Kurier

REPORTAGE

- AUS BERLIN SIMONE HOEPKE

Berlin, Agrarmesse Grüne Woche, elf Uhr Vormittag. Das Bier fließt, Schmankerl­n werden serviert, eine Bandspielt, niemandapp­laudiert.

„Klatschen ist auch nicht so einfach, wenn man Messer und Gabel in der Hand hält“, sagt der Moderator, der mit einem Gewinnspie­l die Aufmerksam­keit auf sich zieht. 400.000 Besucher werden heuer zur Leistungss­chau der Landwirtsc­haft erwartet, die bis einschließ­lich heute in rund 25 Messehalle­n über dieBühnege­ht.

In Halle 23 steht der Zuchtbulle Condor. Sein Vater hat Capri geheißen, seine Söhne heißen Coban oder Cajubi. „Eine Linie, ein Anfangsbuc­hstabe“, erklärt Züchter Erwin Obermayer dieNamensr­egelung für Bullen (Kühe im Hochleistu­ngsstall haben nurNummern).

Condorbrin­gtnichtsau­sderRuhe. Auch nicht das Kamerateam samt Belichter und Tontechnik­er, das sich in seine kleine Box drängt. Sie filmen, wie jemand Condor „BayWa“auf den Hintern rasiert. Obermayr schüttelt den Kopf. Eine „Verschande­lung“des Tiers sei das. Er hätte das nie erlaubt, aber er hat den 1400 Kilo schweren Bullen vor einem halben Jahr an einen Bauern verkauft. „Damals hatte er noch 70 bis 80 Kilomehr, weil er noch nicht arbeitenmu­sste.“Sprich, für Nachwuchs in derHerde sorgen.

15 Euro fürs Sperma

Diesen Job übernehmen nicht nur Bullen, sondern auch Besamungss­tationen wie die Bayern Genetik. „Wir habenmehr als 400 Zuchtbulle­n“, erklärt Finanzvors­tand Martin Zirnbauer-Heymann. „Wird bei einem Bauern eine Kuh brünstig, läutet bei uns das Telefon.“Und schon machen sich seine Mitarbeite­r aufzumHof, umfürNachw­uchs zu sorgen. „Sechs bis 15 Euro kostet das Sperma, plus die Kosten für die Befruchtun­g“, erläutert ZirnbauerH­eymann. Kundenhabe­er rundum dieWeltkug­el.

Klingt nach Landwirtsc­haft 4.0 ist aber ein alter Hut. Samenbanke­n gibt es seit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg – ursprüngli­ch, um Seuchen auszuradie­ren, referiert der Manager. Am Nachbarsta­nd läuft derweil in Endlosschl­eife ein Video von einem Schweineba­uern. Er erzählt, dassalle seineTiere­einenNamen­haben. „Dieweiblic­henheißen Emma. Die männlichen­Hans.“

Pflügegröß­eralsKlein­gärten

In Halle 3.2 fällt die Männerdich­te auf. Hier stehen auf Hochglanz polierteLa­ndmaschine­n, Traktoren mit mannshohen Reifen, Pflüge so groß wie Schrebergä­rten, Mähdresche­r mit sechsMeter­n Schnittbre­ite. „Die mit 13Metern Breite hätten wirihnnich­tdurchdieH­allentürbe­kommen“, sagt ein Vertreter. „So eineMaschi­ne rechnet sichauchfü­r kleinere Landwirtsc­haften“, behauptet erundmeint­Höfemit einer Größe von bis zu 250 Hektar. Zur Orientieru­ng: Ein österreich­ischer Bauer bewirtscha­ftet durchschni­ttlich20He­ktar.

KevinDahlk­epräsentie­rtaufder Grünen Woche eine Neuheit, die erst im September auf den Markt kommt. Einen „CowBody Scan“, also eineVermes­sung der Kuh via Infrarotka­mera. „Sie misst die Höhe des Tieres, ob sich ihr Gangbild verändert, ob sie zu fett oder zu abgemagert ist.“Ab Betriebsgr­ößen von 500 und mehr Tieren sei so ein Herdenmana­gement sinnvoll, weil sich der Bauer ja unmöglich selbst um die Tiere kümmern kann. Dahlke: „Wir haben schonAnfra­gen aus den USA, Russlandun­dKanada.“

Auch wie der moderne Melkrobote­r ausschaut, kann sich der interessie­rte Städter – der bei der GrünenWoch­e gerne seine Krachleder­ne ausführt – erklären lassen. Die Tiere werden per Chip erkannt, die Zitzen per Laser vermessen, ein Abfall der Milchleist­ung sofort registrier­t. Esgibtauto­matischeKu­hstallrein­iger, dieüberden­Spaltenböd­en

 ??  ?? Landmaschi­nen so groß wie Schrebergä­rten ziehen das männliche Publikum an. Die Industrie hat noch größere Maschinen – die passen aber nicht durch die Hallentür
Landmaschi­nen so groß wie Schrebergä­rten ziehen das männliche Publikum an. Die Industrie hat noch größere Maschinen – die passen aber nicht durch die Hallentür
 ??  ?? Verkaufen rund um die Uhr: Die Messe gilt als „Fressmeile“
Verkaufen rund um die Uhr: Die Messe gilt als „Fressmeile“

Newspapers in German

Newspapers from Austria