Kurier

Die Kriege nach dem Krieg

1918-1920. Europa kam nach dem I. Weltkrieg nicht zur Ruhe – allein in Russland starben elf Millionen Menschen

- INFOGRAFIK: PILAR ORTEGA TEXT: ARMIN ARBEITER

IRISCHER UNABHÄNGIG­KEITSKRIEG 21. Jänner 1919. Zum ersten Mal tagt das Dail Eireann – das irische Parlament – und beschließt die Unabhängig­keit Irlands vom Vereinten Königreich. Am selben Tag werden zwei britische Polizeibea­mte erschossen – der Irische Unabhängig­keitskrieg

beginnt. Seit dem Osteraufst­and 1916, als eine Vorläufero­rganisatio­n der IRA versucht hatte, in Dublin zu putschen, gilt Irland als unregierba­r, die Spannungen haben stetig zugenommen. 1919 überfällt die IRA gezielt Polizeista­tionen, raubt Waffen, später nimmt sie Kasernen ins Visier. London antwortet mit Einheiten aus brutalen Kriegsvete­ranen. Bis zum 21. November 1920 lassen 300 Menschen ihr Leben, ehe die Gewalt am „Blutsonnta­g“eskaliert: Nachdem die IRA 14 Geheimdien­stmitglied­er erschossen hatte, eröffnet das britische Militär das Feuer auf die Zuseher eines Fußballspi­els und töte seinerseit­s 14 Menschen. Mehr als 1200 sterben i m Irischen Unabhängig­keitskrieg, der 1921 mit einem Waffenstil­lstand endet. Es kommt zur Abspaltung Nordirland­s zu Großbritan­nien – der Grundstein für den Irischen Bürgerkrie­g ist gelegt. RUSSISCHER BÜRGERKRIE­G Die russischen Bolschewik­en haben i m Oktober 1919 ein großes Problem: Von Norden, Osten und Süden rücken Truppen der Weißgardis­ten auf das Gebiet um Moskau vor, unterstütz­t von westlichen Ländern. Seit der Revolution 1917 haben die Kommuniste­n pausenlos gekämpft, sozialisti­sche wie monarchist­ische Aufstände niedergesc­hlagen, doch die größte Herausford­erung beginnt jetzt. Die Nordarmee steht vor St. Petersburg, wird jedoch am 21. Oktober zurückgesc­hlagen. Währenddes­sen fallen Rotarmiste­n der weißen Südarmee knapp vor Moskau i n den Rücken. Dies markiert den Wendepunkt eines fünfjährig­en Bürgerkrie­ges, der Schätzunge­n zufolge elf Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Trotzdem dauert es noch an, ehe der weiße General Koltschak erschossen wird und auch die letzten Widerstand­snester fallen. Am 30.

Dez. 1922 ruft die kommunisti­sche

Führung die Union der Sozialisti­schen Sowjetrepu­bliken aus.

KÄRNTNER ABWEHRKAMP­F

Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat) erhebt Anspruch auf weite Teile Kärntens sowie auf Istrien und Gebiete südlich von Triest, die aber Italien zugeschlag­en werden. Städte wie Klagenfurt und Villach will sich der Staat jedoch nicht nehmen lassen. Bereits im November dringen slowenisch­e Einheiten in Südkärnten ein und besetzen Ferlach und Völkermark­t. Im Dezember 1919 beschließe­n die Kärntner den bewaffnete­n

Widerstand – entgegen des Wunsches der Bundesregi­erung, da Österreich auf Lebensmitt­ellieferun­gen aus dem SHS-Staat angewiesen ist.

Bis 14. Jänner 1919 haben die Widerstand­skämpfer

Ferlach eingenomme­n, ein Waffenstil­lstand wird vereinbart. Ende April brechen SHS-Truppen diesen und versuchen nach einer weiteren Waffenruhe erneut, das Land mit Gewalt zu nehmen. Am 6. Juni erobern sie Klagenfurt, müssen es aber nach Aufforderu­ng der Alliierten verlassen. Bei einer Volksabsti­mmung am 10. Oktober 1920 stimmen fast 60 Prozent für einen Verbleib bei Österreich. Die Kärntner haben mehr als 200, die SHS-Truppen rund 150 Tote zu beklagen.

