Für Entdecker und Abenteurer
Langsam öffnet sich das zentral asiatische Land am Kaspischen Meer für Touristen. Was auffällt: Der verstorbene StaatsgründerundFührerTurkmenbashiistüberall präsent.
Die Flammen spritzen aus hundertenLöchernin die kalte Wüstennacht, lodern im Krater hoch bis zu seinen Rändernund lassen die Gesichter der Beobachter dort in heißen Schauern erglühen. Das Spektakel mitten in der Karakum-Wüste nennen die Einheimischen „Das Tor zur Hölle“. Undzwar seit47Jahren, als nach einer missglückten Erdgasbohrung der Sowjets giftiges Methangas entwich. Es wurde angezündetundbrennt bis heute.
Einige Fahrstunden weiter nördlicherreichenwirdie Zivilisation, gleichzeitig auch jene des Mittelalters. KonyaUrgench war einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der alten Seidenstraße, noch heute stehen hier das höchste Minarett Zentralasiens und gut erhaltene Mausoleen. Auch viele Turkmenen besuchen diese Attraktionen, und prompt sind wir Ausländer Teil des Programms. Ohne Berührungsängste packen uns Familien und Studentengruppen in ihre Mitte, um jede Menge Fotos mit den Fremden heimzubringen.
Sogaralswirspäteraneinem Baumwollfeld stoppen, um die soeben stattfindende Ernte zu filmen, strömen die Arbeiterinnen neugierig zu uns. Ein paar haben Smartphones und schon beginnt die fröhliche, gegenseitige Knipserei. Etwas, was die Behördenin einerderrigidesten Diktaturen der Welt gar nicht gern sehen. Es könnte ja jemand wichtige Staatsgeheimnisse ausplaudern.
Dukleiner Spion, du
Am intensivsten spürt man das in Ashgabat, einer der seltsamsten Metropolen der Welt. Hunderte strahlend weiße Gebäude aus teuerstem italienischen Marmor entlang achtspuriger Stadtautobahnen, gesäumt von kunstvollen Beleuchtungen. Es sind nur wenige Autos unterwegs, fast alle in weißer Farbe. Die Bushaltestellen sind klimatisiert und haben W LAN. Es gibt riesige Parks mit unzähligen Springbrunnen und Wasserfällen, mitten im Wüstengebiet. Nur: M ansieht kaum Menschen.
Wer stehen bleibt, um die Prachtbauten oder gar Regierungs gebäude( es gibt angeblich über 40 Ministerien, etwa eines nur für Textilindustrie und einesfürFairness) zufotografieren, wird von Soldaten oder Polizisten sofort zurechtgewiesen, dadiesverbotensei. Immerhin: die bereitsgemachtenFotos müssenwir nicht löschen. Überwachungskameras beobachten ohnehin jeden Schritt, den wir hier machen. Erlaubt sind Fotos von unbedenklichen Attraktionen, wie dem größten IndoorRiesenrad der Welt, einem der weltweit höchsten Fahnenmasten, oder dem gigantischen „Neutralitätsbogen“.
Die rund eine Million Bewohner Ashgabats müssen aber wohl auswärts leben und arbeiten, denn hier sieht man kaum jemand, außer zahlreiche Putzfrauen, die alle Monumente, Plätze und Gehsteige penibel säubern. Auch nachts, wenn ganz Ashgabat äußerst eindrucksvoll in alle erdenklichen Farbengetaucht wird, siehtman in den meisten marmornen Wohngebäuden im Zentrum kaumLicht.
Dass die Bevölkerung das autokratische System zumindest nach außen hin relativ geduldig hinnimmt, hat auch mit den Zuckerln zu tun, die der Staat dank seiner Ölförderung und der viertgrößten Erdgasreserven derWelt verteilen kann: Gas, Elektrizität, Wasser und Salz sind gratis, auchandere Lebensmittel sowie Treibstoff sind stark subventioniert. Die Mehrheit des Volkes ist arm, hungert aber nicht.
