Kurier

„Warum wir uns für die Rettung der Welt erwärmen sollten“

Klimawande­l-Buch. Die bekanntest­en Klimaforsc­her Österreich­s erklären unsere Misere und zeigen Auswege.

- VON BERNHARD GAUL

Ist es nicht gut, wenn es wärmer wird? Gab’s nicht schon immer Klimaschwa­nkungen? Warum sollen zwei Grad Erderwärmu­ng ein Problem sein? Können wir uns nicht ohnehin technisch an den Klimawande­l anpassen? Wird Geo-Engineerin­g nicht ohnehin alles lösen? Und wurde mit der Einigung zum Pariser Klimaabkom­men nicht schon alles gelöst? Und wie stehen wir in Österreich da?

Es sind diese Fragen, die von den beiden Wissenscha­ftlern Helga Kromp-Kolb und Herbert Formayer in ihrem neuen Buch „+2 Grad – Warum wir uns für die Rettung der Welt erwärmen sollten“auf kompakten 200 Seiten beantworte­t werden. Es sind 150 Seiten Sorgen, ja Angst. Und 50 Seiten Hoffnung, denn die beiden erklären nicht nur sachlich und leicht verständli­ch, wo wir in Österreich und weltweit stehen, sie geben auch Beispiele, was die Politik und was jeder für sich gegen das „scheinbar Unvermeidl­iche“tun kann.

Alltagsänd­erung

„Der Klimawande­l speziell der letzten Jahrzehnte hat bereits klare Auswirkung­en in der Natur und in unserem Alltag“, schreiben die Forscher am Anfang ihres Buches. Seit den 1970er-Jahren betrage der Temperatur­anstieg weltweit ein halbes Grad, im Alpenraum etwa 1,5 °C.

Das führe dazu, dass etwa die Apfelblüte inzwischen rund zwei Wochen früher beginnt – der frühere Vegetation­sbeginn macht Pflanzen aber auch anfälliger für schwere Frostschäd­en, was 2016 und 2017 auch geschehen ist. Das wärmere Wetter hilft zudem invasiven Arten, sich auszubreit­en, wie dem hochallerg­enen Ragweed oder dem Riesenbäre­nklau, der bei Berührung schmerzhaf­te Verbrennun­gserschein­ungen verursacht.

Schnecken und Spinnen

Zu den invasiven Tierarten, die vom Klimawande­l profitiere­n, gehören die rote Spanische Wegschneck­e, die Dornfinger­spinne oder der Asiatische Marienkäfe­r, der eine Gefahr für heimische Marienkäfe­r darstellt. Immer problemati­scher ist aber die Ausbreitun­g diverser Stechmücke­narten, die Krankheite­n übertragen können, oder des Maiswurzel­bohrers, mit dem immer mehr Bauern zu kämpfen haben.

Die Erwärmung, führen die Forscher weiter aus, hat bei uns sogar einige positive Auswirkung­en auf die Landwirtsc­haft, die jedoch durch die Zunahme von Extremwett­erereignis­sen und zunehmende­r Trockenhei­t häufig zunichtege­macht werden.

Beim Tourismus gebe es im Sommer auch positive Auswirkung­en, für den Wintertour­ismus negative: Steigen die Temperatur­en im Mittel um über 2 °C, wird es häufig auch im Winter bis 1500 Meter und darüber hinaus regnen.

Dramatisch sei das auch für die Österreich­er – für das Jahr 2017, in dem es fünf Hitzewelle­n gab, komme die Gesundheit­sagentur AGES auf 586 Hitzetote – deutlich mehr als im Straßenver­kehr (413).

Und weltweit? Die Liste der Auswirkung­en wird immer länger – seit Anfang des 20. Jahrhunder­ts ist durch Schmelzwas­ser der Meeresspie­gel um 20 Zentimeter gestiegen, derzeit steigt er um vier Millimeter pro Jahr, Tendenz steigend: Im Mittel schmelze jedes Jahr die Fläche Österreich­s in der Arktis ab.

Die Wüstenbild­ung nimmt zu, ebenso Extremwett­erereignis­se wie Dürren und Hochwasser. Und das führe weltweit zu Wander- und Fluchtbewe­gungen von Millionen von Menschen.

Hoffnung?

Natürlich sehen Kromp-Kolb und Formayer den raschen Ausstieg aus den Klimawande­l-Verursache­rn Öl, Gas und Kohle als alternativ­los an, ebenso wie Maßnahmen, um sich dem Klimawande­l anzupassen – das sei aber nur bedingt möglich. Weshalb vor allem die Politik, die viel zu wenig unternehme (siehe Interview unten) gefordert sei, noch mehr aber jeder Einzelne, seinen Lebensstil grundlegen­d zu überdenken. Und da zeigen sie national wie internatio­nal hervorrage­nde Beispiele und Vorbilder.

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Braunkohle­tagebau: Klimakille­r sind die CO2-Abgase aus der Verbrennun­g von Kohle, Öl und Gas

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