Nachtschwärmer Thiem gewann die Zitterpartie zu später Stunde
Australian Open. Der Österreicher machte sich das Leben schwer und benötigte gegen Paire fünf Sätze.
Es ist ein Jammer, dass die Statistiker beim Tennis die Anzahl der Selbstgespräche der Spieler nicht erfassen. Benoît Paire wäre in dieser Kategorie kaum zu toppen. Bloß wirkt sich das selten positiv auf seine Leistung auf dem Court aus.
Am Dienstag schaffte es Dominic Thiem dennoch fast, vom Gefühlschaos, in das sein Erstrunden-Gegner zu später Stunde in Melbourne verfiel, nicht zu profitieren. Während sich beim unberechenbaren Franzosen Licht und Schatten abwechselten, verpasste die österreichische Nummer eins die vorzeitige Entscheidung und musste sich nach einem 6:4, 6:3, 5:7, 1:6 und 6:3 in die zwei- te Runde zittern. Thiem kam nur schwer in die Gänge und hielt sich an seiner Taktik, Paires Paradeschlag, die Rückhand, aus dem Spiel zu nehmen. Die Taktik ging auf, auch, weil sein Gegner mithalf und fehlerhaft agierte.
Thiem verlor im ersten Satz nur kurz den Faden und ließ ein Break zu. Nach 51 Minuten wackelte der sonst stark aufschlagende Paire plötzlich bei eigenem Aufschlag. Den vierten Satzball konnte er nicht abwehren.
Der zweite Durchgang begann mit einem Break für den Franzosen, dem prompt das Rebreak folgte. Die Num- mer 61 der Welt fing an, sich zunehmend mit sich selbst zu beschäftigen. Das nützte sein Gegenüber aus – viel mehr als die Bälle zurückschlagen musste Thiem nicht, der sichtlich genervte Franzose erledigte den Rest. Nach 1:23 Stunden knallte der 29-Jährige seinen Schläger erstmals auf den Boden. Kurz nachdem Paires Racket zum zweiten Mal leiden hatte müssen, stand es 2:0 nach Sätzen für Thiem.
Im ersten Aufschlagspiel von Thiem im dritten Satz fand Paire seine Lust am Tennis wieder. Um ein Uhr nachts rollte ein Stoppball von der Netzkante in Thiems Feld – es ging in den vierten Satz. Plötzlich war Paire voll da. Nach zwei schnellen Breaks stand es 0:5 aus der Sicht von Thiem, nach etwas mehr als drei gespielten Stunden war das Match ausgeglichen.
Nervenspiel
Im entscheidenden Durchgang ging es hin und her – bis der Nervenschwächere nachließ. Im achten Spiel gelang Thiem nach der längsten Rallye das Break. Um 2:08 Uhr waren nicht nur die beiden Kontrahenten, sondern auch die wenigen verbliebenen Zuschauer erlöst. „Ich war übermotiviert, ein bisschen überangespannt. Ab dem dritten Satz habe ich einen sehr hohen Puls gehabt, das hat mich schlussendlich fast den Sieg gekostet“, erklärte Thiem den Leistungsabfall nach zwei, wie er sagt, „sehr guten Sätzen. Normalerweise sollte mir das nicht passieren“. Nun wartet der Australier Alexei Popyrin, ein 19-jähriges unbeschriebenes Blatt.