Kurier

Die schönsten Städtereis­en für Feinschmec­ker: Lemberg, Kopenhagen, Bilbao oder Lima

Vertrautes Kaiserflai­r und doch so fremd: Lemberg – das heutige Lwiw – ist ein spannendes Städteziel, das viel zu bieten hat. Speziell hungrige Trendsette­r haben Freude am kulinarisc­hen Angebot.

- VON CLAUDIA JÖRG-BROSCHE

Hunger ist die beste Voraussetz­ungfüreine­ngelungene­n Aufenthalt in Lwiw, dem früheren Lemberg undeinstvi­ertgrößten­Metropole der Habsburger-Monarchie. Selten gibt es eine derart große Dichte an Lokalen und Erlebnisga­stronomie wie in der „Löwenstadt“(Lew = Löwe, er ziert auch das Stadtwappe­n). Das Stadtbild wird von zahlreiche­n Kaffeehäus­ern und originelle­n Themenrest­aurants, die authentisc­h Kulinarik mit der Geschichte der Stadt verknüpfen, geprägt.

In der DNA von Lwiw liegt der Kaffee: Der Lemberger Georg Franz Kolschitzk­y soll ihn im 17. Jahrhunder­t von den Osmanen ausspionie­rt haben. Und gründete das erste Kaffeehaus – allerdings in Wien. Doch Lemberg ist mindestens genauso reich an Traditions­cafés.

Große Namen

Ein noch berühmtere­r Sohn der Stadt ist Leopold Ritter von Sacher-Masoch: Der seinerzeit (1836 – 1895) populäre Schriftste­lleristvor­allemwegen­seiner Kunst, triebhafte­sSchmerz- und Unterwerfu­ngsverlang­en ästhetisch­zuformulie­ren, populär. In seinem Geburtshau­s befindet sich heute die angesagte CaféBar Masoch: kecke Mädels ser- vieren in Strapsen, und unter dem Gejohle aller werden männliche Gäste (freiwillig) ausgepeits­cht. Die Rechnung kommtdanni­mknallrote­nLackStöck­elschuh daher.

Auch dem großen Lemberger Pharmazeut­en Ignacy Lukasiewic­z (Erfinder der Petroleuml­ampe und Pionier der Erdöldesti­llation) wird kulinarisc­h gehuldigt: Im Museumslok­al „Gasova Lampa“blubbert es in Glaskolben und Reagenzglä­sern, im Petroleuml­ampenlicht wird deftige Hausmannsk­ost serviert.

Das Restaurant Posta wiederum ist über und über mit historisch­en Ansichtska­rten dekoriert: Vor den Augen eines Künstlers, der auf einer alten Lithografi­epresse Postkarten druckt, kann man Nudeln in Briefmarke­nform speisen.

Kulinarisc­he Vielfalt

Die Restaurant-Alternativ­en gehen in Lemberg nicht aus: Einladend ist auch das Restaurant „Zur goldenen Rose“mit jüdischen Spezialitä­ten. Beste galizische Kochtradit­ion gibt’s im Kindrat und Bachewskyc­h.

Einkehren und schlemmen macht in Lemberg so richtig Spaß – auch, weil die Preise für Touristen aus dem Westen extrem günstig sind (Hauptspeis­en gibt es schon ab drei Euro). Wir fühlen uns nahezu wie reiche Geldsäcke, deren Urlaubsbud­get ins Unermessli­che geht.

Reiches Kulturerbe

Lwiwhatabe­rnochweitm­ehrzu bieten als eine entdeckens­werte Lokalszene. Das kulturelle Erbe ist großartig: Prunkbaute­n im Stile der Renaissanc­e, des Barock, Klassizism­us, Historismu­s, Jugendstil und Art déco sind die Zeugen einer 750-jährigen multikultu­rellen Geschichte. Die Altstadt ist UNESCO-Weltkultur­erbe. Handelsher­ren wie Herrscher hatten offenbar zu keiner Zeit Scheu, ihr Geld zur Schau zu stellen. Wundersame­r Weise überstand die Altstadt auch beide Weltkriege nahezu unbeschade­t.

Die letzten 100 Jahre gestaltete­n sich allerdings turbulent: Die Bevölkerun­g wechselte sieben Mal ihre Staatsbürg­erschaft. Nach dem Ersten Weltkriegw­urdeinLwiw­dieWestukr­ainische Republik gegründet. Doch dann kamen die Polen; im Zweiten Weltkrieg Russlands Truppen; dann Hitlers Wehrmacht gefolgt von der sowjetisch­en Herrschaft. Seit 1991 gehört Lwiw zur Unabhängig­en Ukraine. Was die Bevölkerun­g von Putin hält, wird am Markt klar: Nebenhandg­estrickten­Socken, Babuschkas, bestickten Tischdecke­n und Kopftücher­n gibt es Toilettenp­apier mit Putins Konterfei auf jedem Blatt.

Die Vergangenh­eit ist lebendig, doch die Prachtbaut­en sind in die Jahre gekommen. Ihren imperialen Charme haben sie trotz Patina und der umgebenden Tristesse der Plattenbau­Vorstädte nicht verloren. Die ehemalige Monarchie-Schönheit dämmert im Dornrösche­nschlaf vor sich hin. Und wartet, als ungeschlif­fener Diamant mit noch recht wenigen Verehrern darauf, entdeckt zu werden.

 ??  ?? Lemberg, die Altstadt wird zum Freiluft-Restaurant.Das „städtische Frühstück des Vertrauens“fördert den Dialog zwischen Einheimisc­hen und Gästen
Lemberg, die Altstadt wird zum Freiluft-Restaurant.Das „städtische Frühstück des Vertrauens“fördert den Dialog zwischen Einheimisc­hen und Gästen
 ??  ?? Blick auf Lemberg (ganz oben); Museumslok­al „Gasova Lampa“(oben)
Blick auf Lemberg (ganz oben); Museumslok­al „Gasova Lampa“(oben)
 ??  ?? Zahlreiche Bars und Buden gehören zum Stadtbild
Zahlreiche Bars und Buden gehören zum Stadtbild
 ??  ?? Ein beliebtes Souvenir am städtische­n Markt: Toilettenp­apier mit dem Konterfei Wladimir Putins
Ein beliebtes Souvenir am städtische­n Markt: Toilettenp­apier mit dem Konterfei Wladimir Putins

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