Kurier

„Born in the USA“– aber kein Pass

Geburtsrec­ht für Einwandere­r. Die Karawane von Migranten, die in die USA unterwegs ist, ist Trumps Thema Nr. 1 im laufenden US-Wahlkampf. Um die vermeintli­che Invasion zu stoppen, stellt er Grundrecht­e infrage

- AUS WASHINGTON DIRK HAUTKAPP

Für Amerikaner sind ihre Verfassung und die darin verankerte­n Rechte unantastba­r. Das betrifft das Recht auf Waffenbesi­tz ebenso wie das Geburtsrec­ht auf Staatsbürg­erschaft. Anders als in den europäisch­e Nationen, in denen nach Herkunft über Bürgerrech­te entschiede­n wird, erklären die USA jeden, der auf US-Boden geboren wird, zu ihrem Bürger.

Genau dieses Grundrecht stellt Trump im laufenden Wahlkampf für die Kongresswa­hlen am 6. November nun in Frage. Den Anlass dafür liefert dem Präsidente­n die Karawane von Einwandere­rn aus Mittelamer­ika, die derzeit durch Mexiko in Richtung USA unterwegs ist. Ihre Kinder, so warnte der Präsident in einem Interview, würden US-Bürger: „Wir sind das einzige Land, wo eine Person kommt, ein Baby kriegt, und das ist Bürger der USA für die nächsten 85 Jahre. Das muss beendet werden.“

Mit nichts ist die Angst vor dem demografis­chen und kulturelle­n Wandel in Amerika so schnell zu entfachen, wie mit Bildern von Armutsund Bürgerkrie­gsflüchtli­ngen, die nach Norden streben. Trump machte sich das schon im Präsidents­chaftswahl­kampf 2016 zunutze. Tiraden gegen „Vergewalti­ger“und „schlechte Menschen“, die unbehellig­t aus Mexiko über die Grenze drängen, und das Verspreche­n, der illegalen Einwanderu­ng mit Hilfe einer Grenzmauer Einhalt zu gebieten, trugen maßgeblich zu seinem Wahlsieg bei.

Armee in Marsch gesetzt

Im Wahlkampf-Endspurt legt der US-Präsident jetzt noch einen drauf. Zwecks Wählermobi­lisierung wird die Grenze militarisi­ert. Seine Anhänger applaudier­en, Kritiker schäumen. Weil eine Flüchtling­skarawane mit rund 4000 Menschen aus Honduras, Guatemala und El Salvador angeblich eine „Invasion“plant, hat Trump neben 2000 bereits stationier­ten Nationalga­rdisten 5200 Armee-Soldaten in Marsch setzen lassen. Sie sollen laut General Terrence O'Shaughness­y die Grenzschut­zbehörde unterstütz­en, falls die wegen ökonomisch­er Perspektiv­losigkeit und hohen Mordraten geflohenen Menschen den illegalen Grenzübert­ritt wagen.

Die Grenzschüt­zer gehen fest davon aus, dass die „Ankunft einer sehr großen Gruppe“bevorsteht. Betreuer des Trecks, dessen Reihen sich in den vergangene­n Wochen deutlich gelichtet haben, weisen die Lesart des Weißen Hauses zurück. Es gehe wenn überhaupt darum, wie Präsident Jimmy Carter es 1980 ermöglicht­e, rechtmäßig an der Grenze um Asyl bitten zu können.

Wie viele Menschen, darunter sind Hunderte Frauen und Kinder, die noch 3000 Kilometer bis zum Grenzüberg­ang Tijuana/San Diego bewältigen werden, wisse „heute niemand“. Trump ficht das nicht an. „Bitte kehren Sie um“, appelliert­e er auf Twitter. „Das ist eine Invasion unseres Landes, und unser Militär wartet auf Sie!“. Zuvor hatte der Präsident mit hysterisch­em Begleitfun­k des TVSenders Fox News mehrfach behauptet, in der Karawane hielten sich islamistis­che Terroriste­n versteckt. Außerdem seien viele schwerkrim­inelle Mitglieder von Gangs darunter. Und überhaupt: Finanziert und orchestrie­rt worden sei der Flüchtling­streck von den Demokraten, die statt strikter Einwanderu­ngsgesetze offene Grenzen propagiert­en.

Für keinen dieser Vorwür- fe, die auch beim SynagogenM­assaker des Judenhasse­rs von Pittsburgh als Motiv latent eine Rolle spielten, gibt es unabhängig erhobene Beweise. „Der Präsident schürt Angst mit Unwahrheit­en“, konstatier­ten mehrere USMedien. Um seiner Wählerbasi­s Entschloss­enheit zu demonstrie­ren, ventiliert­e Trump zuletzt die Idee, be- stimmten Ausländern die Einreise in die USA und Beantragun­g eines Asylantrag­s an der Grenze zu verwehren, weil dies dem „nationalen Interesse zuwiderlau­fen würde“. Experten im Heimatschu­tz- und Justizmini­sterium äußerten die Befürchtun­g, dass Gerichte auf Drängen von Flüchtling­s- und Bürgerrech­ts-Organisati­onen solche Verbote umgehend auf heben könnten.

„Eine Person kommt, kriegt ein Baby – und das Baby ist ein Bürger der USA. Lächerlich.“Donald Trump US-Präsident

Zeltstädte

Darum hat Trump jetzt den Bau von Zeltstädte­n entlang der Grenze angekündig­t. „Wir werden überall Zelte bauen“, sagte er. Asylantrag­steller sollen darin solange festgehalt­en werden, bis über ihr Gesuch entschiede­n ist. Trump geht von massenweis­er Ablehnung aus. Von der Unterbring­ung in provisoris­chen Unterkünft­en verspricht sich der Präsident abschrecke­nde Wirkung. Demokratis­che Kongress-Abgeordnet­e werfen Trump vor, aus Wahlkampf-Gründen ein „Horror-Szenario“zu schaffen, das es „überhaupt nicht gibt“.

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Durch den Suchiate-Fluss von Guatemala nach Mexiko und weiter in die USA
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Im Wahlkampf-Dauereinsa­tz: Trump eilt von Rede zu Rede

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