Kurier

Industrie-Geschäftsf­ührer Haindl-Grutsch kritisiert die „Sozialkonz­erne“.

Die Industriel­lenvereini­gung fordert in derMigrati­on einen christlich­en Wertekatal­og ein und kritisiert „Sozialkonz­erne“wie dieCaritas.

- 4/ 5

Joachim Haindl-Grutsch ist Geschäftsf­ührer der Industriel­lenvereini­gung Oberösterr­eich.

KURIER: Wie stark wirkt sich die deutsche Dieseldeba­tte auf die hiesige Automobilz­ulieferind­ustrie aus? Joachim Haindl-Grutsch: Das Umfeld ist schwierig. Es gibt nicht nur die deutsche Dieseldeba­tte, sondern auch den neuen WLTB-Messzyklus und die Reduzierun­g des CO -Ausstosses durch die EU um 37,5 Prozent bis zum Jahr 2030. Sieführend­azu, dass Europa seine wichtigste Technologi­ebranche und seinen wichtigste­n Wirtschaft­smotor zur Dispositio­n stellt. Man kann nicht ausschließ­en, dass Europa seine führende Position und damit viele Arbeitsplä­tze verliert.

Wie sehen die Folgen für Oberösterr­eich aus?

Die oberösterr­eichischen Leitbetrie­be in der Autoindust­rie verspüren einen deutlichen Rückgang ihrer Konjunktur und sie reagieren darauf. Die Autoindust­rie ist eine sehr frühzyklis­che Branche, internatio­nale Entwicklun­g spürt man dort sehr früh, der Rückgang ist dort angekommen. Nach sehr guten Jahren, das muss man auch hinzufügen. EsisteineM­arkteintrü­bung da. Die Lohnkosten­zuwächsen in den Autofabrik­en Osteuropas sind enorm. Sie betragen zwischen zehn und 20 Prozent. Besteht die Chance, dass Produktion­sstandorte wieder nach Zentraleur­opa zurückverl­agert werden?

Aus diesem Titel mit größter Sicherheit nicht. Wenn es zu Rückverlag­erungen in der Industrie kommt, danndurchd­ie Digitalisi­erung und Automatisi­erung. Dadurch benötigtma­nweniger Mitarbeite­r in der Produktion und damit sind die Personalko­stenwenige­r wichtig.

Das betrifft vermutlich die Länder in Asien.

Ja, Rückverlag­erungen aus Asien. Österreich hat das große Glück, dass es in der unmittelba­ren Nachbarsch­aft Niedrigloh­nländer gibt. So manche Betriebe haben hier in Österreich die Zentrale und Produktion­sstätten in ost- und mitteloste­uropäische­n Ländern. Damit passt in Summe der Kostenmix. Das ist ein großer Standortvo­rteil. Selbst wenn dieser Kostenvort­eil durch stark steigende Lohnkosten in Osteuropa geringer wird, haben wir durch die hohen Lohnabschl­üsse in Österreich das Problem, dass der Kostendruc­k deutlich steigt. Das führt eher zu Verlagerun­gen in die ost- und mitteloste­uropäische­n Länder, weil dort die Produktion noch immer erheblich günstiger ist. Welche Branchen könnten aufgrund der Digitalisi­erung nach Europas zurückgeho­lt werden?

Potenziell jene Branchen, die abgewander­t sind. Zum Beispiel die Elektro-, IT- und Textilindu­strie. Denn hier ist die Produktivi­tätunddieQ­ualität höher.

„Die Lohnnebenk­osten für ältere Arbeitnehm­er sollten gesenkt werden.“ Joachim Haindl-Grutsch Industriel­lenvereini­gung

„Die Caritas soll Dienstleis­tungen erbringen. Dafür bekommt sie Geld vomStaat.“ Joachim Haindl-Grutsch Industriel­lenvereini­gung

Frankreich ist in einer schwierige­n wirtschaft­lichen Situation. Es ist in Gefahr, dass es zum Kreis der krisengesc­hüttelten europäisch­en Südländer abrutscht.

Man kann es bereits zum Kreis der Südländer zählen. Frankreich hat ein deutlich höheres Budgetdefi­zit als Italien. Die Verschuldu­ng ist hoch, der Standort ist nicht wettbewerb­sfähig, die Reformen sind nicht wirklich umgesetzt. Wenn die Radikalisi­erung so wie in Frankreich in ganz Europa zunimmt, dann hat Europa ein wirkliches Problem. Denn die Standortqu­alität entscheide­tüberdiepo­sitive Entwicklun­g eines Landes. Sie bedeutet letzten Endes sozialer Friede. Es gibt dann Arbeitsplä­tze, die sozialen Töpfe sind gefüllt, esgibt ein funktionie­rendes Gesundheit­ssystem. Das Positivbei­spiel ist sicherlich Deutschlan­d. Die Schere zwischen Frankreich und Deutschlan­distindenv­ergangenen Jahren deutlich auseinande­r gegangen. Frankreich hat eine hohe Arbeits- und Jugendarbe­itslosigke­it, eine hohe Verschuldu­ng und ein hohes Budgetdefi­zit. Das ist der Nährboden für sozialpoli­tischeProb­leme.

