Egon Schieles Frau hatte keine Füße
Belvedere. Die Österreichische Galerie würdigt den vor 100 Jahren gestorbenen Künstler mit einer Nabelschau
Auch das Belvedere thematisiertdenTodvonEgonSchiele 1918 – und rühmt sich selbst: Es präsentiere „einen der innovativsten Beiträge zum diesjährigen Gedenkjahr“. Und zwar in Form einerNabelschaumitdemTitel „Egon Schiele. Wege einer Sammlung“(bis 17. 2.): In der Orangerie des Unteren Belvedere stehen der SchieleBestand und die Genese (samt aller Erwerbungen und Verluste) im Zentrum.
Die Österreichische Galeriebesitztgegenwärtig15Ölgemälde und zwei Zeichnungen, dazu noch je eine Dauerleihgabe auf Leinwand bzw. Papier. Doch der Bestand könntegrößersein– undweit mehr Hauptwerke umfassen. Hätte man zum Beispiel keine Tauschgeschäfte mit Rudolf Leopold gemacht. Oder besser aufgepasst.
Vielleicht gestohlen?
DieGeschichtebeginnt1912: Der Modeschöpfer Paul Poiret schenkte der Galerie eine Mappe mit Kunstwerken, darunter auch 14 Aquarelle von Schiele. Dieses Konvolut hätte später, als die Staatssammlungen neu aufgeteilt wurden, an die Albertina übergeben werden sollen. Doch dort kamen sie nie an. Möglicherweise, weil sie gestohlen worden waren. Erst der Rechnungshof fragte in den1990er-Jahrennach, was mit den Blättern, deren Verlust nie gemeldet worden war, passiert sei. Über das jahre- wennnichtjahrzehnte- lange Vertuschen erzählt die Jubiläumsausstellungnichts.
Kuratorin Kerstin Jesse hat zwar liebevoll viel Material zusammengetragen, sie ergänzt die Werke um Skizzen und Studien sowie um thematisch verwandte Bilder von Schieles ZeitgenossenundpräsentierteineFülle an Archivalien. An Selbstkritik aber mangelt es mitunter. Und etliche brennende Fragen hat man nicht gestellt.
Auf Wunsch übermalt
DieerstenErwerbungenwurden 1917/’18 von Direktor Franz Martin Haberditzl getätigt. Von besonderer Bedeutung ist das Porträt „Die Frau des Künstlers, Edith Schiele“. Denn wohl auf WunschdesChefs, soistinder Ausstellung zu lesen, „übermalte der Künstler den ehemals bunt karierten Rock“. Das Muster hätte einen stark kunstgewerblichen Charakter aufgewiesen, was man als unpassend für ein Museum empfunden habe.
Auf Basis alter Fotos und maltechnischer Untersuchungen erstellte das Belvedere eine Rekonstruktion in Originalgröße. Wer sich auf „Fehlersuche“begibt, wird feststellen, dass sich auch der Kragen und die Farbe des Pullovers geändert haben. Zudem hatte Edith zunächst noch keine Füße.
Man zeigt auch die Bilder, die nun im Leopold Museum hängen, darunter, schlecht ausgeleuchtet, das „Bildnis Wally“. Leopold erhieltdie„Wally“imTauschfür den „Reinerbub“. Warum es in den 50er-Jahren überhaupt zu Tauschgeschäften kommen konnte, wird nicht analysiert. Leopold hatte den Tausch der Gemälde „Kardinal und Nonne“sowie „DieHockenden“vorgeschlagen, weil sie wegen des Darstellungsthemas von der Exposition zurückgezogen waren. Dies bestätigte auch Direktor Karl Garzarolli. Schade, dass der Deal zustande kam. Fürs Belvedere.