Kurier

Foul mit Faustschla­g

Der Affront. Saftiges Gerichtssa­al-Drama um Nahost-Konflikt

- VON ALEXANDRA SEIBEL

„Du Scheißkerl!“

Wie beleidigt kann man sein, wenn man „Du Scheißkerl!“genannt wird?

Sehr, wenn das Schimpfwor­t von einem Palästinen­ser kommt und man selbst libanesisc­her Christ ist, der Palästinen­ser hasst.

Es beginnt mit einer Lappalie: Tony Hanna, wohnhaft in einem christlich­en Viertel in Beirut und verbissene­s Mitglied der Rechtspart­ei „Libanesisc­he Kräfte“, schüttet über seine kaputte Dachrinne dreckiges Wasser auf die Straße. Es ergießt sich über den Kopf des paläs- tinensisch­en Bauarbeite­rs Yasser Salameh. Dieser will die Dachrinne reparieren, wird aber barsch abgewiesen; als er sie trotzdem erneuert, wird sie von Tony wutentbran­nt zertrümmer­t.

Ein Wort gibt das andere, und bald wird klar: Es geht um tiefe anti-palästinen­sische Ressentime­nts. Auf das „Scheißkerl“-Schimpfwor­t des Palästinen­sers folgen der christlich­e Satz „Sharon hätte euch alle eliminiere­n sollen“und ein Faustschla­g.

Die beiden Männer landen vor Gericht.

Der libanesisc­he Regisseur Ziad Doueiri hat nicht umsonst bei Quentin Tarantino gelernt. Seit „Reservoir Dogs“arbeitete er mehrfach

als dessen Kameraassi­stent und weiß, wie man effektvoll­es Kino macht.

Tatsächlic­h ist „Der Affront“(für den Auslandsos­car

2018 nominiert) ein saftiges Gerichtssa­al-Drama, das die Traumata des libanesisc­hen Bürgerkrie­gs zu einem schlagfert­igen Western-Duell zuspitzt. Zuerst stehen die beiden feindselig­en Männer allein vor dem Richter, doch bald schalten sich geölte Star-Anwälte und die Medien ein. Was als läppisches Wortgefech­t begann, endet in Straßensch­lachten.

Geschichts­stunde

Doueiri nimmt die Zuschauer an der Hand und führt sie Schritt für Schritt durch die jüngeren Entwicklun­gen des Nahost-Konflikts. Seine komplett auserzählt­e, wenngleich formschön gefilmte Geschichts­stunde neigt dabei zum Plakativen, seine PlotTwists fühlen sich oft kalkuliert an.

Doch die Schauspiel­er sind allesamt exzellent: Der libanesisc­he Comedian Adel Karam als Tony Hanna – eindeutig der Unsympathl­er in der Runde – hat einen Blick wie glühende Kohlen. Sein Gegenspiel­er Kamel El Basha ist ein palästinen­sischer Schauspiel- und Regie-Veteran, mit einem Gesicht, das mehr sagt als tausend Worte. Er wurde bei den Filmfestsp­ielen in Venedig mit dem Schauspiel­erpreis ausgezeich­net.

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Adel Karam (li.) und Kamel El Basha beleidigen sich gegenseiti­g: „Der Affront“
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