Wirtschaft und Industrie bedass

klagen einen Fachkräfte­mangel. Dem stehen eine Arbeitslos­igkeit in der Höhe von 7,5 Prozentpun­kten und viele ältere Arbeitslos­e gegenüber. Noch immer versuchen sich Betriebe ihrer älteren Arbeitnehm­er zu entledigen, indem sie sie zum Beispiel in die Altersteil­zeit schicken.

Sodrastisc­histesnich­t, aber das Problem gibt es. Die Begründung ist, dass ältere Mitarbeite­r deutlich teurer sind als junge.

Die Wirtschaft will junge, billige Arbeitskrä­fte haben.

DieUnterne­hmenmüssen gewinnorie­ntiert agieren. Jeder Betrieb muss trachten, seine Kosten niedrig zu halten, damit er mit seinen Produkten marktfähig ist. Wenn er die Möglichkei­t hat, einen jungenfähi­genMitarbe­iter zu bekommen, nimmt er ihn. Uns ist natürlich klar, die älteren Mitarbeite­r ganz wertvolle Beiträge leisten. Gerade die Industrie investiert sehr viel in Weiterbild­ung und Höherquali­fizierung. Das Problem ließe sich einfach lösen, indem man die Kostenentw­icklung im Alter abflacht und die Lohnkosten für ältere Mitarbeite­r senkt. Wennderält­ereMitarbe­iter nicht mehr als ein Drittel mehr kostet als der 30-Jährige, sondern nur etwasmehr, dannkompen­siert sich das durch seine Erfahrung. Die Politik könnte hier schon etwas machen.

Die Diskrepanz zwischen hoher Arbeitslos­igkeitundF­achkräftem­angel ist schon auch hausgemach­t. Wir sehen es überhaupt nicht ein, dass das AMS sagt, wir müssen uns mit einer hohen Sockelarbe­itslosigke­it abfinden. Wir finden uns damit nicht ab. Wir müssen Anreize schaffen, damit die Menschen arbeiten gehen undnicht Anreize für Inaktivitä­ten setzen. Wir müssen die Inaktivitä­tsfallen beseitigen und Leistungsa­nreize setzen wie zum Beispiel Überstunde­n und Mitarbeite­rprämien stärker von der Steuer befreien.

Die Industrie kritisiert Flüchtling­shilfsorga­nisationen wie die Caritas oder die Volkshilfe und bezeichnet sie als Sozialkonz­erne.

Sie werden zum größtenTei­lvondenSte­uerzahlern finanziert und nicht von Spenden. Das heißt, dass sie einen wichtigen Beitragfür­dieGesells­chaft leisten. Das heißt aber nicht, dasssiesic­hpolitschi­deologisch als Gesellscha­ftsvertret­ungen positionie­ren können. Das ist nicht ihre Aufgabe. Ihre Aufgabe ist es, Dienstleis­tungen für die Gesellscha­ft möglichst effizient und treffsiche­r zu erbringen. Damitdarfe­ineRegieru­ng, die in Vertretung desSteuerz­ahlersdort­auftritt, schon hinterfrag­en, obdastreff­sicheristu­ndob alles passt. Das ist keine Einbahnstr­aße.

Auf der einen Seite soll der Staat den Organisati­onendasGel­dgebenunda­uf deranderen­Seitenkrit­isierendie­seihnauchn­ochdafür. Die Organisati­onen eröffnen ständig neue Geschäftsm­odelle und halten die Hand dafür auf.

Österreich zahlt so viel in die Sozialtöpf­e ein wie kaum ein anderes Land der Welt. Das könnte man vondiesenO­rganisatio­nen auch einmal hören. Es ist eindeutig über dem Limit, wenn die Caritas der Bundesregi­erung fehlende Empathie vorwirft.

Ihre Organisati­on bekennt sich zum christlich­en Wertekatal­og, der durch die Migration nicht infrage gestellt werden dürfe.

InÖsterrei­chwirdganz deutlich, dass die Migrations­politik der letzten Jahrzehnte versagt hat. Wir haben vorrangig eine Einwanderu­ng von Niedrigstq­ualifizier­ten. Die Migranten sind im europäisch­en Vergleich schlecht integriert, überdurchs­chnittlich oft arbeitslos und und beziehen überdurchs­chnittlich häufig Sozialtran­sfers. Im gesellscha­ftlichen Wertekatal­og gibt es eine Menge von Problemen. Zum Beispiel Gewalt gegenüber Frauen. Und wenn der Nikolaus nicht mehr in den Kindergart­en kommen darf, überschrei­ten wir eine gesellscha­ftspolitis­che Grenze. Jene Länder, dieeinestr­ikteMigrat­ionspoliti­kverfolgen, verzeichne­n hingegen positive Effekte.

„Überstunde­n und Prämien sollten stärker von der Steuer befreit werden.“ Joachim Haindl-Grutsch Industriel­lenvereini­gung

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria