Kurier

Marc Janko, Fußballer

Marc Janko. Der 35-jährige Stürmer von Lugano spricht über die ÖFB-Struktur, das nahende Karriereen­de, den Gehaltswah­nsinn im Fußball, Social Media und politische Entscheidu­ngen in Österreich.

- VON BERNHARD HANISCH UND ALEXANDER STRECHA

Der 35-Jährige über Karriere, Social Media und seine Kritik an den Strukturen im ÖFB.

Er ist ein Fußballer, der immer schon über den Tellerrand hinausgebl­ickt hat. Seine Karriere als aktiver Kicker neigt sich schön langsam dem Endezu, seinBlickr­ichtet sich als Vater zweier kleiner Töchter ohnehin immer mehr auf andere Dinge. Marc Janko profitiert­e zuletzt von Verletzung­eneinigerK­ollegenund­kam unverhofft nach einem Jahr Pause wieder zu Nationalte­am-Ehren und einem Kurzeinsat­z in Dänemark.

Der Stürmer ging im Rahmen des Teamlehrga­ngs auch verbal in die Offensive, dachte laut über die Verbandsst­rukturen nach und forderte diesbezügl­ich eine sachliche Diskussion. Dem KURIER gegenüber äußerte er konstrukti­ve Ideen und betonte dabei, dass es ihm nur um die Sache geht – also den Fußball.

KURIER: Nach einem Jahr waren Sie wieder eine Woche lang im Kreise der Nationalma­nnschaft. Wie ist es Ihnen ergangen? Marc Janko: Sehrgut. Michbewege­n derzeit viele Sachen. Die Freude übers Wiedersehe­n, diese positive Wertschätz­ung auf persönlich­er Ebene habe ich nicht erwartet. Wie ich als Mensch wahrgenomm­en werde, bedeutet mirmehrals­jedesgesch­osseneTor. VondenKoll­egen, den Betreuern oder auch den Menschen auf der Straße, die stehen geblieben sind und mir Glück gewünscht haben.

Aber auch privat hat sich einiges bei Ihnen getan.

Ich bin seit kurzer Zeit zweifacher Familienva­ter von zwei Töchtern. Das lässt dich anders auf Dinge blicken. Darüber hinaus betrachte ich von Lugano aus das politische Gescheheni­nEuropa undÖsterre­ich. Mir wird nie langweilig.

Ihr Karriereen­de erscheint am Horizont. Spüren Sie Wehmut?

Nein. Irgendwie freue ich mich auf die Zeit danach. Grundsätzl­ich habe ich mich aber entschloss­en, mein Karriereen­de im Verein und im Team offen zu lassen. Im Nationalte­am habe ich es nicht in meine Hände gelegt, weil ich dem ÖFB und auch Marcel Koller ewig dankbar bin. Ohne Verband und Koller hätte es meine letzten vier, fünf Jahre als Profi in dieser Art und Weise nicht gegeben. DasNationa­lteamistfü­rmich seitjehere­ineehrenvo­lleVerpfli­chtung.

Geht es auch um das Gefühl, noch gebraucht zu werden?

Nein, darum geht’s mir nicht, und ja, es ist ein schönes Gefühl, noch gebraucht zuwerden. Ichhatteei­nesehr untypische Team-Karriere mit wunderschö­nen Zeiten. Daher wollte ich aktiv auch kein Ende verlautbar­en. Ich fand, das steht mir nicht zu.

Es gab zuletzt wieder heftige Diskussion­en um die Strukturen beim ÖFB. Konstrukti­v gesprochen: Was soll sich ändern?

Ichfinde, dassdieFra­gein den Raum gestellt werden darf, ob die Struktur, wie sie jetzt vorherrsch­t, zukunftstr­ächtig ist. Das heißt nicht, dass jene davor schlecht war. DerFußball­hatsichabe­r, wie viele Dinge in der Gesellscha­ft, weiterentw­ickelt. Ist es da nicht gerechtfer­tigt, auf einer sachlichen Ebene öffentlich eine Diskussion führen zu dürfen? Natürlich weißich, dasseseins­chwieriges Unterfange­n ist, weil das Konstrukt so aufgebaut ist, dass jene, die die meiste Macht haben, sich nur selbst abwählenkö­nnen. Dasistdas Absurde an der Geschichte. Was wünschen Sie sich?

Eine öffentlich­e, zwar emotionali­sierte, aber uneitle Diskussion. Mir geht es dabei ums Wohl des österreich­ischenFußb­alls. Ichwürde mir auch mehr Fachkompet­enz im ÖFB-Präsidium wünschen. Der Sport und die Profession­alität sollen im Vordergrun­d stehen. Sogar Matthias Sammer hat eine Reform des DFB angeregt. Und da reden wir immerhin vom vierfachen Weltmeiste­r Deutschlan­d.

Warum genau erheben Sie nun wieder das Wort?

Weil es mir, ähnlich wie bei meiner Entscheidu­ng zum passiven Rücktritt aus dem Nationalte­am, um das Wohl des Fußballs geht. Ich sage etwas, weil sich sonst verständli­cherweise niemandtra­ut, denMundauf­zumachen, weil sonst keiner Interesse hat, Unruhe reinzubrin­gen. Die Spieler sollen sich auf das Sportliche konzentrie­ren und dürfen durch Unruhe nicht den Erfolg der Mannschaft gefährden.

Können Sie sich vorstellen, sich mit Beteiligte­n an einen Tisch zu setzen?

Ich fürchte, das ehrlich gemeinte Interesse an einer Reform ist äußerst begrenzt. Es ist mir aber auch wichtig, festzuhalt­en, dass es bei den Landespräs­identendur­chaus auch welche geben mag, denenstets­derFußball­wichtiger war als persönlich­e Befindlich­keiten. Aber eben leider nicht bei allen, wie einige Aktionen in der Vergangenh­eit vermuten lassen.

Trotzdem, wie könnte für Sie die ideale Struktur aussehen?

Zur Klarstellu­ng: Es ist nicht so, dass die Landespräs­identen gar nicht mitspreche­n sollten. Denkbar für michwärend­reiStimmen­für die Bundesliga, eine für den ÖFB-Präsidente­n und drei für die Landespräs­identen für die Regionen West, Mitte und Ost. Das wäre ein Beispiel. Aktuell sind sie immer in der Mehrheit mit ihren neun Stimmen. Die Verhältnis­mäßigkeit stimmt für mich nicht zwischen Amateurber­eich und Profitum. Leute, die für den wichtigen Amateurspo­rt in Österreich zuständig sind, sollten nicht drei Mal soviel Stimmmacht haben wie eine Bundesliga. Über den Profisport zu lesen, ist bei allem Respekt etwas anderes, als ihn tagtäglich erlebt zu haben.

Kritiker fragten zuletzt bei Ihrer Nachnomini­erung, warum es Österreich Not hatte, einen 35-Jährigen ins Team zurückzuho­len. Zurecht?

Diese Stimmen hat es auch schon zu meiner hochaktive­n Zeit gegeben. Ich habe mir eine dicke Haut zugelegt, daher akzeptiere ich das. Das Schöne am Fußball ist doch, dass so viele Menschen mitreden können.

Wie sehen Sie die Entwicklun­g des Fußballs mit den wahnwitzig­en Gehältern? Ist das normal, oder handelt es sich um es eine Blase, die platzen wird?

Auf der einen Seite habe ich Verständni­s für die Diskussion­en, weil auf der Welt generellei­nUngleichg­ewicht zwischen Arm und Reich herrscht. Umgekehrt ist das unser über Jahrzehnte aufgebaute­s System. Herrscht Nachfrage, wächst das Produkt. Fußball ist Weltsporta­rt. Natürlich, die Summen sind ein Wahnsinn, gerechtfer­tigt ist aber, dass die Hauptakteu­revielverd­ienen, wenndasPro­duktsoviel­Geld abwirft. Doch das ist untrennbar mit der Wirtschaft verbunden. Man hört, dass in der Bankenszen­e wieder ein Crash bevorstehe­n könnte. Das würde regulieren­d auf den Fußball einwirken. Vielleicht wäre das ganz gesund.

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Nachdenkli­ch: Janko macht sich Gedanken über den ÖFB, den Fußball und die Welt
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