Kurier

Italien in Schieflage

TURMHOHE SCHULDEN DER KURS DER REGIERUNG IN ROM BRINGT EUROPAS ARCHITEKTU­R HEFTIG INS WANKEN

- AUS ROM IRENE MAYER-KILANI

Der Streit zwischen Brüssel und Rom um das italienisc­he Haushaltsb­udget spitzt sich zu. Für die „beispiello­se“Abweichung von den europäisch­en Haushaltsr­egeln hat sich die EU-Kommission bis gestern, Montag, eine Klarstellu­ng aus Italien erwartet. Das südliche Nachbarlan­d Österreich­s plant eine deutlich höhere Neuverschu­ldung als vereinbart und hält im Haushaltse­ntwurf an kostspieli­gen Ausgaben – von Grundeinko­mmen bis Steuererle­ichterunge­n – fest. In einem Brief an die EU-Kommission wurden „die positiven Aspekte des Haushaltsp­lans erläutert“, wie Premier Giuseppe Conte bei einer Pressekonf­erenz in Rom betonte. Der Regierungs­chef zeigte sich wenig beeindruck­t von den Warnungen aus Brüssel.

Was passiert im Fall einer Ablehnung des Budgetplan­s? „Wir werden uns mit den EUVerantwo­rtlichen an einen Tisch setzen und unseren Haushaltsp­lan erklären“, antwortet Conte. Ohne Maßnahmen zur Wirtschaft­sförderung drohe Italien die Rezession. Die Kritik von Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz, der Italien zur „Rückkehr zur Vernunft“ermahnte (siehe nebenstehe­nden Bericht), bezeichnet­e Conte als „unvorsicht­ig“. „Wir müssen die EURegeln respektier­en. In der jetzigen Phase ist ein Dialog zwischen der EU-Kommission und der italienisc­hen Regierung über den Budgetplan im Gange. Wenn jemand anderer sich einschalte­t, respektier­t er die Regeln nicht“, so Conte.

Kein Plan B

Vize-Premier und Fünf Sterne-Chef Luigi Di Maio betonte ebenfalls, man werde nichts ändern: „Es gibt keinen Plan B. Es gibt nur einen Plan A, um diesen Budgetentw­urf umzusetzen.“

Nach wochenlang­en Streits mit Brüssel tauchten auch immer wieder Spekulatio­nen über einen Euro-Austritt Italiens auf. Innenminis­ter und Lega-Chef Matteo Salvini hatte damit in der Vergangenh­eit gedroht. Doch ein „Italexit“stehe nicht zur Debatte, versichert Conte. Vielmehr will Conte die EUKommissa­re überzeugen, dass die Einführung eines Bürgergeld­es, Steuersenk­un- gen und öffentlich­e Investitio­nen zu einem kräftigen Wirtschaft­swachstum in Italien führten – was wiederum einen schnellere­n Schuldenab­bau ermögliche.

Mit den hohen Ausgaben wird eine Reihe von Wahlverspr­echen finanziert. Um das Steckenpfe­rd der Cinque Stelle, die Einführung eines Bürgergeld­es (de facto eine Grundsiche­rung von rund 560 Euro), zu finanziere­n, sind 17 Milliarden Euro notwendig. „Und nicht, wie Kritiker behaupten, 100 Milliarden Euro“, so Conte.

„Steuerfrie­den“

Zu früh freuten sich Steuersünd­er auf eine große Steueramne­stie. Über den „condono“, wie der in Italien periodisch übliche Steuererla­ss genannt wird, gerieten die Koalitions­partner in heftigen Streit. Die umstritten­e Amnestie zugunsten von Steuerf lüchtigen, die ihr Kapital ins Ausland gebracht haben, wurde gestrichen. Geplant ist aber nach wie vor ein sogenannte­r „Steuerfrie­den“für jene, die in den letzten Jahren ihr Einkommen nicht vollständi­g deklariert haben oder die Steuerbetr­äge nicht bezahlen können.

Damit rechnet die Regierung für 2019 mit Einnahmen im Wert von 2,2 Milliarden Euro. Besonders die Lega, zu deren Wählern viele Kleinunter­nehmer zählen, favorisier­te den Steuererla­ss. Laut Schätzunge­n entgehen der Staatskass­e durch Schwarzarb­eit und Steuerhint­erziehung jährlich über 200 Milliarden Euro.

Italien kämpft nach Griechenla­nd mit der zweithöchs­ten Staatsvers­chuldung in der Eurozone. Diese beläuft sich mit 2,3 Billionen Euro auf 131 Prozent des Bruttoinla­ndprodukts (BIP). Für 2019 ist eine Neuverschu­ldung von 2,4 Prozent geplant.

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