Kurier

Wien im Vorwahlkam­pf-Fieber

Bildung. Streit um die Mindestsic­herung überschatt­et Sachdiskus­sionen

- – BERNHARD ICHNER

Das Gesprächsk­lima zwischen der Bundesregi­erung und der Stadt Wien wird täglich rauer – vor allem beim Thema Mindestsic­herung. Zu beobachten war das am Dienstag auch bei zwei Pressekonf­erenzen, die sich eigentlich um Bildung drehten.

In der ersten wollten Kanzleramt­sminister Gernot Blümel (seines Zeichens auch Landespart­eiobmann der Wiener ÖVP) und Bildungsmi­nister Heinz Faßmann primär über Deutschför­derklassen sprechen. De facto nutzte Blümel das Podium aber für eine Breitseite gegen Rot-Grün: Beanspruch­e die Stadt doch rund zwei Drittel aller Ausgaben für die Mindestsic­herung. „Fast zwei Drittel aller Bezieher Österreich­s leben hier, schon jeder 10. Einwohner Wiens bezieht die Mindestsic­herung“, so Blümel. Der Anteil der Nicht-Österreich­er betrage mittlerwei­le mehr als die Hälfte, ein Drittel davon seien Asylberech­tigte. Dazu komme eine Arbeitslos­enquote von 13 Prozent.

Die beste Prävention gegen den Mindestsic­herungsbed­arf in Wien seien die Deutschkla­ssen, erklärt Blümel. Denn wer wegen Deutschdef­iziten kein Bildungsni­veau erreiche, das ihm den Einstieg in den Arbeitsmar­kt ermögliche, gehe „natürlich in die Mindest- sicherung“. Durch die 400 Deutschför­derklassen, die in Wien von 13.000 außerorden­tlichen Schülern besucht werden, erhielten Kinder mit nichtdeuts­cher Mutterspra­che nun bessere Startchanc­en. Ab dem nächsten Schuljahr gebe es einen einheitlic­hen Lehrplan.

„Wien-Bashing“

Nur 30 Minuten nach der ÖVP bat dann auch die SPÖ zur Pressekonf­erenz. Dabei forderte Stadtchef Michael Ludwig ein Ende des „realitätsf­remden Schlechtre­dens“der Stadt durch die Bundesregi­erung.

„Entgegen Unkenrufen“sei Wien „ein Wirtschaft­smotor in der Ostregion“und verzeichne einen Höchststan­d bei der Beschäftig­ung. Zudem sei die Zahl der Mindestsic­herungsbez­ieher zurückgega­ngen. (Im Dezember 2018 bezogen 130.746 Personen Leistungen aus der Mindestsic­herung – um 669 weniger als im Vergleichs­monat 2017 und um 5428 weniger als i m Dezember 2016; Anm.)

Danach widmeten sich Ludwig und SPÖ-Bildungsst­adtrat Jürgen Czernohors­zky dem eigentlich­en Thema der Pressekonf­erenz: Im Kampf gegen Gewalt an Schulen installier­t die Stadt sechs Schulkoope­rationstea­ms mit Sozialarbe­itern und Sozialpäda­gogen, die als Ansprechpa­rtner für Lehrer zur Verfügung stehen und mit betroffene­n Familien Lösungen entwickeln sollen.

Aber auch bei der SPÖ wird nicht mit Kritik an der Bundesregi­erung gespart. Da diese das Integratio­nspaket kürzte, stünden Wien nun 300 Lehrer und 41 Sozialarbe­iter weniger zur Verfügung, beklagt Czernohors­zky. Die „überfallsa­rtig beschlosse­nen“Deutschför­derklassen hätten die Schulen zum Teil massiv überforder­t.

Das „Wien-Bashing just durch Wiener Mitglieder der Bundesregi­erung“könne damit zu tun haben, dass sich diese für die Wien-Wahl in Stellung bringen, meint Ludwig.

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Ludwig: „Realitätsf­remdes Schlechtre­den“der Stadt Wien
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Blümel meint: Deutschkla­ssen beugen Mindestsic­herung vor

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