Besucher gesucht
Allgegenwärtig ist der vormehr als zehn Jahren verstorbene Präsident und Staats gründer, der sicheinfach„Turkmenbashi“, also Führer aller Turkmenen nannte. Goldene Statuen von ihm sind landesweit unübersehbar, sogar die größte Hafenstadt am Kaspischen Meer wurde nach ihm benannt. Der jetzige Präsident, übrigens davor der Zahnarzt Turkmenbashis, lässt gerade im nahenAwaza einer eine Touristen-und Hotel stadt errichten. Optisch eh ganz nett, aber ein wenig überdimensioniert für die Handvoll Touristen, die hier vorbeikommt. Der Öl film im Meer ist auch nicht einladend.
Landschaftliche Höhepunkte gibt es aber gar nichtweit davon. Auf demWeg in den Süden bezaubern die eindrucksvollen Farben und Formationen der Wüstengebirge samt gewaltiger Canyons. AmschönstenderYangikala-Canyon, dem Rest einer uralten Meeresküste. Spannend ist auch die Fahrt durch das zerklüftete Kopetdag-Gebirge immer entlang der iranischen Grenze bis nach Ashgabat. Hier leben die Menschen noch in natürlich gewachsenen Ansiedlungen, ganz ohne Marmor und Statuen. Dafür bewachen teils vergoldete Ziegenhörner die Gräber aufdenFriedhöfen.
Spektakuläre Überreste alter Kulturen findet man mitten inder Wüste im 5000 Jahre alten Dehistan und in Nisa, einst Parther-Residenz, mittlerweile UNESCO-Welterbe. Bei weitem jünger sindzwei großartige Moscheenkomplexe: jener in Geok Depe, und die erst 2004 errichtete größteMoschee des Landes in Kiptschak.
StadtimSand
Ein einziges, riesigesGrabistdie antike Stadt Merw im Osten, denn ihre Ruinen sind großteils im Sand verborgen. Im 12. Jahrhundert eine der wichtigsten Städteder islamischenWelt, fiel sie 1221 einem Rache- und Eroberungsfeldzug der Mongolen zum Opfer, sie wurde völlig zerstört, fast alle Bewohner niedergemetzelt. Heute sieht man noch Stadtmauern aus der Wüste aufragen, sowie die wenigen Reste einstiger Paläste und Mausoleen.Sehens werte Überreste einer mittelalterlichen Festung und einer Moschee finden wir auch inAnau, nah bei Ashgabat. Hier ware in Erdbeben haupt verantwortlich für die Zerstörung. Dennoch kommen zahlreiche Pilger zum Mausoleum des damaligen Scheichs, um zu beten und nach alter Sitte Tücher an Bäumen festzubinden oder Schlüssel auf Steinen zu hinterlassen, damit ihre Gebete aucherhörtwerden.
Fotosmit Brautpaar
Vor der Heimreise erleben wir dannimsonst sokünstlich-sterilen Ashgabat eine Überraschung. Farbenprächtig, laut, fröhlich und äußerst locker werden hier nämlich die Hochzeiten zelebriert, ganz öffentlich mit ausführlichem Fotoshooting. Dabei entsteht manchmal richtiger Stau, denn alle wollenden gleichen Hintergrund – den Platz vordem Unabhängigkeits denkmal. Und das Brautpaar, angereist mit einem prächtigge schmückten Auto, muss natürlich mit allen Verwandten, einzeln und als Gruppe, verewigt werden. Das Gesicht der Braut ist dabei mit einem kunstvoll bestickten Schleier bedeckt.
Dass wir Ausländer das Spektakel natürlich ausführlichst fotografieren, wird von den Turkmenen ganz gelassen hingenommen. Und wir selbst werden ebenfalls wieder permanent geknipst, das Vergnügen ist also gegenseitig. Der Geheimdienst hat ja sicher auch schon ein hübsches Fotoalbum unserer Gruppe. Belästigt wurden wir jedenfalls nie – Touristen gegenüber wird man wieder toleranter.