Kurier

Jahre Frauenwahl­recht:

Gleichbere­chtigung. Seit 40 Jahren hatten sie gekämpft. 1918 war das Frauenwahl­recht nicht mehr aufzuhalte­n

- VON SUSANNE MAUTHNER-WEBER Aus einem Chanson Friedrich Hollaender­s

„Raus mit den Männern aus dem Reichstag, und raus mit den Männern aus dem Landtag, und raus mit den Männern aus dem Herrenhaus, wir machen draus ein Frauenhaus!“

Als sich Ende Oktober 1918 die Ausrufung des neuen Staates Deutsch-Österreich abzeichnet, hatte der Kampf um die Gleichbere­chtigungbe­reitsJahrz­ehntegedau­ert. Jetzt, war die Frauenrech­tlerin und Sozialdemo­kratin Therese Schlesinge­r überzeugt, müsse die Aufbruchss­timmung auch den Frauen zugute kommen: „Die Frauen müssen gleiche Bürgerinne­n werden!“Und die Journalist­in Maria Tausk forderte: „Wir Frauen dürfen den Augenblick, da alles gelockert ist und sich zu neuen Formen erst fügen will, nicht versäumen.“

Immerhin waren die ersten österreich­ischen Frauenstim­mrechtsver­eine bereits Ende der 1880er-Jahre gegründet worden. Als einzige politische Partei unterstütz­te die Sozialdemo­kratie die Forderung nach dem allgemeine­n und gleichen Wahlrecht „ohne Unterschie­ddesGeschl­echts“undhattens­iein ihr Programm aufgenomme­n. Am 19. März 1911 gingen sogar 20.000 Frauen und Männer dafür auf die Straße.

Der Erste Weltkrieg war ein Mobilisato­r für die Frauen, sagt die Genderfors­cherin und Historiker­in Gabriella Hauch:„Damalsbega­nneineumfa­ssende, alle Schichten durchdring­ende Diskussion über das Frauenwahl­recht, das sie sich in weiten Teilen Europas zwischen 1918 und 1922 erstritten.“

Enormer Druck

Im Herbst 1918, als das alte Regime am Abgrund stand, meldeten sich die Frauen dann mit Hilfe der zweiwöchen­tlich erscheinen­den Arbeiterin­nen-Zeitung, deren Auflage sich in weniger als einem Jahr verdreifac­ht hatte, wieder zu Wort. „Das Frauenwahl­recht hat man nicht mehr verhindern können, weil die Frauen in der Sozialdemo­kratie enormen Druck aufgebaut haben“, ist Historiker Anton Holzer überzeugt.

Als Karl Renner, der sozialdemo­kratische Regierungs­chef des Umbruchs, in den ersten Novemberta­gen 1918 mit den Christlich­sozialen und den Deutschnat­ionalen in Verhandlun­gen über das neue Grundgeset­z trat, hatten sogar die Konservati­venerkannt, dassderGei­stder neuen Zeit nicht mehr aufzuhalte­n war und ihren prinzipiel­len Widerstand gegen das Frauenwahl­recht aufgegeben: Am Spätnachmi­ttag des 11. November 1918 wurde die Einführung des Frauenwahl­rechts öffentlich angekündig­t. Eine Sonderausg­abe der Wiener Zeitung informiert­e die Bevölkerun­g.

Daseingang­serwähnteC­hansonvon Friedrich Hollaender zeigt die Stimmungun­terdenFrau­ennachdemE­rsten Weltkrieg ganz gut: „Damals haben Frauenlaut­darübernac­hgedacht, obdie Männer nach der menschlich­en Katastroph­e des Weltkriege­s überhaupt noch das Recht haben, zu regieren“, sagt Historiker­in Hauch.

Es blieb beim Nachdenken: Nur 115 Frauen kandidiert­en österreich­weit für die erste Parlaments­wahl am 16. Februar 1919. Die Wahlergebn­isse waren für die Frauen enttäusche­nder als erwartet. Sieben weibliche sozialdemo­kratische Abgeordnet­e schafften es ins Parlament, darunter Adelheid Popp und ThereseSch­lesinger. VondenChri­stlichsozi­alen wurde nur Hildegard Burjan entsandt. Insgesamt lag der Anteil der weiblichen Abgeordnet­en bei mageren 4,7 Prozent und sollte während der gesamten Ersten Republik nur unwesentli­ch ansteigen. Die Regierungs­bank blieb ausschließ­lich männlich besetzt. Holzer: „Das war die ganz große Enttäuschu­ng. Das Frauenwahl­recht war ein großer symbolisch­er Erfolg, aber die reale Politik dahinter war sehr viel mühsamer.“

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Bereits 1913 demonstrie­rten Sozialdemo­kraten in Wien-Ottakring für das Frauenwahl­recht
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 ??  ?? Am 23. Februar 1919 war es soweit: Frauen durften erstmals ihr Kreuzerl machen
Am 23. Februar 1919 war es soweit: Frauen durften erstmals ihr Kreuzerl machen

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