Wer ist hier das Gewohnheitstier?
Trennung auf Zeit. Es ist ziemlich eindeutig, wer da gerade wen mehr vermisst.
Der große Theatermann George Tabori soll einmal den Ausspruch getan haben: „Wo mein Bett steht und meine Bücher sind, da bin ich zu Hause.“
An diese Worte musste ich unlängst denken, alsichdiemittelgroßeBeaglehündin Daria beobachtete. Allerdings in leicht abgewandelter Form: „Wo mein Bett steht und meine Kaustäbchen sind, da bin ich zu Hause.“
Daria ist zwar keine berühmte Regisseurin (auch wenn sie in meinem Leben gern die Handlungsfäden zieht), doch auch sie ist mitunter auf Tournee. Sie schläft dann auswärts, bei Menschen, die sie lieben, und weint mir angeblich kein Schnaufen und kein Seufzen nach.
Vor Kurzem war es wieder so weit. Ich kam überraschend ins Krankenhaus, wurde operiert , war zwar bald wieder auf den Beinen, meine Naht aber nicht leinenrucktauglich. Also bin ich Daria derzeit nicht gewachsen (ob ich das hinterher, im geflickten Zustand, sein werde oder davor je warundobmanseinemBeaglealsMensch überhauptjegewachsenist, darüberunterhalten wir uns bei anderer Gelegenheit grundsätzlich).
Daria muss also derzeit ohne mich auskommen. Oder besser gesagt, ich ohne sie: Während ich mich ständig dabei ertappe, wie ich gewohnheitsmäßig überprüfe, ob frisches Wasser in ihrer Schüssel ist, ob ihr Schaffell eh in der Sonne liegt und ob sie schon raus muss, fühlt sich Daria dort daheim, wo sie gerade ist.
Dann kam sie mich besuchen, und ich musste lachen. Denn sie tat so, als wären wir gerade von einer Parkrunde heimgekehrt: Einmalschütteln, umdieEckeindie Küche biegen, Futterschüssel kontrollieren, etwas Wasser trinken, rüber zum Schaffell, Kaustäbchen entdecken und sichdamitaufdenBauchplumpsenlassen. Angekommen. Zufrieden.
Schön, wenn sich ein Hund der Liebe seinerMenschensosicherist, dasserniein Panik geraten muss, wenn sie einmal nicht da sind. Ich bin da weniger flexibel und mehr Gewohnheitstier als Daria: Beim ärztlichverordnetenlangsamenSpazieren halte ich ständig nach ihr Ausschau, weil ich seit acht Jahren nie ohne sie „spazieren“war. Wozu auch? Es ist ein verwirrender Zustand. Falls Ihnen also beim Spazierengehen eine Frau ohne Hund begegnet, die ihren Hund ruft, keine Sorge, das bin nur ich.