REPORTAGE
Berlin, Agrarmesse Grüne Woche, elf Uhr Vormittag. Das Bier fließt, Schmankerln werden serviert, eine Bandspielt, niemandapplaudiert.
„Klatschen ist auch nicht so einfach, wenn man Messer und Gabel in der Hand hält“, sagt der Moderator, der mit einem Gewinnspiel die Aufmerksamkeit auf sich zieht. 400.000 Besucher werden heuer zur Leistungsschau der Landwirtschaft erwartet, die bis einschließlich heute in rund 25 Messehallen über dieBühnegeht.
In Halle 23 steht der Zuchtbulle Condor. Sein Vater hat Capri geheißen, seine Söhne heißen Coban oder Cajubi. „Eine Linie, ein Anfangsbuchstabe“, erklärt Züchter Erwin Obermayer dieNamensregelung für Bullen (Kühe im Hochleistungsstall haben nurNummern).
CondorbringtnichtsausderRuhe. Auch nicht das Kamerateam samt Belichter und Tontechniker, das sich in seine kleine Box drängt. Sie filmen, wie jemand Condor „BayWa“auf den Hintern rasiert. Obermayr schüttelt den Kopf. Eine „Verschandelung“des Tiers sei das. Er hätte das nie erlaubt, aber er hat den 1400 Kilo schweren Bullen vor einem halben Jahr an einen Bauern verkauft. „Damals hatte er noch 70 bis 80 Kilomehr, weil er noch nicht arbeitenmusste.“Sprich, für Nachwuchs in derHerde sorgen.
15 Euro fürs Sperma
Diesen Job übernehmen nicht nur Bullen, sondern auch Besamungsstationen wie die Bayern Genetik. „Wir habenmehr als 400 Zuchtbullen“, erklärt Finanzvorstand Martin Zirnbauer-Heymann. „Wird bei einem Bauern eine Kuh brünstig, läutet bei uns das Telefon.“Und schon machen sich seine Mitarbeiter aufzumHof, umfürNachwuchs zu sorgen. „Sechs bis 15 Euro kostet das Sperma, plus die Kosten für die Befruchtung“, erläutert ZirnbauerHeymann. Kundenhabeer rundum dieWeltkugel.
Klingt nach Landwirtschaft 4.0 ist aber ein alter Hut. Samenbanken gibt es seit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg – ursprünglich, um Seuchen auszuradieren, referiert der Manager. Am Nachbarstand läuft derweil in Endlosschleife ein Video von einem Schweinebauern. Er erzählt, dassalle seineTiereeinenNamenhaben. „Dieweiblichenheißen Emma. Die männlichenHans.“
PflügegrößeralsKleingärten
In Halle 3.2 fällt die Männerdichte auf. Hier stehen auf Hochglanz polierteLandmaschinen, Traktoren mit mannshohen Reifen, Pflüge so groß wie Schrebergärten, Mähdrescher mit sechsMetern Schnittbreite. „Die mit 13Metern Breite hätten wirihnnichtdurchdieHallentürbekommen“, sagt ein Vertreter. „So eineMaschine rechnet sichauchfür kleinere Landwirtschaften“, behauptet erundmeintHöfemit einer Größe von bis zu 250 Hektar. Zur Orientierung: Ein österreichischer Bauer bewirtschaftet durchschnittlich20Hektar.
KevinDahlkepräsentiertaufder Grünen Woche eine Neuheit, die erst im September auf den Markt kommt. Einen „CowBody Scan“, also eineVermessung der Kuh via Infrarotkamera. „Sie misst die Höhe des Tieres, ob sich ihr Gangbild verändert, ob sie zu fett oder zu abgemagert ist.“Ab Betriebsgrößen von 500 und mehr Tieren sei so ein Herdenmanagement sinnvoll, weil sich der Bauer ja unmöglich selbst um die Tiere kümmern kann. Dahlke: „Wir haben schonAnfragen aus den USA, RusslandundKanada.“
Auch wie der moderne Melkroboter ausschaut, kann sich der interessierte Städter – der bei der GrünenWoche gerne seine Krachlederne ausführt – erklären lassen. Die Tiere werden per Chip erkannt, die Zitzen per Laser vermessen, ein Abfall der Milchleistung sofort registriert. EsgibtautomatischeKuhstallreiniger, dieüberdenSpaltenböden