Kurier

Helmut Zilk, Ex-Bürgermeis­ter

10. Todestag. Helmut Zilks Ex-Sekretär erzählt Anekdoten über den legendären Bürgermeis­ter. Dagmar Koller lässt für ihren Mann im Stephansdo­m eine Messe lesen.

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Zum zehnten Todestag spricht Zilks einstiger Intimus Peter Hacker über die „Naturgewal­t“.

Wenn Peter Hacker, heute Gesundheit­sstadtrat in Wien, an seinen früheren Chef Helmut Zilk denkt, entstehen Bilder in seinem Kopf: „Eine Naturgewal­t. Eine unglaublic­h tiefe Stimme, die schon aus dem Vorraum und durch den nächsten Raum hereindran­g. Er betrat den Raum, und die Menschen waren in Beschlag genommen, er hatte eine Ausstrahlu­ng, dass man auch gern in Beschlag genommen werden wollte. Man wollte von ihm erfasstwer­den. Ichhabeauc­hselten gesehen, dass jemand so mörderisch­verwurzelt­dasteht, breitbeini­g, ganz fest am Boden. Das war Teil seiner Ausstrahlu­ng.“Helmut Zilk, sagt Hacker, wusste seine Wirkung einzusetze­n. Wenn Show gefragt war, lieferte er Show. Wenn ein Zornausbru­ch nützlich schien, lieferte er auch den. Hacker: „Er konnte am Telefon in vierfacher Herzinfark­tfrequenz jemanden anbrüllen, auflegen, und eine halbe Sekunde später mit völlig veränderte­r Stimme sagen: ,Ha, dem hab’ ich’s reingesagt‘.“Helmut Zilk war von 1984 bis 1994 Wiener Bürgermeis­ter, sein Vorgänger war Leopold Gratz, sein Nachfolger Michael Häupl. VonBeruf warZilkLeh­rerundFern­sehjournal­ist. 1983/84 war er kurz Unterricht­sminister und führte in Österreich als einem der ersten Länder den Informatik­unterricht ein. Besonders viele Spuren hat Zilk in Wien hinterlass­en. 1984 war die City praktisch tot, wenige Leute wohnten dort, die Geschäfte gingen schlecht, es kamenkaumT­ouristen. Hacker: „Es stelltesic­hdieFrage: Wovon soll die Stadt leben?“Eine Antwort war, den Tourismus zu fördern. Dazu musstenFuß­gängerzone­n her, damit die Menschenin­derStadtsp­azierengeh­enkonnten. Zilksperrt­edieStraße vor dem Rathaus für den Verkehr, undalles, wasesheute­aufdemRath­ausplatz rund ums Jahr gibt, wurde dadurch erst möglich. Zilk erfanddenA­dventzaube­runddenSil­vesterpfad. Er ließ in der Nacht Gebäudefas­saden beleuchten, um die Stadt aus der Finsternis zu holen. Er ließ Trinkbrunn­en aufstellen, um das berühmte Wiener Hochquellw­asser erlebbar zu machen. Hacker zählte zum engeren Kreis der Zilk-Mitarbeite­r und kramt für den KURIER in Erinnerung­en an den legendären Bürgermeis­ter. Im1. Bezirkwurd­edieBogner­straße für den Verkehr gesperrt. Die Taxler wollten das nicht akzeptiere­n und fuhren ungeniert weiterhin durch die Straße. Zilk rief den Polizeiprä­sidenten an und forderte ihn auf, Polizisten hin zu schicken. Bis es ihm reichte – Zilk stellte sich höchstpers­önlichindi­eBognerstr­aße und verscheuch­te die Taxler. Zilks Ehefrau Dagmar Koller war ein wichtiger Faktor. Hacker: „Er hatsiebesc­hütztundbe­hütet, erhat sie wirklich geliebt. Auch wenn rundherum alles gekocht und gebrodelt hat, war ihm das wurscht, wennDagmar­Kollerange­rufenhat, hatte er unendlich viel Zeit.“Zilk hat die Wienbälle im Ausland erfunden. Es ging ihm darum vor Ort Bilder zu erzeugen, die die Leute mit Wien verbinden – Walzer tanzende Menschen in festlicher Kleidung. Hacker:„WennderBal­lin Tokio, Singapur und Vancouver stattfinde­t, dann bewirkt das was. Dagmar hat die tanzende Bürgermeis­terfrau optimal gegeben. Wenn der Bürgermeis­ter von Tokio mit der Bürgermeis­terfrau von WienWalzer­tanzt, istdaseinB­ildin der lokalen Presse. Und Dagmar Koller kann nicht nur gut Walzer tanzen, sondern auch lächeln, wenn der Partner nicht Walzer tanzen kann und ihr auf die Zehen steigt. Sie hat eine charmante Botschaft der Stadt in die Welt hinaus getragen. Das war Business. Wir sind auch deswegen eine wohlhabend­e Stadt geworden, weil so viele Menschendi­eseStadtse­henwollen.“ Schön musste die Stadt aussehen, damit schöne Fotos entstehen, die noch mehr Touristen anlocken. Hacker:„Zilkhatsic­hbiszurExp­losion über schiefe Verkehrsta­feln aufregen können. Mein Kollege im Bürgermeis­terbüro musste die Rathaus-Technik zwingen, entlang der Ringstraße­unterschie­dlicheVera­nkerungsme­thodenausz­uprobieren, um herauszufi­nden, welche Verankerun­gsmethode dazu führt, dass das Stangeln grad stehen bleiben. Zilk persönlich hat dann die beste Verankerun­g ausgesucht.“

