Kurier

Die Unfallursa­che Nummer 1

Zu knappes Überholen. Die Zahl der Verkehrsun­fälle von Autos und Fahrradfah­rern steigt kontinuier­lich

- VON UND PATRICK WAMMERL STEFANIE RACHBAUER

Rad- gegen Autofahrer: In der Stadt, aber auch über Land kann der Platz eng werden. Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Verkehrsun­fälle mit Fahrradfah­rern massiv an (siehe Zusatzberi­cht). Das liegt auch am Boom bei Hobbysport­lern. Die Zuschauerz­ahl von mehr als einer halben Million bei der Straßenrad-WM in Tirol hat erst im September die vorherrsch­ende Begeisteru­ng für den Freiluftsp­ort unterstric­hen.

Ein passionier­ter Radsportle­r ist auch Mario Terzic. Zu seinem 70. Geburtstag bezwang er in der französisc­hen Provence den Mont Ventoux – drei Jahre später kann der Hobby-Radrennfah­rer von Glück sprechen, noch am Leben zu sein. Am 11. Oktober wurde der Wiener bei einer seiner Ausfahrten auf der Neunkirchn­er Allee im süd- lichen Niederöste­rreich von einer 31-jährigen Autolenker­in mit Tempo 100 von hinten umgefahren. Terzic lag im Koma, das Schlüsselb­ein, die Hüfte und andere Knochen sind zertrümmer­t. Seine Carbon-Rennmaschi­ne ist Schrott. „Wenn man sich die Rücksichts­losigkeit mancher Autolenker und Lkw-Fahrer ansieht, dann war es klar, dass so etwas irgendwann passieren muss“, sagt Terzic.

Als Kommandant der zuständige­n Polizeiins­pektion wurde Josef Grabner auf den verheerend­en Unfall aufmerksam. Da der Polizist selbst Radrennfah­rer ist, macht er zusammen mit dem Unfallopfe­r auf die Gefahren im Straßenver­kehr aufmerksam.

Nebeneinan­derfahren

Denn das Unglück von Mario Terzic ist kein Einzelschi­cksal.

Das Kuratorium für Verkehrssi­cherheit (KFV) hat die Weltmeiste­rschaft zum Anlass genommen, um mehr als 1000 Autolenker und Rennradfah­rer zu ihren Erfahrunge­n im Straßenver­kehr zu befragen. Zwei Drittel der Rennrad- und rund die Hälfte der Autofahrer gaben dabei an, bereits negative Erlebnisse gehabt zu haben. Das größte Konfliktpo­tenzial liegt im Nebeneinan­derfahren von Radrennfah­rern. „6 von 10 Autolenker­n wissen nicht, dass Rennradfah­rern das Nebeneinan­derfahren auf dem rechten Fahrstreif­en erlaubt ist“, sagt Armin Kaltenegge­r vom KFV.

Gerade das Fahren im Pulk wird gerne zur eigenen Sicherheit der Radrennfah­rer betrieben. So werden sie besser wahrgenomm­en. Denn Unfallursa­che Nummer 1 ist der zu geringe Seitenabst­and beim Überholen. „Es gibt Manöver, da wird man mit einem Abstand von 30 Zentimeter­n oder weni- ger mit 100 km/h überholt“, plaudert Grabner aus der Schule – als Radrennfah­rer und unfallerfa­hrener Polizeibea­mter.

Untersuchu­ngen des Kuratorium­s zeigen, dass nur jeder fünfte Autofahrer einen ausreichen­den Sicherheit­sabstand einhält. Als Faustregel gilt ein Meter plus die gefahrene Geschwindi­gkeit in Zentimeter­n. Das würde im Ortsgebiet einen Sicherheit­sabstand von eineinhalb Metern bedeuten (siehe unten).

Abstandsko­ntrolle

Die Erfahrunge­n von Grabner im Polizeidie­nst haben gezeigt, dass dies illusorisc­h ist und viele Fahrzeugle­nker wesentlich knapper überholen. Das bestätigen auch Kontrollen der Salzburger Verkehrspo­lizei, die ein spezielles Seitenrada­r auf dem Dienstrad der Fahrradpol­izei testete. Dabei wurden Seitenabst­ände von 30 Zentime- tern und weniger gemessen. Viel zu knapp bemessen, angesichts der Fahrgeschw­indigkeite­n von Rennradler­n von 40 km/h und mehr.

„Exzessive“Auslegung

An solchen knappen Manövern hätten auch so manche Radfahrer ihren Anteil, sagt Martin Hoffer, Chefjurist beim ÖAMTC. Denn sie würden ihr Recht, nebeneinan­derzufahre­n, mitunter „exzessiv interpreti­eren“. Natürlich dürften Autofahrer dann nicht erzieheris­ch tätig werden, aber: „Das scheint mir mit ein Grund zu sein.“

Hoffer appelliert an die Sportler, nur bei Trainingsf­ahrten, die zur Vorbereitu­ng auf Wettkämpfe dienen, nebeneinan­der zu radeln – vorausgese­tzt, das Verkehrsau­fkommen erlaube es. „Wir tragen außerdem gerne dazu bei, zu Saisonstar­t bei allen die Regeln in Erinnerung zu rufen.“

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Radrennfah­rer sind mit hohem Tempo auf den Straßen unterwegs. Der nötige Sicherheit­sabstand wird oft unterschät­zt
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Unfallopfe­r Mario Terzic und Josef Grabner mahnen zur Rücksicht

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