Kurier

„Ein guter Abgeordnet­er ist, wer Kompromiss­e schmieden kann“

Angelika Mlinar. Die EU-Abgeordnet­e der NEOS über ihren nahenden Abgang aus Brüssel, Trilog-Gespräche und Politik als „körperlich­e Angelegenh­eit“

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Wer um 8 Uhr 30 an einem grauen Brüsseler Morgen zu einer politische­n Diskussion­sveranstal­tung eilt, muss ein Fan sein: Angelika Mlinar sitzt vorne am Podium – bestens gelaunt und eindeutig energiegel­adener als die überwiegen­d noch müden Zuhörer. Aber Mangel an Energien war noch nie das Problem der österreich­ischen EU-Abgeordnet­en. Für die NEOS zog die quirlige Kärntner Slowenin vor vier Jahren ins EU-Parlament ein. Und gerne wäre die 48-jährige Liberale auch noch nach den EU-Wahlen im Frühjahr geblieben. „Ein Mandat hätte ich mir schon noch vorstellen können“, gibt Mlinar mit Bedauern zu, „aber das wäre nur mit entspreche­ndem Rückhalt in der eigenen Partei möglich gewesen.“

Es ist gerade „StraßburgW­oche“; also jene Tage des Monats, in denen die 751 EUAbgeordn­eten ihre Sitzungen und Abstimmung­en in Frankreich absolviere­n. Begonnen hat der Tag für die NEOS-Abgeordnet­e mit dreistündi­gen Trilog-Verhandlun­gen zum Thema „Risiko-Vorsorge im Elektrizit­äts-Sektor“. Bei Tri- log-Gesprächen versuchen drei Seiten – also Vertreter des EU-Parlaments, der Kommission und der (derzeitig österreich­ischen) Ratspräsid­entschaft eine Lösung zu finden. Im konkreten Fall: Wie soll Europa auf fatale Störungen der Stromverso­rgung reagieren? Erzählen darf die Juristin, die auf Menschen- und Völkerrech­t spezialisi­ert ist, nichts. Trilog-Verhandlun­gen finden immer hinter verschloss­enen Türen statt.

Pinke Solistin

Wie kann man sich als einzige NEOS-Abgeordnet­e neben 750 anderen europäisch­en Parlamenta­riern Gehör verschaffe­n? „Ich bin Mitglied der liberalen Fraktion, und mit insgesamt 68 Mandataren sind wir die viertgrößt­e Gruppe im Parlament“, schildert Mlinar. Bis zum Sommer gilt es für die österreich­ische NEOS-Solistin weiter, politische Allianzen zu bilden. „Das ist anders als in den nationalen Parlamente­n“, schildert die frühere Nationalra­tsabge- ordnete und Ex-Chefin des Liberalen Forums. „Hier giltst du nur als guter Abgeordnet­er, wenn du tragfähige Kompromiss­e schmieden kannst.“

Ihre derzeitige­n Arbeitsber­eiche: Rechtsstaa­tlichkeit, Frauenrech­te, das zukünftige digitale Europa, aber auch Migration und Asyl. Und so packte die temperamen­tvolle Mlinar etliche Male ihre Sachen und reiste dorthin, wo es „brannte“. In die Flüchtling­slager nach Jordanien, Türkei, Lampedusa, ins französisc­he Calais. „Wenn man als EU-Abgeordnet­e auf Missstände hinweist, hat das einiges an Gewicht“, sagt die Abgeordnet­e. Der Kärntner Dialekt schimmert stärker durch, je mehr sie sich in Fahrt redet. In Kärnten aber, bei Mutter und den beiden Brüdern, da spricht sie wie früher immer Slowenisch.

Das Pendeln nach Österreich; die politische­n Kämpfe; die auseinande­rdriftende­n Ansichten zwischen der Abgeordnet­en „draußen“und der Partei daheim – das alles kostet Kraft. „Politik ist zu 80 Prozent körperlich­e Angelegenh­eit“, weiß Mlinar. Deshalb ist für sie Ausdauertr­aining unverzicht­bar. Ebenso wie die Wochenende­n daheim, mit ihrem Partner und den Freunden.

– I. STEINER-GASHI, BRÜSSEL Den ungekürzte­n Originalte­xt lesen Sie auf kurier.at

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Europäisch­e Abgeordnet­e der NEOS: Angelika Mlinar

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