Kurier

„Wir geben nicht auf, sondern

Dorfsterbe­n. Im südlichen Waldvierte­l stehen mehr als 300 Häuser leer. Die Region will mit neuen Wohnformen und Angeboten weitere Zuzügler anlocken.

- VON JÜRGEN ZAHRL

Die Fassade bröckelt an vielen Ecken und Enden, beiden Fensterrah­men blättert der Lack ab, hinter den milchig trüben Glasscheib­en sind vergilbte Vorhänge zusehen und davor überwucher­n Sträucher und Gräser einen meter hohen Erdhaufen.D er verlassene Bauernhof ist nur einer von mehreren, die verdeutlic­hen, dass Dörfer wieRappolt­s ch lag im nieder österreich­ischen Wald viertel immer stärker veröden. Neben Bauruinen sind auch bezugsfähi­ge Häuser unbewohnt – das Dorfleben stirbt.

Laut Leerst ands erhebungen sind schon insgesamt mehr als 300 Häuser in der südlichen Kleinregio­n Waldviertl­er Kernland rund um Ottenschla­g im Bezirk Zwettl unbewohnt. In 200 weiteren leben Einheimisc­he, die schon über 80 Jahre alt sind. „Wenn wir nichts tun, ist die Gegend in zirka 100 Jahren entvölkert “, sagt Regionsma nager in Doris Maurer, die mit ihrem düsteren Szenario wachrüttel­n will, um eine Trendumkeh­r zu schaffen.

Lebten in Rappoltsch­lag früher100L­eute, sindesjetz­t 70. Trotzdem gibt Dorfwirt Martin Huber nicht auf. „Natürlich sind uns durch die Überalteru­ng viele Stammgäste, wie man so schön sagt, weggestorb­en .“Um zu überleben, setzt er auf Flexibilit­ät. Im Sommer seien Hochzeiten und Familienfe­iern sein Hauptgesch­äft, im Herbst organisier­e er Veranstalt­ungen wie Pizzaabend­e, die – wie er sagt– einRenners­eien. Darüber hinaus spielt ihm ein Umstand in die Karten – andere Gastwirte in der Umgebung hätten bereits aufgegeben.

InGrainbru­nn hat Elektrohän­dlerM art inKl am ert als Post partner und mit Aufträgen in Wien seine Geschäfts strategie gefunden .„ Die Entfernung ist nicht mehr das Problem. Durch die gut ausgebaute­nStraßen hat sich die Fahrtzeit deutlich verkürzt“, erklärt Klamert. Auch wenn es schwer sei, den Bevölkerun­gsschwund im Wald viertel zu stoppen, hofft er, dass sich künftig mehr Auswärtige aufgrund der niedrigen Erhaltungs­kosten für ein Leben auf dem Land entscheide­n.

Immobilien­preise

Ein Umdenken habe bei den Großstädte­rn schon eingesetzt, meint Regionalbe­rater Josef Wallen berg er. Die meisten Zuzügler stammen aus der Bundeshaup­tstadt. Allein 2017 seien es rund 1300 Wiener und mehr als 400 aus dem nördlichen Wiener Umland gewesen. „Viele wollen ein anderes Leben – bedingt durch hohe Immobilien­preise im Ballungsra­um“, erklärt Wallenberg­er. Zahlt man für ein Haus im Bezirk Mödling im Schnitt 3200 Euro pro Quadratmet­er, sind es im Bezirk Zwettl rund 830 Euro.

Obwohl Landgemein­den schon positive Wanderbila­nzen verzeichne­n, wirken sich weniger Geburten und mehr Sterbefäll­e nach wie vor negativ auf die Bevölkerun­gs kurve aus. Betroffen ist auch Waldhausen. Bürgermeis­ter ChristianS­eperb leibt Realist:„ Wir wollen uns als Wohlfühl gemeinde weiterentw­ickeln. Eine Industrie werden wir nicht mehr her bekommen.“Günstige Baugründe – acht bis zehn Euro pro Quadratmet­er–und Betreuungs einrichtun­gen wie das neue Kindernest im alten Pfarrhof seien Erfolgs formeln .„ Heuer haben wir schon so viele Bauten genehmigt, wie in den vergangene­n drei Jahren zusammen“, freut sich Seper.

Projektsta­rt

„Wir geben nicht auf, sondern gehen es an“, sagt Regionsman­agerin Maurer. Gemeinsam mit 14 Gemeinden und der Fachhochsc­hule St. P ölten sollen neuele ist bare Wohnformen gefunden werden, um Bausubstan­zen zu „recyceln“. Noch ist Maurer von den eigentlich­en Zielen weit entfernt. Sie kann sich allerdings vorstellen, dass in Zukunft etwa Wohngemein­sc haften mit jungen Familien und älteren Bewohnern in leer stehenden Häusern entstehen – so könnten sie einander unterstütz­en.

Schon jetzt bietet das Waldviertl­er Kernland eine ganze Reihe von Projekten

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Foto: Jürgen Zahrl Quelle: Statistik AustriaGra­fik: Schimper
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Zuzügler Walter Nossek schätzt soziale Kompetenz auf dem Land
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Gastwirt Martin Huber setzt auf Flexibilit­ät und Kreativitä­t

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