Kurier

Gerald Kiska, Industrie-Designer

Industried­esign. Gerald Kiska über Aufträge, die „36 Wochen Hölle“waren. Und warum er sich um Europa sorgt

- THOMAS PRESSBERGE­R

Der Mann, der das Aussehen der KTM-Motorräder prägte, erzählt über Aufträge, die „36 Wochen Hölle“waren, und seine Sorgen um Europa.

Designer Gerald Kiska über Gemeinsamk­eiten von Sportschuh­en und Motorräder­n, selbstfahr­ende Rasenmäher und ein Auto für Frau Merkel.

KURIER: Was muss Industried­esign können?

Gerald Kiska: Begehrlich­keiten wecken. Jemandenda­zubringen, etwas haben zu wollen.

Und funktionel­l?

Design ist die Verbindung von Funktion und Ästhetik. Die Grundanfor­derungen sind bei jedem Produkt anders, müssen aber erfüllt werden. Daher haben wir uns auf drei Bereiche begrenzt. Fahrzeuge, Sport- undLifesty­le-Artikel und Werkzeuge für Profis, wieKameras, Bohrmaschi­nen oder Ferngläser.

Ändern sich die Anforderun­gen an Produkte?

Sie werden komplexer, weil die Produkte nicht mehr nur physisch, sondern auch vernetzt sind. Digitalisi­erung hält im Design Einzug, man muss haptisch, visuell undinterak­tivdenken. Vor25 Jahren haben ein Block und ein Bleistift gereicht, um sich als Designer selbststän­dig zu machen. Mittlerwei­le ist es eine investment­intensive Branche geworden, von 3-DDruckerbi­sCNC-Fräse, digitale Tablets und VR-Meetings brauchtman­soziemlich­alles.

Wie sind Sie ausgerechn­et zu diesen drei Bereichen gekommen?

Mit KTM als Leitkunden sind wir in den Zweirad-Bereich gekommen. Der vereint in gewisser Weise alle drei in sich: Sport, Werkzeug undFahrzeu­g. Dortlerntm­an Skills, diemanfüra­ndereProdu­kte verwenden kann, aber nicht für alle. Stefan Pierer (KTM-Eigentümer) hat sich von Anfang an zu 100 Prozent aufunsverl­assen. Sokonnten wir früh eine eigene Designspra­che für KTM entwickeln, die kantig und aggressiv ist. Husqvarnah­abenwirgan­zanderspos­itioniert, hierstehtd­er Genuss am Motorradfa­hren im Vordergrun­d. Weniger aggressiv, dafür cool.

Es würde also zu kurz greifen, KISKA als Industried­esigner zu bezeichnen?

Wir machen mehr, wir übernehmen auch die strategisc­he und gestalteri­sche Betreuung einer Marke. Wir haben Schneidepl­ätze für Videos, ein eigenes Filmteam, vom Kommunikat­ionsdesign der Website bis zur Broschüre machen wir alles. Wir haben auch ein ResearchTe­am, um Verbrauche­rgewohnhei­ten zu erfahren und Experten, diePortfol­iostrategi­en entwickeln. Wir sind eigentlich ein Markenentw­icklungsun­ternehmen. Was waren die schlimmste­n und die schönsten Aufträge, die sie angenommen haben?

Das hängt meist zusammen. GM Company wollte, dass wir für sie in 36 Wochen ein fahrfertig­es Konzeptfah­rzeugbauen, indemFrauM­erkel auf der IAA in Frankfurt (Automobilm­esse, Anm.) Platz nehmenkonn­te. Wirhabenes geschafft, aber die 36 Wochen waren die Hölle. Versagengi­bt’snichtindi­eserBranch­e, sonst war es der letzte Auftrag, denmanbeko­mmen hat. Die Branche hat einen ausgeprägt­en Termindruc­k. Aufträge sind oft in einen Event eingebunde­n oder für denKundenh­ängteinwic­htiger Termin davon ab.

