Regierungsjuristen kritisieren Kassenfusion
Selbstverwaltung. Verfassungsdienst: Weisungsrecht der Ministerin könnte verfassungswidrig sein
Dass die Opposition, die Gewerkschaft und Externe ein Regierungsvorhaben kritisieren, ist erwartbar. Bitter ist jedoch, wenn die Kritik von den eigenen Beamten kommt. So geschehen ist das jüngst in Bezug auf die geplante Reform der Sozialversicherungen.
Der Verfassungsdienst – früher angesiedelt im Bundeskanzleramt, nun im Justizministerium – schreibt in einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf, dass das geplante Weisungsrecht der Sozialministerin gegenüber dem künftigen Dachverband der Bundesverfassung widersprechen könnte. Laut Verfassung haben Selbstverwaltungskörper nämlich „das Recht, ihre Aufgaben in eigener Verantwortung frei von Weisungen zu besorgen“. Eine Ausnahme, also ein Weisungsrecht, gibt es schon jetzt in Bezug auf Rechnungslegung bzw. statistische Nachweise.
Ist Parität erlaubt?
Zuletzt lief die Gewerkschaft gegen die geplante Parität in den Kassengremien Sturm. ÖGB-Chef Wolfgang Katzian sieht darin eine Verdrängung der Arbeitnehmervertreter und befürchtet „das Ende der Selbstverwaltung“.
Derzeit wird der Kassenvorstand aus zwölf Vertretern auf Dienstnehmer- und drei auf Dienstgeber-Seite ge- bildet. Die Versicherten sind also klar in der Mehrheit.
Künftig sollen es aber sechs Repräsentanten pro Seite sein. Juristen sind sich uneinig, ob dies verfassungswidrig ist: Während Verfassungsjurist Bernhard Raschauer am Samstag im KURIER da kein Problem sah, präsentierte die nö. Gebietskrankenkasse am Montag ein Gutachten des ExVerfassungsrichters Rudolf Müller (auf SPÖ-Ticket), der sagt, ein 1:1-Verhältnis scheide „jedenfalls als verfassungswidrig aus“.
Eine Verfassungswidrigkeit erkennen Kritiker auch darin, dass die Beitragsprüfung künftig nicht mehr von den Kassen, sondern von der Finanz als übergeordnete Stelle erledigt werden soll.
Finanzminister Hartwig Löger vermutet hinter den negativen Stellungnahmen vor allem eine „Sorge der Funktionäre um den eigenen Einfluss“. Durch die Zusammenlegung der zehn Prüfungseinheiten auf eine zentrale Stelle mit einheitlicher Rechtsauslegung erhofft sich Löger mehr Effizienz. Das würden Gutachten der Finanzprokuratur (als Anwalt der Republik) und eines Salzburger Uni-Professors bestätigen, erklärt der Minister.
Zur Kritik des Rechnungshofes, dass die Reform nicht das gewünschte Einsparungspotenzial habe, sagte Löger, es werde noch Korrekturen geben, so sie „sinnvoll und notwendig“seien. Er gehe davon aus, dass das Sozialministerium die Zahlen noch transparenter ausarbeiten werde.
Das Gesetz soll noch überarbeitet und schon am Mittwoch im Ministerrat beschlossen werden, dann fehlt nur noch ein Beschluss im Nationalrat.