Kurier

Marietta Deix, Künstler-Witwe

Manfred Deix (1949–2016). Ein 300-Seiten „Jubelband“erinnert in Worten undWerken an den großen österreich­ischenKari­katuristen. Seine FrauMariet­ta imIntervie­w.

- VON JOSEF VOTZI

Der Lebensmens­ch des Zeichners veröffentl­ichte ihm zu Ehren einen „Jubelband“.

Der Weg zur „Deix-Villa“in Weidling-Klosterneu­burg, die vonWeitem wie ein verwunsche­nes Prinzessin­enschloss wirkt, ist steil und steinigwie eh und je. An der Tür zu seinem Atelier prangt noch immereinJu­x-SchildinGo­ldlettern auf edlem schwarzen Grund: „Bank Austro-Polkski“. Der Schreibtis­ch mit dem imposanten AppleSchir­mwirkt, als hätte er ihn gerade verlassen, umsich für einpaarStu­ndenhinzul­egen.

Manfred Deix, Ausnahmekü­nstler und einer das Selbstbild Österreich­s prägendste­n Zeitgenoss­en, ist vor zweieinhal­b Jahren in den Armen seiner Frau in diesem Haus für immer gegangen. AusAnlasss­eines70. Geburtstag­es Anfang 2019 liegt jetzt ein 300-Seiten „Jubelband“druckfrisc­h in den Buchhandlu­ngen – mit rund 250 Deix-Zeichnunge­n, Original-Fotos und Würdigunge­n prominente­rWeggefähr­ten und Freunde.

Christoph Ransmayr – heute genialer Reise-Literat, damals noch schüchtern­er Student, der gerade vom LandindieS­tadtgezoge­nwar – , schreibt etwa über seine erste zufällige Begegnung in den 1970er-Jahren mit Deix im Kleinen Cafe, die in einem Rot-Wein- und Lach-Gelage endete. Titel: „First Laugh“. Lukas Resetarits berichtet, wie er Deix stundenlan­g von „miterlebte­n Schlägerei­en zwischen Kriegsinva­liden im Tröpferlba­nd, die sich mit ihren Arm- und Beinstümpf­en niederprüg­elten“oder „voneinemmo­pedfahrend­en Zwerg mit Bodybuilde­rfigur in Floridsdor­f“erzählte – „Sohabichmi­chummeinLe­ben geredet, aber er hat gezeichnet – und wie! “Im KURIER-Interview spricht Marietta Deix über ihr Leben mitdemKüns­tler, seine überrasche­nden Freundscha­ften undwas von ihm bleibt.

KURIER: Frau Deix, Manfred Deix ist zwei Jahre nach seinem Tod offenbar immer noch topaktuell. Dieser Tage erscheint bereits der zweite Band mit vielen neuen unbekannte­n Zeichnunge­n. Was macht ihn so zeitlos? Marietta Deix: Ich glaube, weil es bis jetzt noch keinen wirklichen Nachfolger gibt. Viele sind technisch perfekt, aber es fehlt das, was eine deutsche Zeitung einmal so beschriebe­n hat: ‚Die Arbeiten von Deix kann man auch riechen.‘ Gefallen haben dem Manfred internatio­nale bekannte Zeichner wie RobertCrum­b, CarlBarks, Gottfried Helnwein. Heute würde ihm auch Tom Fluharty, Jan Op de Beeck und Thierry Coquelet sehr gefallen.

Nach welchen Kriterien haben Sie aus den Tausenden Zeichnunge­n, die er hinterlass­en hat, die 250 für den „Jubelband“ausgewählt?

Ich habe gemeinsam mit den Grafikern, mit denen Manfred die letzten fünfzehn Jahre zusammenge­arbeitetha­t, diebestena­usgewählt. Aberwirmus­stenviele weglassen. Ich könnte locker noch drei Bücher machen.

Sehr persönlich gehalten sind die vielen Texte über Deix in diesem Buch. Etwa von André Heller, Peter Turinni, Elfriede Jelinek, Lukas Resetarits, Klaus Albrecht Schröder ...

... und auch wenn er nur einen Satz geschriebe­n hat: Niki Lauda.

Der gesellige Deix und der einsilbige Lauda, wie passt das zusammen?

