„Wir geben nicht auf, sondern
Dorfsterben. Im südlichen Waldviertel stehen mehr als 300 Häuser leer. Die Region will mit neuen Wohnformen und Angeboten weitere Zuzügler anlocken.
Die Fassade bröckelt an vielen Ecken und Enden, beiden Fensterrahmen blättert der Lack ab, hinter den milchig trüben Glasscheiben sind vergilbte Vorhänge zusehen und davor überwuchern Sträucher und Gräser einen meter hohen Erdhaufen.D er verlassene Bauernhof ist nur einer von mehreren, die verdeutlichen, dass Dörfer wieRappolts ch lag im nieder österreichischen Wald viertel immer stärker veröden. Neben Bauruinen sind auch bezugsfähige Häuser unbewohnt – das Dorfleben stirbt.
Laut Leerst ands erhebungen sind schon insgesamt mehr als 300 Häuser in der südlichen Kleinregion Waldviertler Kernland rund um Ottenschlag im Bezirk Zwettl unbewohnt. In 200 weiteren leben Einheimische, die schon über 80 Jahre alt sind. „Wenn wir nichts tun, ist die Gegend in zirka 100 Jahren entvölkert “, sagt Regionsma nager in Doris Maurer, die mit ihrem düsteren Szenario wachrütteln will, um eine Trendumkehr zu schaffen.
Lebten in Rappoltschlag früher100Leute, sindesjetzt 70. Trotzdem gibt Dorfwirt Martin Huber nicht auf. „Natürlich sind uns durch die Überalterung viele Stammgäste, wie man so schön sagt, weggestorben .“Um zu überleben, setzt er auf Flexibilität. Im Sommer seien Hochzeiten und Familienfeiern sein Hauptgeschäft, im Herbst organisiere er Veranstaltungen wie Pizzaabende, die – wie er sagt– einRennerseien. Darüber hinaus spielt ihm ein Umstand in die Karten – andere Gastwirte in der Umgebung hätten bereits aufgegeben.
InGrainbrunn hat ElektrohändlerM art inKl am ert als Post partner und mit Aufträgen in Wien seine Geschäfts strategie gefunden .„ Die Entfernung ist nicht mehr das Problem. Durch die gut ausgebautenStraßen hat sich die Fahrtzeit deutlich verkürzt“, erklärt Klamert. Auch wenn es schwer sei, den Bevölkerungsschwund im Wald viertel zu stoppen, hofft er, dass sich künftig mehr Auswärtige aufgrund der niedrigen Erhaltungskosten für ein Leben auf dem Land entscheiden.
Immobilienpreise
Ein Umdenken habe bei den Großstädtern schon eingesetzt, meint Regionalberater Josef Wallen berg er. Die meisten Zuzügler stammen aus der Bundeshauptstadt. Allein 2017 seien es rund 1300 Wiener und mehr als 400 aus dem nördlichen Wiener Umland gewesen. „Viele wollen ein anderes Leben – bedingt durch hohe Immobilienpreise im Ballungsraum“, erklärt Wallenberger. Zahlt man für ein Haus im Bezirk Mödling im Schnitt 3200 Euro pro Quadratmeter, sind es im Bezirk Zwettl rund 830 Euro.
Obwohl Landgemeinden schon positive Wanderbilanzen verzeichnen, wirken sich weniger Geburten und mehr Sterbefälle nach wie vor negativ auf die Bevölkerungs kurve aus. Betroffen ist auch Waldhausen. Bürgermeister ChristianSeperb leibt Realist:„ Wir wollen uns als Wohlfühl gemeinde weiterentwickeln. Eine Industrie werden wir nicht mehr her bekommen.“Günstige Baugründe – acht bis zehn Euro pro Quadratmeter–und Betreuungs einrichtungen wie das neue Kindernest im alten Pfarrhof seien Erfolgs formeln .„ Heuer haben wir schon so viele Bauten genehmigt, wie in den vergangenen drei Jahren zusammen“, freut sich Seper.
Projektstart
„Wir geben nicht auf, sondern gehen es an“, sagt Regionsmanagerin Maurer. Gemeinsam mit 14 Gemeinden und der Fachhochschule St. P ölten sollen neuele ist bare Wohnformen gefunden werden, um Bausubstanzen zu „recyceln“. Noch ist Maurer von den eigentlichen Zielen weit entfernt. Sie kann sich allerdings vorstellen, dass in Zukunft etwa Wohngemeinsc haften mit jungen Familien und älteren Bewohnern in leer stehenden Häusern entstehen – so könnten sie einander unterstützen.
Schon jetzt bietet das Waldviertler Kernland eine ganze Reihe von Projekten