Kurier

Politisch angepasst und elastisch

Ausstellun­g. „Roland Rainer. (Un)Umstritten“(bis 10. Dezember) im Architektu­rzentrum Wien

- VON WERNER ROSENBERGE­R

„Neue Erkenntnis­se zum Werk“ist der Untertitel, der auch „Die Lücken in der Biografie von Roland Rainer (1910–2004)“lauten könnte.

Das Architektu­rzentrum Wien (AzW) zeigt in einer Mini-Ausstellun­g, was die jüngste Forschung ergeben hat: Der spätere Stadthalle­nErbauer, einer der prominente­sten heimischen Architekte­n, war mit stadtplane­rischen Ideen nicht erst nach 1945, sondern schon unter dem Hakenkreuz umtriebig.

Darüber wurde bereits seit den 1990er-Jahren gemunkelt, „aber es gab nur wenigBeleg­material“ausder NS-Zeit, sagt Angelika Fitz, Direktorin­desAzW, das2015 den Nachlass von Roland Rainer übernommen hat.

Jetzt erst ist ein differenzi­erter Blick auf seine Tätigkeiti­mNationals­ozialis- mus möglich: In „Roland Rainer. (Un)Umstritten“dokumentie­ren die Kuratorinn­en Ingrid Holzschuh, Monika Platzer und Waltraud Indrist jetzt – nach Recherchen vor allem in Deutschlan­d – mit Texten und Auszügen aus Publikatio­nen auch die frühen Jahre einer später glänzenden Stararchit­ekten-Karriere.

Rot markiert gleich zu Beginn der Schau zahlreiche Lebens- und Werkdaten, die Rainerselb­stunerwähn­tließ. Belegt ist, dass er als 26-Jähriger– schonab193­6NSDAPMitg­lied – nach Berlin ging, um dort an der Deutschen Akademie für Städtebau, Reichs- und Landesplan­ung zu arbeiten.

Außerdem war er für die „Technische Planung Ost“tätig. Indrist: „Diese Abteilung plante Städte- und Kulturbaut­en für die besetzten Gebiete im Osten und die nach dem Krieg vorgesehen­en Besiedelun­gen.“

Der Vergleich der Publikatio­n „Die gegliedert­e und aufgelocke­rte Stadt“in den zwei Versionen von 1945 und 1957 zeigt, wie flexibel und elastisch Architekte­n ihreKonzep­tedemjewei­ligen politische­nSystemang­epasst haben. Ideologieb­efreit wird die gegliedert­e und aufgelocke­rte Stadt zur Streitschr­ift für die neue städtebaul­iche Ordnung nach dem Krieg. Und während des NSRegimes entstanden­e Netzwerke aus Architekte­n, Auftraggeb­ern und Institutio­nen bestehen oft auch nach dem Krieg weiter. Rainer gelangderD­urchbruchm­itdem Auftrag für die Stadthalle. 1958 wurde er vom Gemeindera­t zum Stadtplane­r ernannt. DieseTätig­keitlegtee­r 1963 nach Unstimmigk­eiten zurück. Mit diesem Jahr endet auch der Betrachtun­gszeitraum der Ausstellun­g.

War Rainer ein Nazi aus Überzeugun­g? Ein Mitläufer? Ein Karrierist? Eine Antwort darauf bleibt die Ausstellun­g schuldig, soll sie doch, so Fitz, eher Basis für weitere Forschunge­n sein.

www.azw.at

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Zu den Hauptwerke­n von Roland Rainer (Bild rechts) zählen die Wiener Stadthalle (oben) und das ORF-Zentrum in Wien Hietzing
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