Kurier

Protest am Podest

Vor fünfzig Jahren sorgten zwei amerikanis­che Leichtathl­eten weltweiten Skandal. Dass Sportler mit Gesten auf Missstände mit ihrem Protest auf dem olympische­n Podest für einen aufmerksam machen, ist keine Seltenheit

- TEXT: GÜNTHER PAVLOVICS INFOGRAFIK: MANUELA EBER

Es ist eines der Bilder, die fast jeder Mensch kennt. Ein Foto von Sportlern, das weit über den Sport hinaus bekannt ist. Es wurde zu einer Bildikone des 20. Jahrhunder­ts. Bei einer Siegerehru­ng der Olympische­n

Spiele in Mexiko stehen zwei Afroamerik­aner auf dem Stockerl. Der Mann i n der Mitte streckt seinen rechten Arm i n die Höhe, die Hand i n einem schwarzen Handschuh und zur Faust geballt. Rechts neben i hm ein Mann mit der gleichen Geste, nur mit dem linken Arm. Es war der 16. Oktober 1968, an dem Tommie Smith die Goldmedail­le über 200 Meter gewonnen hatte, sein amerikanis­cher Landsmann John Carlos hatte Bronze geholt. Die Geste war als Protest gegen die Rassendisk­riminierun­g

in den USA gemeint. Ein halbes Jahr nachdem Martin Luther King auf dem Balkon von Lorraines Motel i n Memphis erschossen worden war, wollten die beiden ein Zeichen setzen für die Menschenre­chte schwarzer Amerikaner. Die Leichtathl­eten wurden daraufhin aus dem Team geworfen und durften nie wieder einen Wettkampf bestreiten. Die beiden Sportler mussten damals sofort die Mannschaft und das olympische Dorf verlassen.

IOC-Präsident Avery Brundage sprach den Bann aus. Der hatte 1936 – als Boss des US-Olympia-Teams – allerdings nichts dabei gefunden, den Hitlergruß zu zeigen. Beide Sportler wurden zu Ikonen der schwarzen Bürgerrech­tsbewegung. „Ich wusste, dass es etwas bewirken wird, aber ich wusste nicht, wie weit das gehen würde“, sagte Smith, der promoviert­e Soziologe und Hochschull­ehrer im Ruhe- stand. Smith erhielt Anfang dieses Jahres den Dresdner Friedenspr­eis. Der 74-Jährige sagt: „Ich habe mein Leben lang dafür bezahlt.“Die Frau von Carlos beging Selbstmord, die erste Ehe von Smith ging in die Brüche. Beide hatten jahrelang Probleme, ihr Leben zu finanziere­n. Der damals zweitplatz­ierte Peter Norman, ein Weißer aus Australien, hatte seine Solidaritä­t mit dem Tragen eines Badges für das „Olympische

Projekt für Menschenre­chte“(OPHR) gezeigt. Im damals ebenfalls noch von Rassentren­nung geprägten

Australien war auch

Norman geächtet. Erst im Jahr 2012, sechs

Jahre nach dem Tod

Normans, dessen Sarg von Smith und Carlos getragen worden war, gab es im Australisc­hen Parlament eine offizielle Entschuldi­gung – die dann vom Australisc­hen

Olympische­n

Komitee prompt angefochte­n wurde. Tommy Smith und John Carlos wurden mittlerwei­le in die Ruhmeshall­e der Leichtathl­etik aufgenomme­n.

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