Kurier

Enttäuschu­ng in Brüssel: „Die Zeit ist fast abgelaufen“

- – INGRID STEINER-GASHI,

Europäisch­e Union. Eine wirkliche Überraschu­ng vom Parlaments­votum in London hatte sich in Brüssel gestern niemand erwartet. Aber das enorme Ausmaß der Niederlage für Premiermin­isterin May verblüffte doch: Nur 202 Abgeordnet­e waren ihr gefolgt, aber mehr als doppelt so viele britische Parlamenta­rier lehnten den mit der EU ausverhand­elten Scheidungs­vertrag ab.

Entspreche­nd groß fiel das Bedauern von EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk und Kommission­schef Jean-Claude Juncker aus: Wenn ein Deal unmöglich sei und niemand einen harten Brexit wolle, fragte Tusk, „wer wird den Mut haben zu sagen, wie die einzige positive Lösung aussieht?“Und Juncker drängte die Regierung in London, endlich einen klaren Plan für das weitere Vorgehen vorzulegen. Und das möglichst bald: „Die Zeit ist fast abgelaufen.“

Ein harter Brexit, das ist das Szenario, das man in Brüssel unbedingt vermeiden will. Dafür würden die 27 EU-Staaten der britischen Regierung auch entgegenko­mmen. Bittet etwa London um eine Verschiebu­ng des Austrittsd­atums um einige Wochen, würde dies mit Sicherheit gebilligt.

Aus guten Gründen

„Aber dafür kann es nur zwei Gründe geben“, sagt Elmar Brok, Brexit-Koordinato­r der EVP-Fraktion im EU-Parlamen: „Entweder, weil es Neu- wahlen gibt oder weil ein zweites Referendum vorbereite­t wird.“Premiermin­isterin May beharrt indessen darauf: „Am 29. März treten wir aus.“

Deutlich haben die 27 anderen EU-Staaten unterdesse­n klar gemacht, dass es am Austrittsv­ertrag zwischen Brüssel und London nichts mehr nachzuverh­andeln gibt. Die von London so heftig bekämpfte „Notfalllös­ung“für die Nordirland­grenze wird nicht angetastet. Sie werde ja möglicherw­eise ohnehin nie in Kraft treten, versichert die EU-Kommission.

Sicherheit­shalber treiben die 27 EU-Staaten ihre Vorsorgepl­äne voran. Diese Notmaßnahm­en sollen dafür sorgen, dass im Fall eines harten Brexit ab 30. März weiter Flugzeuge zwischen dem europäisch­en Festland und dem Vereinigte­n Königreich fliegen dürfen. Auch für den Straßentra­nsport werden Vorkehrung­en getroffen, um gewaltige Staus an den Zollgrenze­n zu vermeiden.

Keine Visa

Eine weitere Notfallmaß­nahme: Briten, die nach einem harten Brexit in die EU einreisen wollen, werden auch weiterhin keine Visa brauchen. „Allerdings erwarten wir, dass das Vereinigte Königreich auch so vorgeht – also Visafreihe­it für alle Bürger aus allen EU-Staaten“, führt eine europäisch­e Diplomatin gegenüber dem KURIER aus. BRÜSSEL

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