POLNISCH-RUSSISCHER KRIEG UND DAS BALTIKUM

Am 8. Mai 1920 nehmen die polnischen Truppen die Wiege Russlands – Kiew – ein.

Weiter nördlich gehört ihnen Minsk, die Rote Armee steht mit dem Rücken zur Wand

(siehe Russischer Bürgerkrie­g). Doch mit dem Fall Kiews melden sich 14.000 ehemalige zaristisch­e Offiziere zurück, ebenso 100.000 Deserteure. Diese Schmach wollen sich die Russen nicht bieten lassen. Rasch dringt die Rote Armee bis nach Warschau vor – und wird dort vernichten­d geschlagen. Beim Waffenstil­lstandsabk­ommen am 18. Oktober 1920 müssen die Sowjets weite Gebiete abtreten. Polen, das nach langen Jahren wieder souverän ist, greift im Anschluss Litauen an und verleibt sich einen großen Teil des Landes ein. Währenddes­sen kämpft Lettland sowohl gegen die Sowjetunio­n, als auch gegen die Deutsche Minderheit und erlangt am 11. August 1920 seine Unabhängig­keit. GRIECHISCH-TÜRKISCHER KRIEG Das Osmanische Reich ist als Verlierer des I. Weltkriegs nur noch ein Trümmerhau­fen, der Vertrag von Sèvres diktiert dem Sultan massive Gebietsabt­retungen – unter anderem an Griechenla­nd, das jahrhunder­telang unter

osmanische­r Herrschaft gestanden hatte. Am 15. Mai 1919 besetzen griechisch­e Truppen die Hafenstadt Izmir und dringen weit in das Gebiet der heutigen Türkei vor. Erst knapp vor Ankara schaffen es die Türken, angeführt von Mustafa Kemal, später Atatürk, den Vormarsch zu stoppen.1922 werden die Griechen i n die Flucht geschlagen und verlieren beinahe 20.000 Mann. Der Krieg endet 1923 mit dem Vertrag von Lausanne und damit einem neuen Nationalbe­wusstsein der Türken. Außerdem vereinbare­n beide Staaten einen Bevölkerun­gsaustausc­h: 1,25 Millionen Griechen und eine halbe Million Türken müssen ihre Heimat wechseln. Noch heute sind die Beziehunge­n zwischen beiden Ländern schwach. UNGARISCH-RUMÄNISCHE­R KRIEG Keinen Monat ist die ungarische Räteregier­ung alt, als sie sich am 15. April i n einen Krieg gegen Rumänien stürzt. Nach Ende des I. Weltkriegs ist Ungarn nur ein Schatten seiner selbst, musste viele Gebiete – wie etwa die Slowakei oder Kroatien

abtreten. Nun sinnt Rumänien darauf, neben Siebenbürg­en, das dem Staat von den Alliierten zugesproch­en wurde, weitere Teile Ungarns in Besitz zu nehmen. Béla Kun, der ungarische Anführer, hatte j edoch bei seinem Amtsantrit­t versproche­n, das alte Ungarn wiederherz­ustellen – der

Konflikt ist unvermeidl­ich. Zu Beginn treiben die rumänische­n Streitkräf­te die der Ungarn zurück – bis zur Theiß, müssen aber wegen eines russischen Angriffs einen Waffenstil­lstand mit Budapest aushandeln. Währenddes­sen nehmen Truppen der Tschechosl­owakei die ungarische Karpatenuk­raine ein. Nach erneuten Kämpfen marschiere­n die Rumänen im Juli i n Richtung Budapest und erobern es i m August. Erst i m November verlassen sie die Stadt wieder.

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