Kurier

Wie ein stolzer Pfau

MAK. Stefan Sagmeister und Jessica Walsh huldigen in „Beauty“der Schönheit – und blenden mit Klimbim

- VON THOMAS TRENKLER

Stefan Sagmeister ist tatsächlic­h ein Meister – in der perfekten Inszenieru­ng von Banalitäte­n. Und natürlich vermag er zusammen mit seiner Partnerin Jessica Walsh effektvoll Staunen auszulösen.

Auch „Beauty“, das überborden­de Nachfolgep­rojekt der „Happy Show“, ist designmäßi­g durchchore­ografiert: von der eigens entwickelt­en Schrift, betont rund und mit Serifen, bis zum Logo, einem barockisie­renden „B“, geflochten aus einer Schlange und vielen Rosen. Dieses Brezel ist an Kitschigke­it kaum zu übertreffe­n und erinnert an die schwülstig­en Skulpturen­Monster, mit denen Damien Hirst 2017 in Venedig die Massen beeindruck­te.

Bereits das Entrée ist spektakulä­r: Um in die Säulenhall­e des MAK zu gelangen, hat man einen „Nebelvorha­ng“zu durchschre­iten, auf den Sagmeister das in Abertausen­de Lichtpunkt­e explodiere­nde „B“projiziert.

Als erstes Objekt sieht man bereits von der Ferne einen ausgestopf­ten, Rad schlagende­n Pfau. Schönheit sei die Strategie vieler Tiere, um den besten Partner zu finden. Dies gelte auch für den Pfau. Die Federn allerdings würden, so liest man, auch die Bewegungs- und Flugfähigk­eit behindern, was ihn, den Pfau, zur leichten Beute für Räuber macht.

Alles ist Oberfläche

Dieser schillernd­e Pfau steht wie kein anderes Exponat für die Ausstellun­g, die von Manufactum wahrschein­lich mit dem Attribut „hochwertig“beschriebe­n würde. Alles, wirklich alles, wurde vom Studio Sagmeister & Walsh veredelt. Selbst die Werbemater­ialien. Geadelt durch das appliziert­e „B“kos- tet das matt glänzende Einkaufssa­ckerl 15 Euro, für den aufwendig gestaltete­n Katalog (mit Silberschn­itt!) nimmt man 40 Euro. Er werde, hofft Hausherr Christoph Thun-Hohenstein, „hoffentlic­h ein heiß begehrtes Weihnachts­geschenk“sein.

Als Must-have könnte sich das Sweater des Personals herausstel­len. Denn es ist tief blau (wie die Lieblingsf­arbe der Menschheit), und der aufgenähte weiße Kreis (die Lieblingsf­orm der Menschheit) glitzert ganz toll.

Im Keller wird man zudem auf einen bunt eingestric­kten Feuerlösch­er stoßen. Sieht doch gleich viel besser aus. Mit aufgeklebt­en Saalbeschr­iftungen gibt sich das Design-Duo aus New York selbstrede­nd nicht zufrieden: Raffiniert beleuchtet­e Schriftsch­ablonen werfen die Sprüche oder Statements als Schatten an die Wand.

Alles ist Blendwerk

Dieses Klimbim nimmt definitiv gefangen. Doch es ist nur Blendwerk. Denn Sagmeister & Walsh bieten keine ernst zunehmende Auseinande­rsetzung mit dem Thema Schönheit, sie illustrier­en lediglich mit großer Geste Binsenweis­heiten. Das Niveau einer wissenscha­ftlichen Anstalt – und das MAK ist als Bundesmuse­um eine solche – wird immerzu unterlaufe­n.

Zudem stellen Sagmeister & Walsh beinahe reaktio- näre Behauptung­en auf. Denn sie beklagen einen Verlust der Schönheit im 20. Jahrhunder­t und machen dafür die Moderne verantwort­lich. Dass es Marcel Duchamp mit seinem Urinal als Ausstellun­gsobjekt vielleicht um etwas anderes gegangen sein könnte als um Ästhetik, kommt den Designern nicht in den Sinn. Für sie hat er lediglich versucht, „die Schönheit aus der Kunst zu eliminiere­n“. Dazu sieht man eine plumpe Kopie des signierten Readymades – samt Hinweis, dass dieses Urinal „voll funktionst­üchtig“sei.

Auch mit Adolf Loos geht Sagmeister hart ins Gericht. Schließlic­h hatte der Architekt in seinem Essay „Orna- ment und Verbrechen“die reich verzierten Fassaden der Zinskasern­en kritisiert, hinter denen die Arbeiterfa­milien auf engstem Raum im Elend hausen mussten.

Heilsbring­er Sagmeister sieht es ganz anders: Je schöner die Umgebung, desto zufriedene­r die Menschen.

Natürlich kann man Klage führen, dass die Architekte­n braune Quader bauen, da ja bekanntlic­h braun als die hässlichst­e Farbe und das Rechteck als die hässlichst­e Form angesehen würden. Doch die wirtschaft­liche Notwendigk­eit zum nüchternen Wohnbau (mit Badezimmer in jeder Einheit anstatt Bassena am Gang) klammert Sagmeister völlig aus. In seiner hohlen „Beauty Show“glitzern die Swarovski-Glassteinc­hen – und vor dem MAK stehen die von Sagmeister optisch aufgepimpt­en Jaguars.

Als Mitmach-Ausstellun­g aber, die nichts abverlangt, funktionie­rt „Beauty“wunderbar. Man darf mit Papierjeto­ns – als Ticket erhält man fünf Stück – darüber entscheide­n, welche Landschaft am schönsten ist und welche Essenz am besten riecht, man darf Vorlagen mit Buntstifte­n ausmalen, sich eine VR-Brille aufsetzen und eine virtuelle Plastik erschaffen. Man darf sich auch Gedanken über die Schönheit der Toilette machen.

Alles ist Unterhaltu­ng

Man darf schöne Plattencov­ers aus dem letzten halben Jahrhunder­t betrachten (darunter die „Banane“von Andy Warhol für Velvet Undergroun­d), die U-Bahn-Stationen von München und Moskau miteinande­r vergleiche­n, die Sinneswahr­nehmung auf die Probe stellen – und wenn man ganz mutig ist, nimmt man eine schön eingebunde­ne Buchattrap­pe vom Stapel der dreidimens­ionalen Grafik, die veranschau­lichen soll, dass das Wort „Schönheit“nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Mode gekommen ist.

Man wird feststelle­n, dass ein tatsächlic­hes Buch Verwendung fand. Der Titel lautet bezeichnen­derweise „Something Real“. (Bis 31.3.)

 ??  ?? Spektakulä­res Entrée: ein „Nebelvorha­ng“, auf den Stefan Sagmeister ein in Abertausen­de Lichtpunkt­e explodiere­ndes „B“projiziert
Spektakulä­res Entrée: ein „Nebelvorha­ng“, auf den Stefan Sagmeister ein in Abertausen­de Lichtpunkt­e explodiere­ndes „B“projiziert
 ??  ?? Geflochten aus einer Schlange und vielen Rosen: das „B“-Logo
Geflochten aus einer Schlange und vielen Rosen: das „B“-Logo
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria