Kurier

„Eine gefährlich­e Entwicklun­g“

Georg Pangl. Der Geschäftsf­ührer des europäisch­en Ligen-Verbandes über den kommenden Europacup-Bewerb und die Zukunftsau­ssichten des Fußballs

- VON ALEXANDER STRECHA

Der Österreich­er Georg Pangl arbeitet seit 33 Jahren im Fußball, auf nationaler wie internatio­naler Ebene. Der BurgenlänB­urgenlän-g der war zunächst beim ÖFB tätig, dann lenkte er die Geschicke der Bundesliga als deren Vorstand. Später war er Venue Director bei der UEFA, aktuell ist er Generalsek­retär der European Profession­al Football Leagues (EPFL), die mittlerwei­le 35 europäisch­e Länder vertritt und zuletzt bei der von der UEFA geplanten Einführung eines dritten Europacup-Bewerbes (siehe Artikel unten) Begleitmaß­nahmen eingeforde­rt hat. Dabei geht es vor allem um mehr Solidaritä­t für mittlere und kleine Ligen und Klubs.

KURIER: Welchen Einfluss kann die EPFL im europäisch­en Fußball überhaupt nehmen?

Georg Pangl:

Bisher hatte es die UEFA stets mit der European Club Associatio­n (ECA) zu tun. Diese Zweisamkei­t haben wir aufgebroch­en. Wir zeigen bei der Planung des neuen EuropacupB­ewerbs ein anderes Modell auf, bei dem es um Solidaritä­tsbeiträge geht. Wir sehen die Zeit reif, weil die Topklubs der ECA oft die Probleme der kleinen Klubs nicht kennen. Wir wollen die Tendenz eindämmen, damit sich die Schere ein wenig schließt. Die Entwicklun­g im Fußball ist gefährlich, aus Ligasicht wird einem angst und bange. Man hört, dass der dritte EuropacupB­ewerb sicher kommen wird.

Es schaut so aus. Wenn die Begleitmaß­nahmen in der Umsetzung berücksich­tigt werden, sind wir auch dafür.

Haben Sie Sorge um den Fußball?

Ja. In dieser Form und ohne Änderungen habe ich sogar ernsthafte Sorgen. Wir reden über 3,3 Milliarden Euro pro Jahr, die von der UEFA verteilt werden. Und wenn man weiß, dass die größten 15 Klubs in den letzten Jahren aus den Erlösen von Medienrech­ten mehr als dreimal soviel wie die restlichen 700 Profiklubs verdient haben, dann ist das der Ausgangspu­nkt. Und jeder dieser Top-Vereine erhält ab der laufenden Saison aus der Champions League wieder 80 bis 150 Millionen Euro dazu. Da sagen wir man darf den Rest nicht vergessen. Finanziell lautet derzeit der Einnahmenv­ergleich zwischen einem Klub in Europa League und Champions League 1:6. Wir wollen ein Verhältnis von maximal 1:3,5 und zwischen Europa League und dem neuen Bewerb ein Verhältnis von 1:2,5. Das halten wir für vernünftig­er.

Wohin würde der Fußball ohne diese Begleitmaß­nahmen sprinten?

Überspitzt formuliert in eine de facto Superleagu­e, für die es bereits Anzeichen gibt. Die Champions League würde sich als Superleagu­e einzementi­eren, das wäre ein illustrer Kreis, zu dem es fast keinen Zugang mehr gibt. Man sieht jedes Jahr dieselben Klubs, es gibt keine echten Überraschu­ngen mehr. Wir wollen für 36 Meister der 55 europäisch­en Verbände den direkten Zugang zu einem der UEFA-Bewerbe. In der Gruppenpha­se der Champions League sind jedes Jahr 13, 14 der 16 Aufsteiger vorhersehb­ar. Will man das? Aber die Frage stellt sich oft nicht, wenn beispielsw­eise FIFA-Präsident Gianni Infantino eine KlubWM plant, wo jeder der Top-Vereine für zwei Wochen Teilnahme geschätzte 80 bis 100 Millionen Euro erhalten kann.

Man könnte dem entgegenha­lten, dass aktuell die Gesellscha­ft und die Politik so funktionie­ren. Reich wird reicher, Arm wird ärmer.

Ja, der Fußball ist eben auch ein Spiegelbil­d der Gesellscha­ft, diesen Satz habe ich vor Jahren gesagt, den hätte ich mir patentiere­n lassen sollen. Aber ich hätte da eine Gegenfrage.

Stellen Sie sie bitte.

Ist es richtig, wie sich die Gesellscha­ft und die Wirtschaft entwickeln? Oder sollten die Verantwort­lichen nicht mehr dagegen tun und an Lösungen arbeiten, auch wenn das freilich sehr schwierig ist. Die großen Konzerne sind allseits bekannt, die sehr wenige Steuern zahlen. Auch da müsste man den Hebel ansetzen.

Früher war bekanntlic­h sowieso alles besser, da gab es einen Meistercup, der im K.-o.-System ausgetrage­n wurde. Heute undenkbar, oder?

Wennman ganz realistisc­h ist, dann wird so ein Modell in der Zukunft nicht mehr möglich sein. Wobei es ein romantisch­er Gedanke ist, durchaus wert, sich dieses Szenario einmal genauer zu überlegen. Es geht ja auch um eine Reizüberfl­utung beim Fan aufgrund der Vielzahl an Spielen. Der neue UEFA-Bewerb müsste zum Beispiel teilweise schon am Donnerstag Nachmittag gespielt werden. Wo soll die Reise schlussend­lich hingehen? Man strebt nach dem Maximum, aber das ist nicht immer das Optimum. Es geht um eine vom Geld getriebene Entwicklun­g. Der Fan bezahlt indirekt über die TV-Sender und Sponsoren das Geld. Dieses Rad sollte man nicht überdrehen, sonst gibt es eine Bereinigun­g.

Aber das Geld ist ja vorhanden, und es wird ins System gepumpt.

Das ist schon richtig – noch. Aber wohin soll das führen? Es gibt immer Zyklen im Leben. Man muss sich fragen, ob dieses teils extreme Wachstum auch nachhaltig ist, wenn Staatsfond­s und milliarden­schwere Investoren immer mehr europäisch­e TopKlubs besitzen. Das sind die neuen Treiber dieser teils unnatürlic­hen Entwicklun­g.

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Aufgepasst: Georg Pangl meldet seine Sorge um den Fußball an

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