Marc Janko, Fußballer
Marc Janko. Der 35-jährige Stürmer von Lugano spricht über die ÖFB-Struktur, das nahende Karriereende, den Gehaltswahnsinn im Fußball, Social Media und politische Entscheidungen in Österreich.
Der 35-Jährige über Karriere, Social Media und seine Kritik an den Strukturen im ÖFB.
Er ist ein Fußballer, der immer schon über den Tellerrand hinausgeblickt hat. Seine Karriere als aktiver Kicker neigt sich schön langsam dem Endezu, seinBlickrichtet sich als Vater zweier kleiner Töchter ohnehin immer mehr auf andere Dinge. Marc Janko profitierte zuletzt von VerletzungeneinigerKollegenundkam unverhofft nach einem Jahr Pause wieder zu Nationalteam-Ehren und einem Kurzeinsatz in Dänemark.
Der Stürmer ging im Rahmen des Teamlehrgangs auch verbal in die Offensive, dachte laut über die Verbandsstrukturen nach und forderte diesbezüglich eine sachliche Diskussion. Dem KURIER gegenüber äußerte er konstruktive Ideen und betonte dabei, dass es ihm nur um die Sache geht – also den Fußball.
KURIER: Nach einem Jahr waren Sie wieder eine Woche lang im Kreise der Nationalmannschaft. Wie ist es Ihnen ergangen? Marc Janko: Sehrgut. Michbewegen derzeit viele Sachen. Die Freude übers Wiedersehen, diese positive Wertschätzung auf persönlicher Ebene habe ich nicht erwartet. Wie ich als Mensch wahrgenommen werde, bedeutet mirmehralsjedesgeschosseneTor. VondenKollegen, den Betreuern oder auch den Menschen auf der Straße, die stehen geblieben sind und mir Glück gewünscht haben.
Aber auch privat hat sich einiges bei Ihnen getan.
Ich bin seit kurzer Zeit zweifacher Familienvater von zwei Töchtern. Das lässt dich anders auf Dinge blicken. Darüber hinaus betrachte ich von Lugano aus das politische GescheheninEuropa undÖsterreich. Mir wird nie langweilig.
Ihr Karriereende erscheint am Horizont. Spüren Sie Wehmut?
Nein. Irgendwie freue ich mich auf die Zeit danach. Grundsätzlich habe ich mich aber entschlossen, mein Karriereende im Verein und im Team offen zu lassen. Im Nationalteam habe ich es nicht in meine Hände gelegt, weil ich dem ÖFB und auch Marcel Koller ewig dankbar bin. Ohne Verband und Koller hätte es meine letzten vier, fünf Jahre als Profi in dieser Art und Weise nicht gegeben. DasNationalteamistfürmich seitjehereineehrenvolleVerpflichtung.
Geht es auch um das Gefühl, noch gebraucht zu werden?
Nein, darum geht’s mir nicht, und ja, es ist ein schönes Gefühl, noch gebraucht zuwerden. Ichhatteeinesehr untypische Team-Karriere mit wunderschönen Zeiten. Daher wollte ich aktiv auch kein Ende verlautbaren. Ich fand, das steht mir nicht zu.
Es gab zuletzt wieder heftige Diskussionen um die Strukturen beim ÖFB. Konstruktiv gesprochen: Was soll sich ändern?
Ichfinde, dassdieFragein den Raum gestellt werden darf, ob die Struktur, wie sie jetzt vorherrscht, zukunftsträchtig ist. Das heißt nicht, dass jene davor schlecht war. DerFußballhatsichaber, wie viele Dinge in der Gesellschaft, weiterentwickelt. Ist es da nicht gerechtfertigt, auf einer sachlichen Ebene öffentlich eine Diskussion führen zu dürfen? Natürlich weißich, dasseseinschwieriges Unterfangen ist, weil das Konstrukt so aufgebaut ist, dass jene, die die meiste Macht haben, sich nur selbst abwählenkönnen. Dasistdas Absurde an der Geschichte. Was wünschen Sie sich?
Eine öffentliche, zwar emotionalisierte, aber uneitle Diskussion. Mir geht es dabei ums Wohl des österreichischenFußballs. Ichwürde mir auch mehr Fachkompetenz im ÖFB-Präsidium wünschen. Der Sport und die Professionalität sollen im Vordergrund stehen. Sogar Matthias Sammer hat eine Reform des DFB angeregt. Und da reden wir immerhin vom vierfachen Weltmeister Deutschland.
Warum genau erheben Sie nun wieder das Wort?
Weil es mir, ähnlich wie bei meiner Entscheidung zum passiven Rücktritt aus dem Nationalteam, um das Wohl des Fußballs geht. Ich sage etwas, weil sich sonst verständlicherweise niemandtraut, denMundaufzumachen, weil sonst keiner Interesse hat, Unruhe reinzubringen. Die Spieler sollen sich auf das Sportliche konzentrieren und dürfen durch Unruhe nicht den Erfolg der Mannschaft gefährden.
Können Sie sich vorstellen, sich mit Beteiligten an einen Tisch zu setzen?
Ich fürchte, das ehrlich gemeinte Interesse an einer Reform ist äußerst begrenzt. Es ist mir aber auch wichtig, festzuhalten, dass es bei den Landespräsidentendurchaus auch welche geben mag, denenstetsderFußballwichtiger war als persönliche Befindlichkeiten. Aber eben leider nicht bei allen, wie einige Aktionen in der Vergangenheit vermuten lassen.
Trotzdem, wie könnte für Sie die ideale Struktur aussehen?
Zur Klarstellung: Es ist nicht so, dass die Landespräsidenten gar nicht mitsprechen sollten. Denkbar für michwärendreiStimmenfür die Bundesliga, eine für den ÖFB-Präsidenten und drei für die Landespräsidenten für die Regionen West, Mitte und Ost. Das wäre ein Beispiel. Aktuell sind sie immer in der Mehrheit mit ihren neun Stimmen. Die Verhältnismäßigkeit stimmt für mich nicht zwischen Amateurbereich und Profitum. Leute, die für den wichtigen Amateursport in Österreich zuständig sind, sollten nicht drei Mal soviel Stimmmacht haben wie eine Bundesliga. Über den Profisport zu lesen, ist bei allem Respekt etwas anderes, als ihn tagtäglich erlebt zu haben.
Kritiker fragten zuletzt bei Ihrer Nachnominierung, warum es Österreich Not hatte, einen 35-Jährigen ins Team zurückzuholen. Zurecht?
Diese Stimmen hat es auch schon zu meiner hochaktiven Zeit gegeben. Ich habe mir eine dicke Haut zugelegt, daher akzeptiere ich das. Das Schöne am Fußball ist doch, dass so viele Menschen mitreden können.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Fußballs mit den wahnwitzigen Gehältern? Ist das normal, oder handelt es sich um es eine Blase, die platzen wird?
Auf der einen Seite habe ich Verständnis für die Diskussionen, weil auf der Welt generelleinUngleichgewicht zwischen Arm und Reich herrscht. Umgekehrt ist das unser über Jahrzehnte aufgebautes System. Herrscht Nachfrage, wächst das Produkt. Fußball ist Weltsportart. Natürlich, die Summen sind ein Wahnsinn, gerechtfertigt ist aber, dass die Hauptakteurevielverdienen, wenndasProduktsovielGeld abwirft. Doch das ist untrennbar mit der Wirtschaft verbunden. Man hört, dass in der Bankenszene wieder ein Crash bevorstehen könnte. Das würde regulierend auf den Fußball einwirken. Vielleicht wäre das ganz gesund.