„Wir leben in einer Art Zirkus“
Stardirigent Riccardo Muti über seine Pläne für Wien & Salzburg.
Er ist einer der Lieblingsdirigenten der Wiener Philharmoniker, denenerseit48Jahren ohne Unterbrechungen verbundenist. FünfMalhater bereits das traditionelle Neujahrskonzert dirigiert und auch kommendes Wochenende hält Riccardo Muti eine weitere Tradition hoch. Am Samstag und Sonntag steht der neapolitanische StardirigentimMusikver
ein am Pult der Wiener Hofmusikkapelle, die Muti als „Wiege der Musik“bezeichnet. Auf dem Programm: Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Nicola Porpora, Antonio Salieri und Franz Schubert.
Tradition
„Alle vier Komponisten stehen zueinander in Beziehungen“, sagtRiccardoMuti im KURIER-Interview. Und:„EsistimmeretwasBesonderes, die Wiener Hofmusikkapelle dirigieren zu dürfen. DieTraditiondieses Klangkörpers reicht immerhin bis ans Ende des 15. Jahrhunderts zurück. ZudemistdieHofmusikkapelle ja ein sehr, sehr philharmonisches Orchester“, so der Maestro.
Muti weiter: „Vor allem aber hört man hier einen einzigartigen Klang. Die Wiener Philharmoniker und auch die Hofmusikkapelle sind diesbezüglich singulär. Wir leben heute ja leider in einer Zeit, in der musikalisch vieles austauschbar geworden ist, in der nur noch wenige Orchester ihren ganz spezifischen, einzigartigen Klang bewahrt haben. Diese spezielle Klangsprache versuche ich etwa dem Chicago Symphony Orchestra zu vermitteln.“Seit 2010 ist Muti Chefdirigent in Chicago; zumindest bis 2022 wird er dort auch bleiben. „Chicago
ist neben Wien und Neapel eine Art Heimat für mich geworden, wobei Wien natürlich immer im Zentrum stehen wird. Bei jedemKonzertmitdenPhilharmonikern lerne ich noch etwas. Man kann als Dirigent von jedem Orchester etwas lernen. AberwasmirdieWiener in all den Jahrzehnten beigebracht haben und beibringen, ist unvergleichlich. Als Dirigent und als Musiker ist man ja nur ein Diener der Musik. Die Wiener Philharmoniker leben nach dieser Maxime.“Im Dezember wird MutidiePhilharmonikerwieder dirigieren; 2019 kehrt er an die Staatsoper zurück.
Mit Mozarts „Così fan tutte“in der Inszenierung seiner Tochter Chiara. „Premiere hat diese Produktion am 25. NovemberinNeapel. Muti: „Ich bin sehr glücklich, wie meine Tochter mit Mozart umgeht. Sie versteht den Geist dieser Musik. Aber das ist kein Wunder. Als ich 1981 mit Giorgio Strehler in Mailand ‚Così‘ erarbeitet habe, war sie als Kind den ganzen TagimTheater, sie hat allesmitbekommen.“Lachend: „Sie hatte also keine Chance, sieistmitMozartaufgewachsen, hat ihn im Blut.“
Zukunft
In Neapel, Chicago und eben in Wien wird Muti weiterhin Oper dirigieren. In Salzburg aberdefinitivnichtmehr.„Ich bin sehr dankbar, dass ich bei den Festspielen so viele wundervolle Produktionen machen durfte. Aber ich bin nicht mehr der Jüngste und möchteimSommermehrZeit mit meiner Familie verbringen“, so der jugendliche 77Jährige. Denn: „Oper in Salzburg bedeutet: Mindestens sechs Wochen Anwesenheit. Sonst wäre das nicht seriös. Ichwerdeaberdennochjedes Jahr in Salzburg dirigieren, eben nur Konzerte. 2019 mache ich das Verdi-Requiem anlässlich des 30. Todestages von Herbert von Karajan. Man darf ja nicht vergessen: EswarKarajan, dereinerganzen Generation von Dirigenten in Salzburg oder Berlin eine erste Chance gegeben hat. Claudio Abbado, Zubin Mehta, Carlos Kleiber, Seiji Ozawaundich– wirhabenalle von Karajan profitiert und gelernt. Daran will ich mit Verdi dankbar erinnern.“
Erfahrung
Doch auch Muti gibt seine Erfahrungen weiter. So hält der Ausnahmekünstler etwa in Tokio 2019 eine „Italian Opera Academy“ab. „Ich möchte jungen Dirigentinnen und Dirigenten das vermitteln, was ich von meinem LehrerAntoninoVottomitbekommen habe. Er wiederum war ein Schüler von Arturo Toscanini. Ichdenke, dasswir heutenichtnurinderKlassikweltineinerArtvonZirkusleben. Es geht nur mehr im Äußerlichkeiten und Showeffekte. MancheLeuteglauben, wenn ein Dirigent nur ganz heftig gestikuliert, ist das bereits großartig. Nein! Beim Dirigierenkommtesnichtauf dieAnzahloderdieGrößeder Gesten an. Es geht nur um die richtigen Gesten. Oder, um es mit Richard Strauss zu sagen: IndemWiedaliegtder ganze Unterschied.“