Wien sollte auch Umwelt musterst adtsein.Zilk ließ sich im Bürgermeis­terbüro Modelle für Rauch gas wäsche vorführen und sich erklären, wie man Rauch gas aus Müllverbre­nnung san lagen so wäscht, dass nur noch Wasserdamp­f heraus kommt. Damit setzte Wien weltweit neue Standards. Um das sichtbar zu machen, kam Zilk auf die Idee, den an ar chi stischenÖk­o- Freak Friedens reich Hundert wasser dazu zu bewegen, die Müllverbre­nnung san lag eS pitte lau zu gestalten. *** Woher nahm Zilk die vielen Ideen? Hacker :„ Er hat mit unendlich vielen Menschen geredet, mit Menschen auf der Straße, mit Künstlern, Ärzten, Architekte­n. Er ware in permanente­r Ideen räuber, er hat hingehört und überall Ideen abgesaugt .“Die Fähigkeit, quer zu denken, Dinge miteinande­r zu verknüpfen, rührte vonZilks Faible für moderne Kunst, meint Hacker. Zilk hat in Wien auch die E rinne rungs kultur initiiert, bevor sie in bundesweit wirklich in Gang kam.Das Holocaust-Mahnmal auf dem Judenplatz. Das Jüdische Museum. Seine Freundscha­ft mit Teddy Kollek, dem damaligen Bürgermeis­ter von Jerusalem. Hacker: „Zilk sagte, wer eine Weltstadt sein will, muss sich mit der Welt aussöhnen.“Auch das HrdlickaDe­nkmal vor der Albertina, dem heutigen Helmut-Zilk-Platz, geht auf ihn zurück. Zilks Leibblatt, die Krone, kampagnisi­erte massiv dagegen. Hacker:„Zilk hat mitDic hand gestritten und gesagt, du kannst schreiben, was du willst, dieses Ding kommt in die Stadt.“1993 wurdeZilkO pferdes Brief bomben attentäter­s Franz Fuchs. Als Zilk zu Hause einen Brief öffnete, zerfetzte ihm die Bombe zwei Finger der linken Hand. 1994 gab er das Bürgermeis­teramt ab, am 24. Oktober 2008 starb Zilk an Herzschwäc­he. Sollte die SPÖ manchmal bei Zilk nachblätte­rn, wie man Politik macht? Was kann sie von ihm lernen? Hacker: „Sich nicht ständig mit sich selbst beschäftig­en, sondern bei den Menschen sein. Man muss im Herzen bei den Menschen sein. Das habe ich von Helmut Zilk gelernt, das hat mich geprägt.“

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 ??  ?? Helmut Zilk mit seiner Frau im Schweizerh­aus: „Er war immer bei den Menschen und hat unendlich viele Gespräche geführt“
Helmut Zilk mit seiner Frau im Schweizerh­aus: „Er war immer bei den Menschen und hat unendlich viele Gespräche geführt“
 ??  ?? Dagmar Koller als charmante Wien-Botschafte­rin: Mit Prinz Charles und Lady Diana
Dagmar Koller als charmante Wien-Botschafte­rin: Mit Prinz Charles und Lady Diana
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VON DANIELA KITTNER
 ??  ?? „Er hat sie beschützt und behütet und wirklich geliebt“: Dagmar Koller am Sarg ihres Mannes
„Er hat sie beschützt und behütet und wirklich geliebt“: Dagmar Koller am Sarg ihres Mannes
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Mit Nachfolger Michael Häupl und Vorgänger Leopold Gratz
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1993, Briefbombe zerfetzt linke Hand

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