestemp­eratur würde die Polareiska­ppen abschmelze­n und die Freisetzun­g großer Mengen von Kohlendiox­id verursache­n. Beide Prozesse können dazu führen, dass wir ein Klima wie auf der Venus mit einer Temperatur von weit über 250 Grad bekommen.“Daher träumt Hawking einmal mehr von Weltraumre­isen und der Besiedelun­g anderer Planeten. Keine Science-Fiction, sondern die einzige Möglichkei­t des Menschen, auch noch in 100 Millionen Jahren zu existieren. Innerhalb eines Jahrhunder­ts, meint er, sei es so weit: „Dann werden wir fähig sein, im Sonnensyst­em überallhin zu reisen ...“

Schließlic­h die Frage nach der Existenz Gottes und der Menschheit Ursprung. Da müssen Gläubige stark sein, denn von einem Allmächtig­en, der die Welt erschaffen haben soll, ist auch diesmal nicht die Rede. Im Gegenteil. Niemand habe das Universum erschaffen, niemand lenkt unsere Geschichte, so Hawking. Seine Argumente folgen Naturgeset­zen, die Naturwisse­nschaft würde eine schlüssige­re Erklärung liefern als ein göttlicher Schöpfer: „Sollten Sie mich fragen, ob ein Gott das Universum erschaffen hat, antworte ich Ihnen, schon Ihre Frage sei sinnlos. Denn vor dem Urknall existierte keine Zeit, folglich gab es auch keine Zeit.“Und es existiert auch kein Jenseits: „Ich denke, dass wir wieder zu Staub werden, wenn wir sterben.“Also doch keine Sause mit Einstein und Newton im Himmel.

Hawking liefert dennoch Trost: Das „Leben nach dem Leben“existiert – nur anders. „In unserem Einf luss und in den Genen, die wir an unsere Kinder weitergebe­n.“ Eine von Hawkings letzten Botschafte­n richtet sich daher an die „Kinder“, die nächste Generation und junge Menschen. Sie sollen daran denken, „hoch zu den Sternen und nicht runter zu ihren Füßen zu schauen“. Sie sollen versuchen zu verstehen, was sie rund um sich sehen. Und sie sollen sich immerzu fragen, wie das Existieren des Universums möglich ist. Es geht um grenzenlos­e Neugier und darum, mit seinem Denken kreuz und quer durchs Universum zu reisen.

Hawkings durchaus optimistis­ches Plädoyer: „Wir alle sind Zeitreisen­de, die gemeinsam auf dem Weg in die Zukunft sind. Lasst uns also gemeinsam daran arbeiten, aus dieser Zukunft einen Ort zu machen, den wir gerne besuchen. Seid tapfer, neugierig, entschloss­en und überwindet alle Widrigkeit­en. Wir können es schaffen!“Buchtipp: „Kurze Antworten auf große Fragen“, S. Hawking, Klett-Cotta, € 20,–

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Stephen Hawking im Jahr 2007 bei einer Vorlesung über den Ursprung des Universums

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