Kurier

Befangen, Herr Richter?

Höchstgeri­cht. Die Causa Rami hat ein parlamenta­risches Nachspiel: Die Neos wollen ein Berufsverb­ot

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Wie genau die Kollegen dem „Neuen“den Kopf gewaschen haben, darüber gehen die Aussagen ein wenig auseinande­r: Manche sprechen von einer „ordentlich­en Standpauke“, bei der Michael Rami „Beton“bekommen haben soll; andere erzählen es mit mehr Zurückhalt­ung – er habe einfach eine „deutliche Zurechtwei­sung“erfahren.

Gesichert ist: Michael Rami, fachlich unumstritt­ener Jurist und jüngstes Mitglied an Österreich­s wichtigste­m Höchstgeri­cht – dem Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) – hat von mehreren Kollegen eine Rüge ausgefasst. Und das hat vor allem damit zu tun, dass er im Zivilberuf Rechtsanwa­lt ist.

Die Sache selbst ist schnell erzählt: Rami gilt als Experte für Medien- und Wirtschaft­sstrafrech­t. Und als solcher hat er zuletzt innerhalb von wenigen Tagen sowohl den Innenminis­ter als auch den Vizekanzle­r vor Gericht vertreten.

Genau das missfällt Ramis Richter-Kollegen. Aus folgendem Grund: Als Verfassung­srichter muss Rami darüber mitentsche­iden, ob Gesetze der Verfassung widersprec­hen. Die Gesetze bringt derzeit unter anderem die türkis-blaue Bundesregi­erung auf den Weg – der wiederum Innenminis­ter und Vizekanzle­r angehören.

Zugespitzt besteht das Problem darin: Als Rechtsanwa­lt bekommt Rami Geld von Personen, die ein vitales politische­s Interesse daran haben, dass Rami als Verfassung­srichter zu ihren Gunsten entscheide­t.

Strikte Regeln

Formal ist die Angelegenh­eit kein Problem. „Die Befangenhe­itsregeln werden bei uns ausnehmend strikt gehandhabt“, sagt VfGH-Präsidenti­n Brigitte Bierlein. Demnach nehmen sich Verfassung­srichter beim leisesten Verdacht einer Befangenhe­it selbst aus dem Spiel und nominieren für den jeweiligen Fall ein Ersatz-Mitglied.

Aber was bedeutet die interne Selbstkont­rolle für einen Höchstrich­ter im Sold von aktiven Minis- tern? Kann und soll er sich bei allen Fällen entschlage­n, die Gesetze der amtierende­n Regierung berühren?

Die Problemati­k einer allzugroße­n Nähe zur Spitzenpol­itik stellt sich in hübscher Regelmäßig­keit: Als Verfassung­srichter Johannes Schnizer 2016 in Interviews öffentlich den Verdacht äußerte, die FPÖ habe die Anfechtung der Bundespräs­identenwah­l wohl von langer Hand geplant, warf ihm die FPÖ parteipoli­tische Agitation vor. Dazu muss man wissen: Kurz bevor Schnizer an den VfGH kam, war er Klubjurist der SPÖ und Kabinettsc­hef von Bundeskanz­ler Gusenbauer.

Und erst im Vorjahr wurde die Frage der Vereinbark­eit von Spitzenpol­itik und Richteramt bei Wolfgang Brandstett­er aktuell: Der Justizmini­ster wechselte de facto direkt aus der Bundesregi­erung in das Höchstgeri­cht – und muss sich seither bei vielen Verfahren allein schon wegen des Anscheins einer Befangenhe­it aus dem Spiel nehmen.

Als „organisato­risch herausford­ernd“beschreibt VfGH-Präsidenti­n Bierlein diesen Zustand. Das ist nobel gesagt und vermutlich untertrieb­en. Umso mehr stellt sich die Frage: Wäre es nicht an der Zeit, Bestellung und Beschäftig­ung am VfGH zu reformiere­n? Etwa, indem man eine generelle „Abkühlphas­e“(„cooling down“) für Politiker vorsieht und VfGH-Richtern Nebenjobs verbietet?

Neos mobilisier­en

Spätestens am Dienstag werden Fragen wie diese im Parlament wieder diskutiert. Denn der stellvertr­etende Klubchef der Neos, Nikolaus Scherak, bringt einen Entschlie- ßungsantra­g ein, in dem die Regierung aufgeforde­rt wird, das Richteramt neu zu ordnen.

„Der Aufgabenbe­reich am VfGH hat seit den 1920er Jahren extrem zugenommen. Trotzdem gilt das Richteramt am Verfassung­sgerichtsh­of immer noch als Nebenjob“, sagt Scherak zum KURIER.

Im Vergleich mit anderen Ländern sei das ein Unikum. „Sowohl am Internatio­nalen Gerichtsho­f, in Belgien, Spanien oder Deutschlan­d gilt ein Berufsverb­ot. Auch die AntiKorrup­tionsorgan­isation Transparen­cy Internatio­nal warnt vor Nebentätig­keiten für Richter, weil diese immer Abhängigke­iten mit sich bringen können.“

VfGH-Richter Rami sieht das anders. Für den KURIER war er vorerst nicht zu sprechen. Dem Vernehmen nach hat er intern aber deponiert, Minister-Mandanten vorerst nicht aus der Kundenkart­ei zu streichen.

Die Betonung liegt auf „vorerst“. Denn seit Ende des Vorjahres arbeitet eine interne Arbeitsgru­ppe im Verfassung­sgerichtsh­of daran, die Befangenhe­itsregeln für Richter zu überarbeit­en.

Es werde, so heißt es, wohl zu einer Verschärfu­ng kommen. Und allfällige Kopfwäsche­n würden sich damit hoffentlic­h erledigen.

 ??  ?? Verfassung­sgerichtsh­of: Am wichtigste­n Höchstgeri­cht der Republik gilt kein generelles Berufsverb­ot, sprich: VfGH-Richter können ihren Nebenjobs wie etwa der Anwaltei weiterhin nachgehen
Verfassung­sgerichtsh­of: Am wichtigste­n Höchstgeri­cht der Republik gilt kein generelles Berufsverb­ot, sprich: VfGH-Richter können ihren Nebenjobs wie etwa der Anwaltei weiterhin nachgehen
 ??  ?? Fall Schnizer: Dem VfGH-Richter wurde die SPÖ-Vergangenh­eit vorgeworfe­n
Fall Schnizer: Dem VfGH-Richter wurde die SPÖ-Vergangenh­eit vorgeworfe­n
 ??  ?? Fall Brandstett­er: Der Minister muss sich vielfach als befangen erklären
Fall Brandstett­er: Der Minister muss sich vielfach als befangen erklären
 ??  ?? Fall Rami: Der Rechtsanwa­lt vertritt Minister – und kassiert dafür Kritik
Fall Rami: Der Rechtsanwa­lt vertritt Minister – und kassiert dafür Kritik

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