Klagsflut gegen Abriss-Verbot
Althäuser. Neue Bestimmung hebelt rückwirkend Baubescheide aus. Stadt Wien drohen Millionen-Forderungen
Der Wiener Unternehmer Ernst Polsterer-Kattus ist als zurückhaltender, besonnenerCharakter bekannt. Doch angesprochen auf die Novelle der Wiener Bauordnung, die mit Stichtag 29. Juni 2018 eilig durch den Landtag gepeitscht wurde, kann sich Polsterer ziemlich aufregen: „Wo bleibt hier der Rechtsstaat?“.
Nicht nur Polsterer empört sich über eine neue Bestimmung im § 60 des Bauordnungs-Konvoluts. Etliche Hausbesitzer, Immobilien entwickler, Architekten und Rechtsanwälte laufen Sturm dagegen. Sie werden versuchen, die heftig beanstandete Neuerung gerichtlich bis zur letzten Instanz zu bekämpfen. Samt zivilrechtlichen Schadenersatz forderungen im Wege der Amtshaftung an die Stadt, die sich auf etliche Millionen Euro summieren können.
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Konkret geht es um den Abbruch von Gebäuden, die vor dem 1. Jänner 1945 errichtetwurden. Siedurftenbisher abgerissen werden, wenn sie nicht in einer Schutzzone standen. Jetzt müssen die Häuser von der MA 19 auf ihre Erhaltungs würdigkeit geprüft werden. Zu prüfen ist, ob an der Erhaltung des Gebäudes durch seine Wirkung auf das örtliche Stadtbild öffentliches Interesse besteht.
„Das ist prinzipiell gut so. Es hat mir oft sehr leid getan, wenn schöne, alte Häuser durch einen lieblosen Neubau ersetzt wurden“, sagt Polsterer-Kattus. Doch gut gemeint ist in diesem Fall wohl eher das Gegenteil von gut. Denn das Abrissverbot hebelt rückwirkend bereits rechtsgültige Baubescheide aus.
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Zur Klarstellung: PolstererKattusistk ein Zins hausGeier. Selbsts ehrt radit ions verbunden, leitet er die kleine Sektkellerei Kattus, die seit mehr als 160 Jahren im Besitz der Familie seiner Frau Maria Polsterer-Kattus ist.
Im aktuellen Fall geht es auch nicht um den Abriss eines Zinshauses, um durch einen Neubau dieMi et einnahmen zu maximieren, sondern um das privat genutzte Wohnhaus einer Familie, für die sich der Unternehmer engagiert. Die Familie will auch den Neubau selbst bewohnen.
Das Haus in Sievering steht in keiner Schutzzone, im März 2018 erhielt man einen rechtskräftigen Baubescheid. Anstatt sofort abzureißen, was im Nachhinein betrachtet klüger gewesen wäre, wollte man angesichts der aktuell überhitzen Baupreise abwarten.
Jetzt untersagte die MA 19 allerdings den Abbruch. „Da hat man im Vertrauen auf die Rechtslage eingereicht, hat einen rechtsgültigen Bau bescheid, es sind bereits beträchtlicheKosten angefallen und dann kommt die Behörde und sagt, der Bescheid gilt nicht“, wettert Polsterer. Er kündigt den Gang vor das V er wal tungs gericht an und macht die Politik verantwortlich, „die es verabsäumt hat, eine Dur ch führungs verordnung zumachen, sodass in bestehende Rechte und Bescheide nicht eingegriffen werden darf“.
In der Immobilien-Branche geht man von 150 Betroffenen und mehr aus, deren Baugenehmigungen de facto ungültig sind. Nicht nur große Bauträger, „jetzt trifft’s auch die Bevölkerung“, weiß der Wiener Architekt Viktor Marschalek.
Die Chancen, bei der MA 19 durchzukommen, werdenals nicht allzu groß eingeschätzt. Die Magistrats abteilung untersteht der grünen Noch-Vize bürgermeisterin Maria Vassilakou. Nach dem Wirbel um das Heumarkt- des Investors Michael Tojner, dem Vassilakou zugestimmt hatte, was sie viel Sympathien kostete, soll jetzt offenbar Härte demonstriert werden.
Für die Betroffenen ist der Schaden enorm. „Man hatte bereits hohe Aufwendungen, um ein Projekt zu erstellen und die Baubewilligung zu erlangen, kann aber trotz des Bau bescheides nicht bauen. Jetzt muss man das alte Gebäude auch noch sanieren“(Marschalek) .
Damitnichtgenug. Mitjedem Jahr Bauverzögerung steigen die Baukosten um drei bis fünf Prozent. Manche Betroffenen hätten bereits mit dem Verkauf ihres Projektes begonnen und würden jetzt gegenüber den W oh nungskäufernv ertrags brüchig, meint der auf Bau recht spezialisierte Anwalt Philipp Pallitsch. Noch teurer wird’s, wenn der Bauherr bereits Angebote für den Neubau eingeholt und Aufträge an Baufirmen vergeben hat.
Letzte Instanz auf dem Behörden weg ist der Verfassungs gerichtshof. Diese Verfahrend auernerfahrungs gemäß zwei bis drei Jahre. Auch Pallitsch rechnet mit einer zivilrechtlichen Klagswelle gegen die Stadt Wien. „Die Stadt hätte beider überfalls artig durchge peitschten Novelle Übergangs fristen machen müssen “, sindsic hP allitsc hund Marschalek einig.
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Seit die Neuregelung gilt, wurden von der MA 19 insgesamt 22 Gebäude als erhaltenswert bewertet, erklärt Christian Daxböck, Sprecherin von SPÖ-Wohnbau stadt rätin KathrinGaál. Einige Gebäudes eien so stark
Viktor Marschalek Architekt
„Das Problem haben nicht nur große Bauträger, jetzt trifft’s auch die Bevölkerung“.
zerstört gewesen, dass eine Rettung unmöglich war, es gebe aber auch Gebäude ,„ die als nicht erhaltenswert bewertet wurden“.
Man habe die Neuregelung ursprünglich erst am 29. November im Landtag beschließen wollen ,„ musste sie aber als Initiativantrag vorziehen, da sich plötzlich ein „Abriss-Boom“in Wien abzeichnete“, argumentiert Daxböck. Damit habe auch der Verlust von schönen, stadtbild prägenden Gebäuden gedroht.
Tatsächlich begannen einige Hauseigentümer rasch mit dem Abriss, als sich herumgesprochen hatte, dass die Stadt Wien den Abbruch erschweren will, der KURIER berichtete. Dabei ging es vor allem um Gründerzeit häuser, die dem Mietrechts gesetz unterliegen( siehe Artikel links ).