Göttliches, zänkisches Weib
Rosa Luxemburg stritt lange bevor Frauen wählen durften mit gestandenen Arbeiterführern und agitierte mitten im Ersten Weltkrieg trotzig gegen Militarismus:. Als sie ermordet wird, hat die Linke eine Märtyrerin – bis heute
„Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden, sich zu äußern.“
Rosa Luxemburg 15. Jänner 1919. „Rosa, du alte Hure!“Offiziere beschimpfen die Gefangene, als sie gegen 22:00 Uhr die Lobby des Hotel Eden am Kurfürstendamm betritt. Dort befindet sich das Stabsquartier der Garde-Kavallerie-Schützen-Division.
Eine Stunde zuvor war Rosa Luxemburg in der Wohnung der Familie Markussohn in Berlin-Wilmersdorf gemeinsam mit Karl Liebknecht verhaftet worden. Wegen ihrer Beteiligung am „Januaraufstand“, dem gescheiterten Putsch gegen die sozialdemokratische Revolutionsregierung in den ersten Tagen des neuen Jahres werden die beiden Wortführer der Kommunistischen Partei steckbrieflich gesucht. Seit knapp zwei Wochen wechseln sie ständig die Wohnung.
Schon während des Ersten Weltkriegs hat Luxemburg un- ablässig gegen Militarismus und Imperialismus protestiert. 1918, zu Beginn der deutschen Revolution, hatte sie gemeinsam mit ihrem langjährigen Mitstreiter Karl Liebknecht und anderen Linkssozialisten die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gegründet, um auf den Trümmern des Kaiserreichs eine basisdemokratische Räterepublik zu errichten. Jetzt wird Luxemburg in die Erste Etage des Hotels gebracht. Dort erwartet der 38-jährige Hauptmann Waldemar Pabst die zierliche Frau. „Sind Sie Frau Rosa Luxemburg?“, fragt er. – „Entscheiden Sie bitte selber.“– „Nach dem Bilde (auf einem Steckbrief) müssten Sie es sein.“Damit ist die Befragung beendet. Luxemburg setzt sich in eine Ecke und liest in „Faust. Der Tragödie zweiter Teil“.
Um 23:40 Uhr befiehlt Pabst, die Revolutionärin ins Gefängnis zu bringen. Zuvor hat er seinen Männern vom Freiheitskorps – alle haben sich freiwillig gemeldet, beteuert Pabst später – aber einen anderen, verbindlichen Befehl gegeben: Liquidation der verhassten Revolutionärin.
Gegen den Kommunismus
„Ich ließ Rosa Luxemburg richten“, wird Pabst sich noch 1962 in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel brüsten. Pabst glaubt, durch die Tötung Luxemburgs – und die ebenfalls von ihm befohlene Ermordung Liebknechts – Deutschland vor dem Kommunismus zu bewahren.
„Ihr Tod war von unglaublicher Brutalität“, sagt die Philosophin Simone Matthaei. Als Vorsitzende der Hannah Arendt Gesellschaft in Deutschland hat sie sich intensiv mit der widersprüchlichen Person Rosa Luxemburgs beschäftigt und erzählt: „Ihr wurde der Schädel eingeschlagen, später wurde sie erschossen und mit Stacheldraht umwickelt.“
Die Wahrnehmung der Person Rosa Luxemburg schwanke bis heute zwischen strikter Ablehnung sowie Sentimentalität und Kitsch. Von den einen wurde sie als Ikone vergöttert, ja sogar die „Göttliche“genannt, bei den anderen war sie als „zänkisch“verschrieen.
„Sie hatte einen intensiven Blick und unglaublichen Charme – wenn sie wollte, war frech, witzig, intellektuell“, analysiert Matthaei. Und Maja Tscholadze, Literaturwissenschaftlerin und Luxemburg-Kennerin aus Georgien, ergänzt: „Luxemburg war mit dem Kommunismus konnotiert. Trotzdem war sie kein Thema in der Sow- jetunion. Im Osten kommt sie nur als Ikone der Frauenbewegung vor.“
Die Politikerin trat für Versammlungs- und Pressefreiheit ein. Matthaei: „Sie war jemand, dem Freiheit immens wichtig war“. Ihre Mahnung: „Nichts ohne Nachprüfung hinnehmen!“klingt aktuell wie eh und je. Luxemburg habe erkannt, welche Fehler die Revolutionäre Trotzki und Lenin machten. Die Philosophin aus dem ehemaligen Ostblock abschließend: „Wir mussten das leben, was sie fürchtete, dass passieren würde. Im Nachhinein muss man bewundern, wie weit sie die geschichtliche Entwicklung vorausgesehen hat.“
P.S. Das Freikorps, das Luxemburg ermordet hat, sollte bei der Machtübernahme Hitlers eine wichtige Rolle spielen.
P.P.S. Waldemar Pabst musste sich für die Morde an Liebknecht und Luxemburg nie verantworten.