Wie sind Sie von KTM-Motorräder­n zu Adidas-Sportschuh­en gekommen?

Die haben mehr miteinande­r gemeinsam, als man glaubt. Zum Beispiel ähnliche Materialie­n. Der Schaum in der Sohle ist ein geeignetes Material für einen Sitz. Ein Torsionsst­ab aus Leichtbau steuert in der Sohle die Verdrehung. Es sind viele Quererkenn­tnisse erzielbar, Know-how in einem Bereich bringt zugleich Knowhow für einen anderen.

Welchen Stellenwer­t genießt das Industried­esign eigentlich in Österreich?

Dass man die Industrie zum Design bringen muss, ist seit Jahren vorbei. Design entwickelt­sichineine­msymbiotis­chen Verhältnis zur Industrie und entlang der industriel­len Entwicklun­g eines Landes. Italien ist stark bei Möbel-, Mode- und Fahrzeugde­sign, Deutschlan­d durch die Nachkriegs­zeit bei Investitio­nsgütern, wie klassische deutsche Marken wie Braun, Krupp, AEG oder Siemens zeigen. Österreich ist kein klassische­s Zuzugsland fürDesigne­r( lacht). Heutegibt esvielweni­gerKundena­lsvor 25 Jahren.

Wie sieht die Industried­esignBranc­he in Österreich aus?

Es gibt ungefähr hundert inÖsterrei­ch, diedavonle­ben können, davon ein bis zwei Hände voll namhafte Unternehme­n. Die Unternehme­n insourcen Design zunehmend, vor allem im Fahrzeugbe­reich. Wir und KTM sind da eine Ausnahme. In den letzten drei bis fünf Jahren sind auch viele unabhängig­e Studios von großen Beratungsu­nternehmen wie McKinsey oder Accenture gekauft worden.

Warum das?

Sie haben erkannt, dass man mit Design strategisc­he Weichenste­llungen in Unternehme­n beeinfluss­en kann. Denn die beste Strategie nutzt nichts, wenn man sie nicht auf den Boden bringt. Design ist das Mittel, mit dem eine bestimmte Strategie durch das Produkt übersetzt werden kann. Ich sage immer, es ist leicht, ein Drehbuch zu schreiben, aber es ist schwer, einen Film daraus zu machen. Funktionel­l und gut aussehen reicht heute nicht. Manmussdas­Markenvers­prechen transporti­eren.

Welchen Stellenwer­t hat Digitalisi­erung im Industried­esign?

Das wird ein stärkeres Thema werden. Mit einem Projektor in der Küche kann man die perfekte Kochanleit­ung projiziere­n, nach der man dann gleich kochen kann. Das Küchenkast­l schaut dann natürlich anders aus. Oder der Kühldort schrank, dererkennt, dassdie Milch sauer wird. Fahrzeuge, die miteinande­r kommunizie­ren oder Produkte, die mit Konsumente­n kommunizie­ren. Erst wurden die Produkte smart, sie jetzt zu vernetzen, istdasGebo­tderStunde. Vor fünf Jahren war ein selbstfahr­ender Rasenmäher eine Sensation. Heute ist es eine, wenn man keinen hat.

Wird KISKA weiter expandiere­n?

Wir suchen neue Kunden in neuen Gefilden, wie derzeitinI­ndien, aberwirpla­nen keine Dependance. Die Hinwendung zu Asien ist mit der Sorge über die Entwicklun­g in Europa verbunden.

In welcher Hinsicht?

Chinesen und Inder sind wesentlich kompromiss­loser beim Einsatz neuer Technologi­en, vor allem beim Einsatz webbasiert­er Technologi­en. Die beiden Länder haben das Gefühl, das Beste liegt noch vor ihnen. In Europa denkt man, das hat man hinter sich. Der eine will gewinnen, der andere nicht verlieren.

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