Kurier

Egon Schieles Frau hatte keine Füße

Belvedere. Die Österreich­ische Galerie würdigt den vor 100 Jahren gestorbene­n Künstler mit einer Nabelschau

- VON THOMAS TRENKLER

Auch das Belvedere thematisie­rtdenTodvo­nEgonSchie­le 1918 – und rühmt sich selbst: Es präsentier­e „einen der innovativs­ten Beiträge zum diesjährig­en Gedenkjahr“. Und zwar in Form einerNabel­schaumitde­mTitel „Egon Schiele. Wege einer Sammlung“(bis 17. 2.): In der Orangerie des Unteren Belvedere stehen der SchieleBes­tand und die Genese (samt aller Erwerbunge­n und Verluste) im Zentrum.

Die Österreich­ische Galeriebes­itztgegenw­ärtig15Ölg­emälde und zwei Zeichnunge­n, dazu noch je eine Dauerleihg­abe auf Leinwand bzw. Papier. Doch der Bestand könntegröß­ersein– undweit mehr Hauptwerke umfassen. Hätte man zum Beispiel keine Tauschgesc­häfte mit Rudolf Leopold gemacht. Oder besser aufgepasst.

Vielleicht gestohlen?

DieGeschic­htebeginnt­1912: Der Modeschöpf­er Paul Poiret schenkte der Galerie eine Mappe mit Kunstwerke­n, darunter auch 14 Aquarelle von Schiele. Dieses Konvolut hätte später, als die Staatssamm­lungen neu aufgeteilt wurden, an die Albertina übergeben werden sollen. Doch dort kamen sie nie an. Möglicherw­eise, weil sie gestohlen worden waren. Erst der Rechnungsh­of fragte in den1990er-Jahrennach, was mit den Blättern, deren Verlust nie gemeldet worden war, passiert sei. Über das jahre- wennnichtj­ahrzehnte- lange Vertuschen erzählt die Jubiläumsa­usstellung­nichts.

Kuratorin Kerstin Jesse hat zwar liebevoll viel Material zusammenge­tragen, sie ergänzt die Werke um Skizzen und Studien sowie um thematisch verwandte Bilder von Schieles Zeitgenoss­enundpräse­ntierteine­Fülle an Archivalie­n. An Selbstkrit­ik aber mangelt es mitunter. Und etliche brennende Fragen hat man nicht gestellt.

Auf Wunsch übermalt

DieerstenE­rwerbungen­wurden 1917/’18 von Direktor Franz Martin Haberditzl getätigt. Von besonderer Bedeutung ist das Porträt „Die Frau des Künstlers, Edith Schiele“. Denn wohl auf WunschdesC­hefs, soistinder Ausstellun­g zu lesen, „übermalte der Künstler den ehemals bunt karierten Rock“. Das Muster hätte einen stark kunstgewer­blichen Charakter aufgewiese­n, was man als unpassend für ein Museum empfunden habe.

Auf Basis alter Fotos und maltechnis­cher Untersuchu­ngen erstellte das Belvedere eine Rekonstruk­tion in Originalgr­öße. Wer sich auf „Fehlersuch­e“begibt, wird feststelle­n, dass sich auch der Kragen und die Farbe des Pullovers geändert haben. Zudem hatte Edith zunächst noch keine Füße.

Man zeigt auch die Bilder, die nun im Leopold Museum hängen, darunter, schlecht ausgeleuch­tet, das „Bildnis Wally“. Leopold erhieltdie„Wally“imTauschfü­r den „Reinerbub“. Warum es in den 50er-Jahren überhaupt zu Tauschgesc­häften kommen konnte, wird nicht analysiert. Leopold hatte den Tausch der Gemälde „Kardinal und Nonne“sowie „DieHockend­en“vorgeschla­gen, weil sie wegen des Darstellun­gsthemas von der Exposition zurückgezo­gen waren. Dies bestätigte auch Direktor Karl Garzarolli. Schade, dass der Deal zustande kam. Fürs Belvedere.

 ??  ?? Das Porträt „Die Frau des Künstlers, Edith Schiele“aus 1918: Auf Basis alter Fotos und aufgrund von Mikroskopa­ufnahmen und maltechnis­cher Untersuchu­ngen erstellte das Belvedere eine Rekonstruk­tion (li.) vor der Übermalung. Wer sich auf „Fehlersuch­e“begibt, wird feststelle­n, dass sich nicht nur der ursprüngli­ch bunt karierte Rock geändert hat: Edith hatte zunächst noch gar keine Füße . . .
Das Porträt „Die Frau des Künstlers, Edith Schiele“aus 1918: Auf Basis alter Fotos und aufgrund von Mikroskopa­ufnahmen und maltechnis­cher Untersuchu­ngen erstellte das Belvedere eine Rekonstruk­tion (li.) vor der Übermalung. Wer sich auf „Fehlersuch­e“begibt, wird feststelle­n, dass sich nicht nur der ursprüngli­ch bunt karierte Rock geändert hat: Edith hatte zunächst noch gar keine Füße . . .
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