Mit Lob für den EU-Vorsitz startet Kurz in den Europa-Wahlkampf
Europa-Parlament. Bei seinem Auftritt vor Abgeordneten der EU erntet der Bundeskanzler viel Zustimmung und kaum Tadel.
„Wahlkampf liegt in der Luft“, stellte Bundeskanzler Sebastian Kurz ganz beiläufig bei seinem Auftritt im Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg fest.
Gestern, Dienstagvormittag, hielt er seine Bilanz-Rede über die EU-Präsidentschaft – er wollte aber auch offensiv die Unterstützung für seinen persönlichen Freund, den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, zeigen. In einem gemeinsamen Pressegespräch vor ausgewählten Journalisten gab Weber zu verstehen, dass er sich nach der Europawahl für die Unterstützung der drei pro-europäischen Parteien Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale bemühen werde, um bei der Wahl zum Kommissionspräsidenten die nötige Mehrheit unter den neu gewählten EUAbgeordneten zu bekommen. „Diese drei Kräfte müssten gemeinsam Verantwortung übernehmen.“
Türkis-Blau kein Modell
Auf die Frage, ob es dabei auch eine Allianz mit rechtspopulistischen Parteien geben könnte, so wie in Österreich, antwortet Kanzler Kurz, dass die Situation in der EU nicht mit jener in Österreich vergleichbar sei.„Die Koalition in Österreich ist kein ‘role model’ für Koalitionen im EU-Parlament.“Er plädierte für eine Koalition der EVP zunächst mit den Liberalen, und wenn erforderlich mit den Sozialdemokraten.
Das sind die Überlegungen der EVP. Die könnten aber durchkreuzt werden, wenn ein anderes Bündnis zustande kommt. Im EU-Parlament wird derzeit eine Allianz zwischen Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken diskutiert, um Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager (die dänische sozialliberale Politikerin ist bekannt, weil sie sich erfolgreich mit den Internet-Giganten anlegt und sie zu hohen Strafen verdonnert) zur Kommissionspräsidentin zu wählen. „Das steht im Raum“, erklärt ein schwedischer Liberaler dem KURIER, „aber zuerst sind die Wähler am Zug“.
In der Luft liegt im EU-Parlament aber nicht nur Wahlkampf, sondern auch die Sorge, was im Vereinigten Königreich weiter passiert. Für Weber und Kurz steht fest: Im Fall einer Verschiebung des Brexits sollte Großbritannien „nicht mehr an der Europawahl Ende Mai teilnehmen. Es sei den Europäern nicht zu vermitteln, „dass ein Land, das die Europäische Union verlassen will, bei den Wahlen, bei der Zukunftsgestaltung des Kontinents für die nächsten fünf Jahre, teilnimmt“, sagte Weber.
Kernbotschaften
Im Wahlkampf will der EVPSpitzenmann inhaltlich an den Kernbotschaften von Kanzler Kurz anknüpfen: Migration, Außengrenzschutz, Erweiterung („die Türkei gehört nicht zur EU“, sagt Weber) und dem Kampf gegen Antisemitismus.
Gerade für das Eintreten gegen Antisemitismus und Antizionismus während der österreichischen Vorsitzführung gab es gestern viel Lob für den Bundeskanzler. „Die Bilanz ist beeindruckend“, betonte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er begrüßte die AntisemitismusInitiative und versprach, alles zu tun, um „die Sicherheit von Jüdinnen und Juden in der EU zu garantieren“.
Tadel an Österreichs EUVorsitz machte sich im Wesentlichen an zwei Punkten fest: der Nicht-Teilnahme am UNO-Migrationspakt und dem Kniefall von Außenministerin Karin Kneissl bei ihrer Hochzeit vor Russlands Präsident Wladimir Putin.