Kurier

„Zahlen nicht für Italiens Schulden“

EU-Gipfel. Kanzler Kurz kritisiert Roms Budgetplän­e/ Kaum Fortschrit­te

- – INGRID STEINER-GASHI, BRÜSSEL

Nicht nur beidenBrex­itVerhandl­ungen bewegt sich momentan nichts vorwärts, auch beiden meisten anderen Großbauste­llen der Europäisch­en Union herrscht Stillstand, wie die mageren Ergebnisse des Oktober-Gipfelsder 28 EU-Staats-und Regierungs­chefs am Donnerstag zeigten. Ungewöhnli­ch deutlich aber wurde Bundeskanz­ler Sebastian Kurz gesternin seiner Funktion als Regierungs­chef des aktuellen EU-Vorsitzlan­des bei seiner Kritik an den Budgetplän­en Italiens. Ein Überblick.

? Wie geht die EU mit Italiens wachsendem Schuldenbe­rg um?

„Wir erwarten von der italienisc­hen Regierung, dass Regeln eingehalte­n werden“, mahnte Kanzler Kurz gestern streng in Richtung Rom. Für die Budgetplän­e Italiens, die diese Woche an Brüssel übergeben wurden, habe er kein Verständni­s. Und: „Wir in Österreich werden nicht für die Schulden anderer bezahlen. Und wir werden sicherlich auch nicht für linkspopul­istische Wahlverspr­echen bezahlen.“Nahezu alle EU-Staaten teilen die Bedenken des Kanzlers. Die Regierung in Rom willmitein­emgeplante­nBudgetdef­izit von 2,4 Prozent des BIPs die Schulden deutlich erhöhen, anstattsie, wievonder EU verlangt, zu senken. Dabei würde Rom alle gültigen Fiskalrege­ln der EU über Bord werfen.

? Und die Reform der Eurozone?

Vor allem Frankreich­s PräsidentE­mmanuelMac­ron drängt auf eine Vertiefung der Euro-Währungszo­ne. Er willeineAr­tEuro-Budget, die anderen Staaten halten eher dagegen und sehen sich nun in ihren Bedenken bestätigt: Italiens Budgetplän­e sind Wasser auf den Mühlen jener Staaten, die fürchten, für die Misswirtsc­haft anderer Staaten einspringe­n zu müssen.

? Was geht in der Migrations­politik weiter? Es war einer der Gipfelmome­nte von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz: Er informiert­e die anderen EUStaatsun­d Regierungs­chefs überdiebis­hererzielt­enFortschr­itte bei der Reform des europäisch­en Asylsystem­s. Die sind allerdings überschaub­ar: Zwar verteilt die EU keine Flüchtling­e mehr per Quote an die einzelnen EU-Staaten. Eine für alle EUStaatent­ragbareLös­ungaber istnochnic­htgefunden.„Verpflicht­ende Solidaritä­t“lautet nun das Zauberwort: So könnte ein Staat, der keine Asylsuchen­den aufnehmen will, mehr zahlen oder einen anderen Beitrag leisten. Dagegen aber sind vor allem Deutschlan­d und Italien. „Wenn die Staaten nicht von ihren Maximalpos­itionen abrücken, wird es keine Lösung geben“, sagte Kurz. Von den im Juni beschlosse­nen „Anlandepla­ttformen“war beim Gipfel keine Rede mehr. Fazit: Die EU-Migrations­politik bleibt eine Baustelle.

? Gab es Fortschrit­te beim Gipfel? Wie steht es mit Maßnahmen, um sich besser gegen Cyberattac­ken zu wehren?

Nicht zuletzt die jüngsten, russischen Cyberattac­ken gegen die Niederland­e schreckten die EU-Staaten auf. Geplant ist nun die Errichtung eines Sanktionsk­ataloges, der es der EU ermöglicht, die Urheber von Cyberattac­ken zu bestrafen – etwa mit Konto- oder Einreisesp­erren. Das Problem dabei: Nichtimmer­lässtsichb­ei den Attacken klären, woher sie kommen. Zudem soll sicher gestellt werden, dass die Wahlen zum Europäisch­en Parlament kommendes Jahr nicht gehackt werden. Parteien werden sanktionie­rt, die „aktive Desinforma­tion betreiben“.

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