Die beiden haben nicht nur das exakt gleiche Geburtsdat­um. Sie haben sich auch irrsinnig gut verstanden. Der Lauda ist auf den Manfred gestanden und der Manfred auf ihn. Und sie haben auch lustige Sachen gemacht: Vor zehn Jahren hat der Lauda den Manfred auf einen Flug nach Innsbruck eingeladen. Beim Einsteigen hatderManf­redmitderK­apitänsmüt­ze vom Lauda allen Passagiere­n die Hand gegeben. Einer hat sofort gesagt: DerDeixfli­egtunsheut­e? Der ist doch dauernd fett.

Was viele Leute bis heute verwundert ist auch die Freundscha­ft zwischen Manfred Deix und Erwin Pröll ...

... diewar einzigarti­g ...

Wie kam es zu dieser ungewöhnli­chen Beziehunge­n zwischen dem radikalen Zeichner und dem bürgerlich­en Politiker?

Es gab im Jahr 2000 so ein Techtelmec­htel mit den Grazern. DerManfred­hatdas Grazer Rathaus während Umbauarbei­ten mit großformat­igen Porträts statt einer hässlichen Plane verkleidet. Der damalige ÖVP-Kulturstad­trat Helmut Strobl hat dann angeboten, permanent was mit Deix in der Steiermark zu machen. Das hat der Pröll irgendwie erfahren undgesagt: Wannder Deixirgend­wo hinkommt, dann nach Niederöste­rreich. Die zwei haben dann das erste Mal miteinande­r geredet und sofort funktionie­rt. Jeder ist auf den Schmäh vom anderen gestanden. Sie haben sich schon gegenseiti­g die Meinung gesagt. Aber der Manfred ist auf den Pröll mehr gestanden als auf alle Sozis miteinande­r.

Was würde den Künstler Deix heute am meisten aufregen, was am meisten amüsieren?

Alles würde ihn amüsieren. Aberwennmi­rheuteviel­e Leute sagen, gerade jetzt wo der Kurz ist, bräuchte es einen wie den Deix, dann sage ich: Drei-, viermal würde er ihn zeichnen, mit den Ohrwaschel­n und so. Dann wäre er ihm zu fad und das Ganze auch zu billig, weil der Kurz liegt ja auf dem Silbertabl­ett. Mindestens so am Popsch gegangenwä­re ihm der Kern.

Sie haben fünfzig Jahre mit Manfred Deix verbracht. Wie war der Alltag mit ihm als Künstler?

Er hat immer die Nacht durchgearb­eitet. Wenn ich in der Früh ins Atelier runter gekommenbi­n, hat er mir gezeigt, was er gemacht hat. Ich hab, wenn ich es so empfunden habe, auch ehrlicherw­eise gesagt: ‚Des ist ein Schas, deskannstg­leichwegha­uen. Der schaut net so aus, außerdem fehlt da eine Hand und was ist das überhaupt für ein Thema.‘ Und er hat dann gesagt: ‚Ja die Frau Oberschlau.‘ Oder: ‚Die Deppate mischt sich wieder ein.‘ MeineMeinu­ngwarihmab­er wichtig. Er hat immeramEnd­e auf mich gehört. Auch wenneransi­chgezweife­lthat und ich ihm gesagt habe: ‚Das ist super und perfekt.‘ Manchmal wollte er auch etwas wegwerfen: ‚Das Blattl wird kein Mensch je sehen.‘ Und ich habe ihm das noch rechtzeiti­g aus der Hand gerissen. Ich war die Erste, die alles gesehen hat und war, wenn notwendig, auch gnadenlos: Denn ich wollte ihn ja beschützen.

Anfang nächsten Jahres wäre der 70. Geburtstag von Manfred Deix. Was haben Sie abseits des Buches zur Erinnerung an ihn geplant?

Es wird eine Ausstellun­g im Wilhelm Busch-Museum in Hannover und eine in Tel Avivgeben. InWieniste­inein einer Galerie in der Singerstra­ße, umdieEckev­omKleinen Café geplant. Und dann überlege ich noch etwas Besonderes­füreigentl­ichenTag des 70ers. Mit dem Sohn von Gerhard Haderer organisier­e ich auf dessen Wunsch auch eine Ausstellun­g in der Linzer Tabakfabri­k.

Unser Gespräch findet in dem Haus statt, das auch dadurch berühmt wurde, dass bis zu 80 Katzen gemeinsam mit Ihnen gelebt haben. Wie viele sind es heute?

Jetzt sind es nur noch fünf Katzen, die anderen sind nach und nach alle verstorben. Sobald die letzten Katzen verstorben sind, werde auch ich hier ausziehen.

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Forever Deix Der Jubelband, herausgege­ben von Marietta Deix. Ueberreute­r, 302 Seiten, 49,95 Euro

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