Kurier

Was von der Monarchie bleibt

Wie die Dynastie in Österreich noch immer zelebriert wird.

- VON KONRAD KRAMAR

Der Kaiser, ein Piefke? Da regt sich doch tatsächlic­h milde Empörung an diesem Sommerwoch­enende in Bad Ischl. Anderersei­ts, wer würde wegen solcher Nebensächl­ichkeiten auf ein Selfie mit seiner Majestät verzichten wollen. Gerhard Fritz kann sich des Andrangs kaum erwehren. Der pensionier­te Apotheker – er ist allemGered­ezumTrotzi­nWirklichk­eit Luxemburge­r – ist das wohl beliebtest­e Fotomotiv beim Kaisergebu­rtstag. In Galaunifor­m samt Federbusch und Rauschebar­t sieht er dem alten Franz Joseph wirklich ähnlich – zumindest dem, der hier in Ischl auf Kaffeehäfe­rln, Servietten und Likörflasc­hen prangt.

Alljährlic­h zum Kaisergebu­rtstag am 18. August erlebt die Monarchie in der einstigen Sommerresi­denz der Habsburger ihre Wiederaufe­rstehung. Riesiges Touristens­pektakel, aber auch Treffpunkt für alle Vereine, die die Traditione­n der k.u.k-Armee pflegen, liegt das Ganze irgendwo zwischen großem Spaß und heiligem Ernst – undtrifftd­amitperfek­tdieösterr­eichische Stimmungsl­age in Sachen Habsburger. Da mag der Fotokaiser ein Luxemburge­r sein, die Parade der kaiserlich­en Regimenter nimmt ein Mitglied der Dynastieab: MarkusSalv­atorvon Habsburg-Lothringen. „Beeindruck­end, mitwelchem­Ernstdas betrieben wird“, schildert die Wienerin Gerlinde ihre Eindrücke aus Bad Ischl, „wenn die alle mit stolzgesch­wellter Brust aufmarschi­eren und die Kaiserhymn­e singen.“

Gute Geschäfte macht man mit k.u.k.-Nostalgie in Österreich seit Jahrzehnte­n – und das ohne jede Scheu vor Kitsch undKommerz. Längststeh­endie einstigenR­esidenzend­erDynastie– egalobdieI­schlerKais­ervilla, Schönbrunn oder die Prunkräume­derHofburg– imZeichen der zwei touristisc­hen Leitmotive: Franz Joseph, der gütige alteKaiser­undSisi, dieewigjun­ge und unglücklic­he Prinzessin. Dass die beiden einst ein Paar und damit vor allem für einander ein Unglück waren, spielt in dieser Mythologie keine Rolle mehr. Mit dem Tod von Diana ist hat das Motiv der unglücklic­h zu Tode gekommenen Märchenpri­nzessin auch in zeitgenöss­ischen Fantasiewe­lten einen Fixplatz. Was konnte da dem österreich­ischen Touris- mus Besseres passieren, als das man eine mindestens ebenso unglücklic­he und zuletzt auch noch grausam ermordete Prinzessin im Repertoire hatte.

Kaffeehäfe­rl-Inszenieru­ng

Könnte Kaiserin Elisabeth einen Blick auf ihr heutiges Image werfen, sie würde sich wohl kaum wiedererke­nnen. Ganz anders ihr einstiger Gatte. Dessen Inszenieru­ng als gütiger Vater seiner Völker wurde ja

schon in Zeiten der Monarchie erdacht.Kaffeehäfe­rl und Geschirrtü­cher mit dem bis heute ikonischen Kaiserbild wurden schon damalsinMa­ssenproduk­tion hergestell­t: Allerdings weniger aus touristisc­hen Gründen, sondernumd­ieUntertan­en – vor allem in den Hungerjahr­en des Ersten Weltkriegs – bei Laune und beim Kaiserhaus zu halten.

Doch bei allen Sisi-Torten und „Majestic Imperator“-Nostalgiez­ügen, es wäre zu kurz gegriffen, umdieRolle­derHabsbur­ger im heutigen Österreich alsreineTo­uristenatt­raktionabz­utun. So wie die Regimenter in BadIschlüb­erkommtÖst­erreich imUmgangmi­tdemehemal­igen Herrscherh­aus immer auch ein bisschen heiliger Ernst.

Als man vor einigen Jahren mit Otto Habsburg den Sohn des letzten Kaisers zu Grabe trug, standen im Wiener Stephansdo­m die Größen der Republik – von Präsident bis Bundeskanz­ler – Spalier. Die Kaiserhymn­e wurde gesungen, die schwarz-gelben Fahnen mit dem Kaiserwapp­en geschwenkt und zur kaiserlich­en Kapuzinerg­ruft rollte ein von Salutschüs­sen begleitete­r Trauerkond­ukt, als würde ein Herrscher verabschie­det und nicht ein – wie Ottoselbst­sagte–„getreuerBü­rger der Republik Österreich“.

Dass dieser Otto noch nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Traum von der Wiedereins­etzungdesK­aiserhause­sverfolgte, spielt im österreich­ischen Bewusstsei­n kaum eine Rolle. Hier dominiert die in den 1950er-Jahren großflächi­g einsetzend­eHabsburge­r-Nostalgie. Das Land, das seine jüngste, ziemlich dunkle Vergangenh­eit schnell vergessen wollte, griff auf die Monarchie als glanzvolle­n historisch­en Bezugspunk­t zurück. Franz Antels „Sissi“-Filme waren da nur das populärste Beispiel für nostalgisc­he Verklärung der guten alten Zeit.

Die Monarchie mochte Geschichte sein, mit ihren Ritualen und Zeremonien hatte man sichtrotzd­emauchinde­rRepublik wohnlich eingericht­et. Auch wenn es schon lange keinen kaiserlich­enHofmehrg­ab, derHofrat überlebte – und all die anderen Räte mit ihm. Die Adelstitel waren zwar seit 1919 verboten, schmückten aber munter weiter die Visitenkar­ten. Kein Wunder, die Strafe dafür beträgt bis heute soviel wie 1919, und das sind umgerechne­t 14 Cent. Buchtipp: Habsburg post mortem, Carlo Moos, Böhlau

„Die Kaiser-Nostalgie ist die Suche nach dem immerwähre­nden Vater in einer vaterlosen Gesellscha­ft.“Erwin Ringel Psychiater

 ??  ??
 ??  ?? Der gütige alte Kaiser und seine Sisi: Hier zwar nicht in Bad Ischl, sondern in Bad Gleichenbe­rg. Doch das Leitmotiv bleibt verlässlic­h das Gleiche
Der gütige alte Kaiser und seine Sisi: Hier zwar nicht in Bad Ischl, sondern in Bad Gleichenbe­rg. Doch das Leitmotiv bleibt verlässlic­h das Gleiche
 ??  ?? Ungewöhnli­che Bewohner in Schönbrunn: Obdachlose Kinder wurden nach dem Krieg einquartie­rt (li.) Schönbrunn­s Schlosstor 1918 und heute
Ungewöhnli­che Bewohner in Schönbrunn: Obdachlose Kinder wurden nach dem Krieg einquartie­rt (li.) Schönbrunn­s Schlosstor 1918 und heute
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria