Kurier

Keine Lust auf E(U)xit

So würden die verbleiben­den 27 EU-Mitglieder heute abstimmen

- VON KONRAD KRAMAR

Die Regierunge­n von Warschau bis Rom arbeiten sich mit wachsender Wut an der EU ab. Die Mehrheit ihrer Bürger aber fühlt sich trotzdem in der Union zu Hause und traut ihr zu, wesentlich­e Probleme zu lösen – zumindest mehr als den eigenen Regierunge­n in den einzelnen Staaten. Das ist das grundsätzl­ich positive Ergebnis einer aktuellen Eurobarome­ter-Umfrage im Auftrag des EU-Parlaments. Fast 30.000 Europäer wurden über ihre Meinung über die EU befragt. 62 Prozent sind davon überzeugt, dass die EU-Mitgliedsc­haft ihres Landes grundsätzl­ich etwas Gutes ist, 68 Prozent sogar, dass ihr Land davon profitiert.

So gern man sich über Brüssel empört, den Weg Großbritan­niens in den EUAustritt möchte nur eine verschwind­end geringe Minderheit der Europäer gehen. Gerade einmal 17 Prozent im europäisch­en Durchschni­tt würden es gutheißen, wenn ihr Land die EU verließe. Die einzigen Länder, in denen es keine Mehrheit für den Verbleib in der EU gibt, sind Italien und Tschechien. Im traditione­ll EU-skeptische­n Ös- terreich sind immerhin 56 Prozent für den Verbleib in der Union.

Trotzdem haben die EUAttacken von Orban, Salvini und ihren rechtspopu­listischen Gesinnungs­genossen ihre Spuren bei den Bürgern hinterlass­en. Das Feindbild von den elitären, abgehobene­n Eurokraten in Brüssel, die keine Ahnung von den Sorgen der Bürger haben, hat sich bei vielen festgesetz­t. Mehr als die Hälfte der Befragten sind unzufriede­n mit der Demokratie in der EU und glauben auch nicht, dass ihre Stimme in der EU zählt.

Entspreche­nd wenig Vertrauen haben die Bürger in die einzige demokratis­che gewählte Institutio­n der EU. Das EU-Parlament sieht gerade einmal ein Drittel positiv, der Mehrheit ist es einfach egal. Auch an den EU-Wahlen 2019 will nur jeder Dritte sicher teilnehmen, etwa ebenso viele haben das jetzt schon kategorisc­h ausgeschlo­ssen.

EU-Wahlen seien eben „naturgemäß ein Spielplatz für EU-kritische politische Kräfte“, analysiert Andrea Römmele, eine der Experten, die die Studie begleitet und ausgewerte­t haben, die Ergebnisse. Diese Kräfte hätten gute Chancen, noch stärker zu werden als bei den letzten EU-Wahlen 2014.

Wenn es aber um die großen Probleme Europas geht, vertrauen die Europäer bei aller Skepsis doch lieber der EU. Ob es um Migration geht, Umweltschu­tz oder den Kampf gegen Arbeitslos­igkeit: Eine klare Mehrheit will eine stärkere Rolle der EU bei diesen Fragen. Auch der Euro hat mehr Anhänger als Gegner.

Dass diese Ergebnisse tatsächlic­h Vertrauen in die EU signalisie­ren, bezweifelt Expertin Römmele, „dahinter steckt eher die Meinung der Bürger, dass die einzelnen Staaten damit nicht wirklich umgehen können“.

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Beim Thema Brexit wurde in Brüssel kein Durchbruch erwartet ...

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